Eine lilafarbene gelockte Skulptur steht nahe der Binnenalster © Hannah Rath und Franziska Opel

"Denk-Ort" in Hamburg: Wettbewerbs-Erste fühlen sich betrogen

Stand: 08.08.2024 16:40 Uhr

Direkt neben der Lombardsbrücke an der Binnenalster soll ein Kunstwerk auf sexuelle und geschlechtliche Vielfalt in Hamburg hinweisen. Dazu hat es einen Wettbewerb gegeben - allerdings wird der zweitplatzierte Entwurf umgesetzt.

von Franziska Storch

"Für Capri und Roxy": So heißt der Sieger des Wettbewerbs - eine Erinnerung an zwei Schwulenkneipen. Die Hamburgerin Franziska Opel und die Berlinerin Hannah Rath wollten an der Alster eine riesige, liegende Luftschlange aufbauen - auch als luftiges Zukunftssymbol für Party, gute Laune und Freiheit für alle. Die Farben sind besonders: "Zwischen blau und violett - es war mit einem Flip-Flop-Lack bedacht. Die Farbe verändert sich im Vorbeigehen, sodass ein fließender Übergang möglich ist - wie bei den Geschlechtern oder bei der geschlechtlichen Identitätsfindung", erklärt Franziska Opel.

Großer Einsatz der queeren Community für Skulptur von Ólafur Elíasson

Eine Buntglasskulptur in Regenbogenfarben steht nahe der Binnenalster © Studio Other Spaces - Sebastian - Behmann und Olafur Eliasson
Das Farbrad, das als zweitplatzierter Entwurf umgesetzt wird, erinnert an die Dachinstallation "Your rainbow panorama" auf dem Aros-Kunstmuseum in Aarhus, die ebenfalls von Ólafur Elíasson stammt.

Doch die queere Community hatte in allen Entscheidungsprozessen großes Mitspracherecht und fand den Zweitplatzierten besser: einen zwölf Meter großen Ring in Regenbogenfarben vom international bekannten Künstler Ólafur Elíasson. 60 Hamburger Initiativen hatten sich am Prozess beteiligt: von Queerer Leuchtturm St. Pauli bis zur Hamburger Regenbogenstiftung. Mitinitiator Gottfried Lorenz saß sogar in der Fach-Jury und erläutert die Kontroverse: "Es war ja keine Entscheidung zwischen Schietkram und Goldbüddel, sondern es ging um ein Kunstwerk, das stark homosexuell konnotiert war. Roxy und Capri waren Schwulenkneipen, in denen das Tanzen verboten war. Diese Konnotation ist vorhanden gewesen, aber alle anderen Gruppierungen blieben außen vor."

Franziska Opel hätte ihr Kunstwerk gerne den Communitys erklärt, doch dazu kam es nicht. Über das Internet haben die beiden Künstlerinnen erfahren, dass die Behörde selbst den erst- und zweitplatzierten Entwurf den Communitys zeigen wollte. Anja Bornhöft, Sprecherin der Kulturbehörde erläutert, wie die Entscheidung zustande kam: "Es hat sich herausgestellt, dass sich die gesamte Community hinter dem zweitplatzierten Entwurf versammelt hat und gesagt hat: Damit wird das Ziel erreicht. Die Behörde hat dann abgewogen zwischen der Jury-Entscheidung und dem Stimmungsbild aus der Community und hat sich dann dazu entschieden, den zweitplatzierten Entwurf umzusetzen."

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Dieser Vorgang ist extrem ungewöhnlich. In der Regel folgt die Behörde der Empfehlung der Jury. Dass die Behörde nun zwar mit den Communitys, nicht aber mit den Künstlerinnen gesprochen hat, empfinden die beiden Frauen als ungerecht. Sie entwerfen gerade einen offenen Brief an den Kultursenator.

Ihre Luftschlange ist als Kunstwerk tatsächlich komplexer als das eher naheliegende Farbenrad. Ganz neu scheint dieser bunte Entwurf auch nicht zu sein: "Einen Ring in Regenbogenfarben gibt es in der Tat schon in Aarhus", sagt Bornhöft "Der ist da Teil des Museums. Hier gibt es auch eine zweite Ebene, nämlich Audiospuren, die Stimmen aus der Community hörbar und das Kunstwerk veränderbar machen." Die Idee kommt vom international erfolgreichen Ólafur Elíasson und von Sebastian Behmann. Künstler und Symbol sind bekannt. Fehlte den Verantwortlichen am Ende der Mut zu Neuem?

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Dieses Thema im Programm:

NDR Kultur | Kulturjournal | 08.08.2024 | 19:00 Uhr

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