"Kontroverse documenta" mit Ruangrupa: Viele Fragen, kaum Antworten
Künstler von Ruangrupa und Taring Padi haben bei einem Hochschul-Symposium über "Antisemitismus im Kunstfeld" diskutiert. Im Mittelpunkt der Diskussion am Donnerstag stand die vergangene documenta, die von Antisemitismusvorwürfen überschattet wurde.
Im Sommer 2022 machte die documenta selten mit Kunst Schlagzeilen - dafür umso mehr mit Diskussionen über antisemitischen Darstellungen. Unter anderem ging es um ein Bild von Taring Padi, auf dem ein Mann mit Schläfenlocken, vampirartigen Zähnen zu sehen war, der einen Hut mit SS-Runen trug. Daneben war ein Soldat mit etwas, das wie eine Schweinenase aussah.
Das indonesische Kuratorenteam Ruangrupa hatte die größte Kunstschau organisiert, viel Kritik auf sich gezogen und sich zwischenzeitlich mehrfach zu entschuldigen versucht. Zwei Mitglieder des Kollektivs sind derzeit Gastprofessoren an der Hochschule für Bildende Künste in Hamburg (HfbK). Bei der Semestereröffnung gab es bereits große Proteste. Diese Woche hat die Hochschule nun zu einem Symposium eingeladen, bei dem sich die indonesischen Künstler der Kritik stellten.
Reza Afisina und Hestu Nugroho auf HfbK-Gesprächspodium
Im Saal der Hochschule wird es laut. Man merkt sofort: Das Thema der antisemitischen Darstellungen bei der letzten documenta regt die Menschen auf. Auf dem Gesprächspodium im restlos überfüllten Saal sitzen Reza Afisina von Ruangrupa und Hestu Nugroho vom Künstlerteam Taring Padi.
Schon 2001 hat Taring Padi ein großes Banner bemalt - darauf zu sehen waren Polizisten mit Schweinsnase und Davidstern, eine Figur mit Raubtierzähnen und Schlangenzunge, eine SS-Rune auf einem Hut: klare antisemitische Bildsprache. "Ich will hier keine Entschuldigung konstruieren, weil ich kein Experte bei dem Thema bin. Wenn man über den Kontext des SS-Symbols spricht, bekommt das so einen Charakter in Indonesien: Weshalb findet das statt?", sagt Reza Afisina. "Auf der anderen Seite ist das Swastika-Symbol, das Hakenkreuz, ein Teil des Hinduismus."
Hamburger Bürgerschaftsabgeordneter Zamory findet Antworten ausweichend
Peter Zamory ist Mitglied der Jüdischen Gemeinde Hamburgs und der Grünen. Er findet die Antworten der indonesischen Künstler ausweichend. "Es sind klare Fragen nach antisemitischer Bildsprache und den tiefen Beweggründen, warum das in einem indonesischen revolutionären Kunstwerk auftaucht, gestellt worden", sagt Zamory. Die Protagonisten seien aber nicht bereit oder nicht in der Lage gewesen, darauf klar zu antworten. Auch Hochschulpräsident Martin Köttering sagt: "Ich bin mir nicht sicher, ob wir gerade mehr Fragen aufwerfen, als wir Antworten hören. Aber ich bin trotzdem geradezu beruhigt, dass viele Fragen mal gestellt werden."
Künstler von Taring Padi entschuldigt sich
Das umstrittene Banner wurde noch während der documenta abgehängt. Der Künstler von Taring Padi steht zu dieser Entscheidung. Er entschuldigt sich auf dem Panel dafür, Gefühle verletzt zu haben. An dem Punkt reagieren einzelne Besucher sehr lautstark. Es gehe nicht um Gefühle, sondern um objektiven Antisemitismus, um für alle sichtbare Judenfeindschaft.
Peter Zamory erklärt: "Ich war skeptisch gegenüber diesem Symposium. Viele Juden und Jüdinnen sagen, 'mit Menschen, die uns als Schweine darstellen, reden wir nicht'. Dafür habe ich volles Verständnis. Aber als Abgeordneter habe ich die Notwendigkeit gesehen, mich aktiv dieser Debatte zu stellen und mich auch einzubringen. Aber mit welchem Resultat und Erfolg?"
Das bleibt offen. Das Gespräch mit den Künstlern wird nicht konkret: Hestu Nugroho erklärt ausführlich, weshalb das große Wimmelbild von 2001 ein Reflex auf die indonesische Diktatur Suhartos gewesen sei.
Zu den kritischen Fragen, was die eindeutig antisemitischen Bilder auf dem Banner zu suchen hätten, kommt keine deutliche Antwort. Stattdessen hat man das Gefühl, hier werden bewusst oder unbewusst Nebelkerzen gezündet. Auch Köttering räumt ein "dass bei diesem Panel, wo es um ein Gespräch mit den Kuratorenkollektiv und mit Taring Padi geht, die Verantwortlichen ausweichen, finde ich persönlich schade." Aber es werde sicherlich in den Panels, die am Nachmittag noch folgten, aufgegriffen werden. Reza Afisnina und Hestu Nugroho waren bei den späteren Panels jedoch nicht mehr dabei.
Fehlen der Jüdischen Gemeinde Hamburgs auf dem Podium
Dass die Jüdische Gemeinde Hamburgs und der Zentralrat der Juden zwar als Gäste im Saal eingeladen wurden, nicht jedoch mit eigenem Gesprächspodium, erklärt Martin Köttering so: "Wir haben Expertinnen und Experten aus dem Wissenschaftsumfeld eingeladen, um in einer wissenschaftlichen Institution ein wissenschaftliches Symposium zu machen."
Für Peter Zamory ist klar: die Gastprofessur der beiden Ruangrupa-Mitglieder sollte bald enden. "Im zweiten Semester sollten sie nach Hause geschickt werden. Aber nicht von der Senatorin - sondern von dem, der sie eingeladen hat: nämlich Professor Köttering." Zamory macht nochmal deutlich: Dies ist keine rein deutsche Diskussion: "Strukturell wird nicht begriffen, dass Antisemitismus, in welcher Form auch immer, weltweit zu bannen und zu eliminieren ist."