Nachhaltigkeit: Kunst aus Kronkorken und alten Zeitungen
Es gibt viele Designer, die sich Gedanken machen, wie man aus gebrauchten Materialien neue Möbel oder Kleidungsstücke herstellen kann. Aber ist der Recycling-Gedanke auch in der Bildenden Kunst angekommen?
Der ghanaische Künstler El Anatsui bringt Ausstellungsräume zum Glänzen. Seine Werke sehen aus wie riesige Stoffbahnen und bedecken ganze Museumswände. Dabei schillern und flirren sie, als hätte El Anatsui Gold und Silber verwebt. Erst aus der Nähe betrachtet, wird sichtbar, dass die Textilien aus dem bestehen, was andere weggeworfen haben: Zusammengefaltete Flaschenmanschetten, gewalzte Kronkorken oder zersägte Schraubverschlüsse.
"Die einzelnen Deckel haben nicht viel zu sagen. Erst zusammengefügt bekommen sie eine Stimme", erklärt El Anatsui. Seine Arbeiten wirken monumental. Aber im Gegensatz zu Skulpturen von Künstlern wie Richard Serra oder Anselm Kiefer reisen sie ohne großen Aufwand von einem Ausstellungsort zum nächsten. "Sie lassen sich zusammenfalten, passen in kleine Kisten und sind gut zu transportieren, weil sie so leicht sind", so El Anatsui.
Nachhaltigkeit als Element der Arbeit
El Anatsui ist nicht der einzige, der aus Abfall neue Werke macht. Die Engländerin Harriet Mead baut aus verrosteten Werkzeugen filigrane Tierskulpturen. Das kubanische Kollektiv Guerra de la Paz recycelt Altkleider zu Großplastiken. Und der Brasilianer Vik Muniz setzt aus gebrauchten Elektrodrähten und geschredderten Zeitschriften Porträts von Politikern und Prominenten zusammen. Für sie alle ist der nachhaltige Umgang mit Materialien ein elementares Prinzip ihrer Arbeit.
Recycelte Kunst: Hype in sozialen Medien
Aber wie immer, wenn auf dem Kunstmarkt ein Trend geboren wird, finden sich schnell Geschäftemacher, die auf der Welle mitschwimmen: Ein Beispiel ist Khalil Chishtee, der auf Social Media Kanälen als ressourcenschonender Künstler gefeiert wird. "Wenn man mit begrenzten Ressourcen aufwächst, lernt man, nichts wegzuwerfen", sagt er. Der pakistanische Künstler knotet und lötet aus Plastiktüten menschliche Figuren. Allerdings benutzt er dafür keinen herumfliegenden Müll, sondern fabrikneue Kunststoffbeutel: Ein Detail, das bei seiner Vermarktung als "Recycling-Artist" unterschlagen wird.
Nachhaltigkeit beginnt schon beim Konzept der Ausstellung
Erfreulich ist, dass immer mehr Kuratorinnen und Kuratoren begreifen, dass Nachhaltigkeit schon beim Ausstellungskonzept beginnt: Statt die Materialschlachten eines Jeff Koons oder Damien Hirst in Szene zu setzen, schaffen westliche Museen Raum für Werke von Künstlerinnen und Künstlern aus dem sogenannten "globalen Süden". Darunter sind auffallend viele, die recycelte Alltagsgegenstände zu Kunst verarbeiten. Und meistens mit einer klaren Botschaft: Sie protestieren gegen die Ausbeutung von Mensch und Natur durch die ehemaligen Kolonialmächte.