Goslar: Kunst zieht gegen Fahrradboxen den Kürzeren
Vor 25 Jahren wurde die Wohldenbergerstraße in Goslar mit Bronzeskulpturen und Siebdruckgemälden in eine Kunstmeile umgewandelt. Nun tobt aber die Künstlerseele. Die Stadt ließ nämlich am 17. Juli Fahrradboxen in der Straße aufstellen - und das teils direkt vor den Kunstwerken.
Auf der einen Seite kleine Ladengeschäfte. Auf der anderen Seite die Fassade einer Karstadt-Filiale. Der perfekte Ort, um das teure E-Bike sicher abzustellen und gleichzeitig aufzuladen, so der Ratsbeschluss von 2021. Die Verwaltung musste umsetzen. Blöd nur, dass da überall Kunstwerke rumstehen.
"Man sieht eine gequälte männliche Figur, die sich offensichtlich unter Schmerzen aus der Wand befreit. Füße und Hände stecken noch fest in der Materie." Thomas Velte steht vor der Bronzeskulptur mit dem Titel "Aus Zwängen sich befreien" und ergänzt: "Diese Skulptur betrachtet man am besten von der Seite, was jetzt durch die Fahrradboxen nicht mehr möglich ist."
Vorausschauende Planung hätte auch Geld gespart
Velte ist der Vorsitzende des Bundesverbands Bildender Künstlerinnen und Künstler Bezirksverband Harz. Er findet es schade, "dass man nicht im Vorfeld ein etwas wacheres Auge hatte, sonst hätte man sich die ganze Geschichte sparen können." 50.000 Euro haben die Fahrradboxen gekostet. Deren Fundament weitere 13.000 Euro. Dass diese teuren grauen Kästen einmal Kunstwerke verdecken werden, war bei der Standortfrage zweitrangig. Bürgermeisterin Urte Schwerdtner hatte sich dafür bereits öffentlich entschuldigt und räumt ein: "Das sieht nicht gut aus und da müssen wir etwas dran ändern. Ich glaube das ist für jeden klar."
Nicht kompatibel: Kunst und modernes Leben
Aber wie konnte das passieren? Eigentlich wollte man etwas für den Radverkehr tun. Schwerdtner ergänzt: "Es ist so ein bisschen in den Hintergrund geraten, dass dieser Ort, der von allen Beteiligten als geeignet angesehen wurde, eben doch nicht geeignet ist. Und ich glaube es hat sich keiner wirklich Gedanken darüber gemacht, dass die Dinge, die hier aufgestellt werden, und der Gedanke hier eine Kunstmeile zu errichten und natürlich auch aufrechtzuerhalten, nicht miteinander kompatibel sind."
Mönchehaus-Direktorin sagt: "Shit happens!"
Das findet auch Bettina Ruhrberg. Die Direktorin des Mönchehaus Museums Goslar verleiht den jährlichen internationalen Kunstpreis: Goslarer Kaiserring. "Es wäre natürlich wünschenswert, dass dieses Ensemble, das mal zur Belebung dieser Straße gedacht war, in irgendeiner Form erhalten bleibt. Außerdem ist es wirklich wichtig gewesen für die regionalen Künstler, hier ein Forum zu haben und sichtbar zu sein in der Stadt - auch das ist wichtig und sollte erhalten bleiben." Das Ansehen Goslars als Kunststandort sieht sie aber nicht gefährdet, denn, so Ruhrberg: "Shit happens! Aber es wird ausgeräumt."
Das Ende bleibt offen
So entspannt sehen das in Goslar aber nicht alle. Die Kommentare reichen von "Eine Stadt voller Kunstwerke, wo man sich auch wirklich als Tourist was Schönes angucken kann, und was machen sie? Sie stellen solche Fahrradcontainer davor." bis "Das gehört da nicht hin. Das passt da nicht hin." Ob nun die Boxen oder die Kunstwerke umgestellt werden? Das entscheidet die Stadt im Austausch mit einer Kunstkommission und weiteren Beteiligten nach der Sommerpause.