Eine lilafarbene gelockte Skulptur steht nahe der Binnenalster © Hannah Rath und Franziska Opel

Denk-Ort für sexuelle Vielfalt in Hamburg: Kontroverse um Vergabe

Stand: 09.08.2024 14:58 Uhr

Direkt neben der Lombardsbrücke an der Binnenalster soll ein Kunstwerk auf sexuelle und geschlechtliche Vielfalt in Hamburg hinweisen. Dazu hat es einen Wettbewerb gegeben - allerdings wird der zweitplatzierte Entwurf umgesetzt.

von Franziska Storch

"Für Capri und Roxi": So heißt der Sieger des anonymen Wettbewerbs, bei dem sich die Hamburgerin Franziska Opel und die Berlinerin Hannah Rath in zweiter Runde gegen 13 andere Entwürfe durchsetzten. Der Titel erinnert an ein Tanzverbot für Schwule Männer in den 1960er-Jahren in Hamburg, das auch zwei Schwulenkneipen betraf. Sie wollten an der Alster eine riesige, liegende Luftschlange aufbauen - auch als luftiges Zukunftssymbol für Party, gute Laune und Freiheit für alle. Die Farben sind besonders: "Zwischen blau und violett - es war mit einem Flip-Flop-Lack bedacht. Die Farbe verändert sich im Vorbeigehen, sodass ein fließender Übergang möglich ist - wie bei den Geschlechtern oder bei der geschlechtlichen Identitätsfindung", erklärt Franziska Opel.

Großer Einsatz der queeren Community für Skulptur von Ólafur Elíasson

Doch die queere Community sprach sich für den zweitplatzierten Entwurf aus. In allen Entscheidungsprozessen hatte diese ein großes Mitspracherecht, denn sie hatte einen solchen Denkort vor zehn Jahren angeregt. Bei der Bestimmung des Ortes, der Ausschreibung war sie involviert worden. Nach der Sitzung der Fachjury holte die Behörde ein Stimmungsbild ein bei der LSBTIQ*-Communitys.

Eine Buntglasskulptur in Regenbogenfarben steht nahe der Binnenalster © Studio Other Spaces - Sebastian - Behmann und Olafur Eliasson
Pavillon der Stimmen, 2024, Studio Other Spaces – Olafur Eliasson and Sebastian Behmann.

Gut 60 Hamburger Initiativen haben sich am Gesamtprozess beteiligt: von Queerer Leuchtturm St. Pauli bis zur Hamburger Regenbogenstiftung. Mitinitiator Gottfried Lorenz saß sogar in der Fach-Jury und erläutert die Kontroverse: "Es war ja keine Entscheidung zwischen Schietkram und Goldbüddel, sondern es ging um ein Kunstwerk, das stark homosexuell konnotiert war. Roxi und Capri waren Schwulenkneipen, in denen das Tanzen verboten war. Diese Konnotation ist vorhanden gewesen, aber alle anderen Gruppierungen blieben außen vor."

Dass der Entwurf über diese Konnotation hinaus gehen kann, wurde nicht wahrgenommen. Stattdessen fanden die Anwesenden den Zweitplatzierten besser: einen zwölf Meter großen Ring in Regenbogenfarben vom international bekannten Künstler Ólafur Elíasson. Daraufhin hat die Kulturbehörde eine Entscheidung getroffen, die Pressesprecherin Anja Bornhöft erläutert: "Es hat sich herausgestellt, dass sich die gesamte Community hinter dem zweitplatzierten Entwurf versammelt hat und gesagt hat: Damit wird das Ziel erreicht. Die Behörde hat dann abgewogen zwischen der Juryentscheidung und dem Stimmungsbild aus der Community und hat sich dann dazu entschieden, den zweitplatzierten Entwurf umzusetzen."

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Vorgehen der Behörde wirft Fragen auf

Dieser Vorgang ist extrem ungewöhnlich. In der Regel folgt die Behörde der Empfehlung der Fachjury, geht mit den Erstplatzierten in Verhandlung und nur bei triftigen Gründen passiert eine Umsetzung der Zweitplatzierten. Dass die Behörde zwar mit den LGBTIQ-Communitys, nicht aber mit den erstplatzierten Künstlerinnen gesprochen hat, scheint dem vorgesehenen Verfahren entgegen zu stehen. Man mag sogar die Rolle einer Fachjury infrage stellen, wenn ihr Wissen auch um bau- und denkmalschutztechnische Belange sowie ihr künstlerischer Sachverstand am Ende doch nicht ausschlaggebend sind. Die beiden Künstlerinnen hätten sich eine andere, offenere Kommunikation gewünscht. Sie hatten von der nachträglichen Sitzung über das Internet erfahren. Sie durften weder teilnehmen noch ihren Entwurf persönlich vorstellen und darüber in der Runde diskutieren.

Ihre Luftschlange ist als Kunstwerk tatsächlich komplexer als das eher naheliegende Farbenrad. Ganz neu scheint dieser bunte Entwurf auch nicht zu sein: "Einen Ring in Regenbogenfarben gibt es in der Tat schon in Aarhus", sagt Bornhöft "Der ist da Teil des Museums. Hier gibt es auch eine zweite Ebene, nämlich Audiospuren, die Stimmen aus der Community hörbar und das Kunstwerk veränderbar machen." Die Idee kommt vom international erfolgreichen Ólafur Elíasson und von Sebastian Behmann. Künstler und Symbol sind bekannt. Fehlte den Verantwortlichen am Ende der Mut zu Neuem?

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Dieses Thema im Programm:

NDR Kultur | Kulturjournal | 08.08.2024 | 19:00 Uhr

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