Energiekrise und Besucherschwund im Museum - was tun?
Wie geht das Braunschweiger Herzog Anton Ulrich-Museum mit der Energiekrise um? Wie will Direktor Thomas Richter es schaffen, den explodierenden Kosten entgegenzuwirken? Und wie will er in Zukunft mehr Besucherinnen und Besucher anlocken?
Thomas Richter ist Direktor am Herzog Anton Ulrich-Museum Braunschweig. Als Kunsthistoriker verfügt er über ein breitgefächertes Fachwissen. Er ist Experte für die Kunst des Mittelalters, der Renaissance und des Barock. An renommierten Häusern hat er über Malerei, Skulptur und Kunsthandwerk dieser Epochen gearbeitet. Er spricht bei uns in der Sendung NDR Kultur à la carte über neue Konzepte in Museen und die Energiekrise, die auch in Braunschweig nicht spurlos am Museum vorbeigeht.
Flanieren Sie schon mal mit dem Generalschlüssel in der Hand durch die Säle und Flure und schauen sich nach Feierabend, wenn alle gegangen sind, ein paar schöne Objekte an, die Sie besonders gerne mögen?
Thomas Richter: Da sprechen Sie was Besonderes an. In den Museen, wo ich früher gearbeitet habe, war es oftmals noch möglich, dass man bei Museumsnächten oder Veranstaltungen nachts alleine durch das Museum gehen konnte, auch wenn alle Lichter ausgeschaltet waren. Das ist heute aufgrund der Überwachungstechnik und der großen Anstrengungen, die man tut, alles zu sichern, leider nicht mehr möglich. Mit einem großen Schlüssel durch das Haus zu gehen, ist eine sehr romantische Vorstellung. Es wäre sehr schön, aber es geht leider nicht mehr. Früher ging das und es war wirklich eine sehr schöne Sache.
Es ist für Museen ohnehin eine der vordringlichen Aufgaben, angesichts schwindender Besucherzahlen neue Konzepte zu entwickeln, um neue und vielleicht andere Besucherschichten anzulocken. Abseits vom klassischen, ich sage es in dicken Anführungsstrichen "Bildungsbürgertum". Was tun Sie konkret, um das Herzog Anton Ulrich-Museum für alle möglichen Besucherschichten attraktiv zu machen? Was ist Ihr Konzept?
Richter: Die Museumspädagogik ist ein Stichwort, das wir alle kennen. Die umfasst natürlich nicht nur die Arbeit mit Schulen, die uns sehr wichtig und ein Schwerpunkt ist. Museumspädagogik umfasst alle Gesellschaftsschichten und alle Altersgruppen. Dafür entwickeln wir neue Programme, die möglichst viele ansprechen. Wir wollen die Leute nicht nur abholen, Tickets verkaufen und bespielen, sondern sie sollen Zeit verbringen, ins Café gehen, sich treffen. Das Museum soll ein Aufenthaltsort sein, wo man sich wie in einem Forum austauscht. Das wollen wir noch sehr viel stärker machen. Früher gab es das klassische Programm: Wir machen Vorträge und Bildungsprogramme, das machen wir selbstverständlich weiterhin, aber daneben soll es auch niederschwelliger werden. Auch Gruppen sollen ihre eigenen Inhalte finden, aber auch Vorschläge machen können, die wir aufgreifen. Wir wollen dazu einladen, das Gruppen auch auf uns zukommen und sagen: Wir haben eine Idee: Können wir was miteinander unternehmen? Das soll sich in die Stadtgesellschaft und die Region hineintragen, dass man das ganz natürlich empfindet und nicht als etwas Besonderes. Wir leiden ein bisschen darunter, dass wir solch ein Kulturtempel sind. Wenn Sie vor unserem Museum stehen, ist das eine Überwältigungsarchitektur. Wir wollen völlig zugänglich werden und auf Du und Du mit dem Publikum kommen.
Ihr Haus, das ist ja ein schwerer Sandsteinklotz und das meine ich nicht despektierlich. Der steht dort, als großer umbauter Raum, viele Säle, Magazine, Kabinette, Werkstätten, Büros, all das muss beheizt werden. Jetzt haben wir diese Energiekrise. Wie wirken sich Gasmangel und hohe Energiepreise aus? Explodieren Ihnen die Kosten für das Heizen? Bleiben die Räume, frei nach Bertolt Brecht, jetzt auch kalt?
Richter: Nein, die Räume bleiben nicht kalt, aber die Kosten explodieren in der Tat. So, wie es uns privat geht, so geht es uns im Großen natürlich auch. Museen sind, das muss man einfach klar sagen, Energiefresser. Wir müssen klimatische Bedingungen herstellen, wir haben riesige Flächen, hohe Säle, das ist technisch sehr aufwendig. Wir brauchen sehr viel Strom für die Beleuchtung. Was wir tun, ist natürlich, dass wir versuchen zu sparen. Da haben wir auch sofort Arbeitsgruppen gegründet und auch schon Dinge umgesetzt. Es gibt auch einen Notfallplan. Wir hatten vor Wochen die Situation, als wir dachten, es könnte auch so kommen, dass wir gar keine Energie mehr bekommen. Museen sind keine "kritische Infrastruktur".
Die Vorgabe vom Land Niedersachsen: 20 Prozent Energieeinsparung. Das ist nicht wenig. Ich glaube, es hat aber auch Grenzen. Sie können nicht die Temperatur runterfahren, bis es nicht mehr geht. Wo wird es schmerzhaft? Was vertragen eigentlich solche Kunstwerke in Ihrem Haus? Wo ist Schluss?
Richter: Das ist generell schwer zu sagen, weil die Materialien sehr unterschiedlich sind. Aber die niedrige Temperatur ist nicht das eigentliche Problem, sondern die Befeuchtung der Luft und, dass wir keine Schwankungen bekommen. Die Schwankungen der Raumtemperatur, der Luftfeuchte, das ist eigentlich das, was die Kunstwerke schädigt. Das haben wir im Griff. Wir können nicht alle Bereiche herunterfahren, aber wir haben einige Dinge getan, zum Beispiel in Depot-Bereichen oder auch Büros, wo wir einsparen können. Einsparen kann man meistens immer nur dann, wenn man investiert. Das ist in allen Bereichen so, auch bei uns. Man muss erst mal in neue Technik investieren. Das haben wir jetzt auch letztes Jahr angefangen und setzen es dieses Jahr fort. Ein Stichpunkt ist beispielsweise die Beleuchtung, die wir auf neue Technik umrüsten werden. Das kostet sehr viel Geld, aber wird uns auch Energie einsparen. Das sind Prozesse, die über die Jahre gehen und die jetzt wieder einen Push bekommen. Ähnlich wie bei Corona kommen jetzt Dinge zum Tragen. Wir haben bei uns Klimaprojekte, wir wollen unsere klimatische Situation generell verbessern, nicht nur wegen der Sparauflagen. Und im nächsten Jahr wollen wir eine echte Außenverschattung machen, dass wir die Räume im Sommer nicht so herunterkühlen müssen. Das wird ein Eingriff in die Südfassade sein. Das wird nicht allen Freude bereiten, mir am wenigsten, aber es ist notwendig und wir haben uns jetzt einfach die letzten drei Jahre daran gewöhnt, dass Dinge, die notwendig sind, notwendig sind.
Das Gespräch führte Janek Wiechers.