"Wertvoll": Hamburger Museum zeigt neue Techniken im Kunsthandwerk
Die Diskussionen um Nachhaltigkeit verändert auch das Kunsthandwerk - zu sehen in der Ausstellung "Wertvoll" im Hamburger Museum der Arbeit. Es präsentiert rund 200 Arbeiten von mehr als 70 Künstlerinnen und Künstlern.
Die Papierkünstlerin Silke Janssen verwandelt die Steuerunterlagen ihrer verstorbenen Mutter in eine edle, weiße Schale. Die Modistin Ulli Meins schneidert aus einem Stück eines alten Theatervorhangs eine elegante Samtkappe im Stil der 1920er-Jahre. Und der warm-orangefarbene Wandteppich aus zusammengenähten, blütenförmigen Filzstücken ist eigentlich ein Akustikelement, z.B. gegen Lärm in Restaurants, entwickelt von Anja Matzke. "Früher haben die stinknormalen Vorhänge geholfen, aber die gibt es immer weniger. Und deshalb war es mir ein Anliegen, eine neue Form zu finden, die ein bisschen frischer oder anders aussieht, um die Akustik in Räumen zu verbessern", erklärt die Künstlerin. "Filz verbessert auch das Raumklima. Er nimmt Feuchtigkeit auf und gibt Feuchtigkeit ab, weil er ja ein natürliches Material ist."
Schau der Fantasie und Experimentierlust
Die Schau präsentiert rund 200 Arbeiten von 70 Mitgliedern der Hamburger Arbeitsgemeinschaften des Kunsthandwerks, die auf ganz unterschiedliche Weise "wertvoll" sind. Die Objekte machen sich in der hellen Halle des Museums der Arbeit ausgesprochen gut. Platziert auf großen und kleinen Podesten oder an den Wänden hängend, führen sie Fantasie und Experimentierlust ihrer oftmals prämierten Schöpferinnen und Schöpfer vor Augen: Ein leuchtend grüner Teppich besteht aus alten Fischernetzen, ein zartes Collier aus Hunderten Stücken winziger, gerollter Seide, an große Samenkapseln erinnernde Gefäße aus Merino-Wolle.
Nachhaltiges Kunsthandwerk zur Müllvermeidung
Vom Entwurf bis zum fertigen Objekt gestalten Kunsthandwerkerinnen und Handwerker alles selbst. Das macht ihre Arbeiten oft teuer. Dafür gebe es aber auch kaum etwas Nachhaltigeres, gibt Isabell Hofmann zu bedenken. Die Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft des Kunsthandwerks in Hamburg hat die Ausstellung kuratiert. "Gerade Kunsthandwerk ist angetreten gegen dieses Fast-Fashion, Fast-Food, Fast-Möbel", betont die Kuratorin. "Es ist ja große Mode geworden, Billigmöbel einzukaufen und sie dann nach fünf Jahren einfach auf den Sperrmüll zu stellen, weil sie sowieso nicht viel gekostet haben. Es werden Unmengen an Müll produziert."
Schlangenhaut aus Kombucha-Pilz
Die Sachen, die Kunsthaldwerkerinnen und Handwerker herstellen, sind unabhängig von der Mode, und sie sind extrem langlebig. Dabei entstehen die verrücktesten und tollsten Dinge: Susanne Schwarz etwa gestaltet aus Draht, Pappmaché und Acrylfarben abgründig-surreale Historientableaus, etwa zu Friedrich dem Großen. Und die Studentin Magdalena Warkocz, eine von vier besonders experimentierfreudigen Nachwuchskünstlerinnen, zeigt anhand einer kleinen, schimmernden Handtasche, wie intensiv sich die junge Generation mit Ressourcenschonung beschäftigt. "Sie experimentiert mit dem Kombucha-Pilz, einem Pilz, aus dem Tee gewonnen wird. Sie züchtet den Pilz zuhause und stellt daraus Stoffe her, die sich ein klein wenig wie Schlangenhaut anfühlen", erzählt sie. "Diese Textilien kann man tatsächlich für Kleidungsstücke benutzen, und wenn sie einem nicht mehr gefallen, dann geht man in den Garten, buddelt sie ein und lässt die Rosen darauf wachsen."
Töpfern aus UNESCO Weltkulturerbe
Je länger man die Objekte betrachtet, desto deutlicher wird: Nicht die teils luxuriösen Materialien wie Gold und Edelsteine sind das Kostbare. Das wirklich Wertvolle ist das hier versammelte Können der erfahrenen Künstlerinnen und Künstler, sind die über Jahre und Jahrzehnte erlernten Fähigkeiten und das darin gespeicherte, überlieferte Wissen aus unterschiedlichen Traditionen und Kulturen. "Das Problem ist, dass diese Handwerke und das Wissen um bestimmte Techniken leider heutzutage verschwindet, weil es nicht mehr gelehrt wird, weil es zu wenig Lehrstellen gibt, weil es zu wenig kleine Betriebe gibt, weil alles immer mehr industrialisiert wird", bedauert die Kuratorin. Die UNESCO habe deshalb bereits viele Kunstgewerke auf die Liste des Weltkulturerbes gesetzt - sogar das Töpfern.
"Wertvoll": Hamburger Museum zeigt neue Techniken im Kunsthandwerk
Die Diskussion um nachhaltigen Umgang mit Ressourcen verändert auch das Kunsthandwerk - zu sehen im Museum der Arbeit.
- Art:
- Ausstellung
- Datum:
- Ende:
- Ort:
-
Museum der Arbeit
Wiesendamm 3
22305 Hamburg
- Öffnungszeiten:
- Montag 10 - 21 Uhr
Dienstag geschlossen
Mittwoch bis Freitag 10 - 17 Uhr
Samstag bis Sonntag 10 - 18 Uhr
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Kunsthandwerk
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