Bernhard Hoetger: Vermeintlich widersprüchlich?
Bernhard Hoetger verehrte Adolf Hitler, war Mitglied der NSDAP und wurde dennoch von Hitler 1936 als "entartet" diffamiert. Aktuell wird der Künstler in mehreren Ausstellungen in Worpswede gewürdigt. Diese Woche läuft außerdem ein Kinofilm über ihn an.
Bernhard Hoetger war ein Künstler der Avantgarde. Und: Er war ein künstlerisch-widersprüchlicher Mann, der in keine Schublade passt. Diese Lesart hält sich seit Jahrzehnten; der neue Film schreibt sie ein weiteres Mal fest. Begründet wird dies damit, dass Hoetger bis Ende der 1930er-Jahre Skulpturen, eine Gartenanlage, Architektur und Denkmale in unterschiedlichen Stilen und für teils gegensätzliche Auftraggeber entwirft: Mal schafft er ein Denkmal für ermordete, revolutionäre Arbeiter - dann eines für einen mörderischen preußischen General. Mal nutzt er impressionistische, mal buddhistisch beeinflusste oder expressionistische Formen.
Bernhard Hoetger-Diskurs: Eine grundsätzliche Begriffsverwirrung
All das klingt wirklich ziemlich widersprüchlich. Doch Arie Hartog, Direktor des Gerhard-Marcks-Hauses in Bremen, der sich seit Jahren mit Hoetger beschäftigt, kann über dieses Bild nur müde lächeln: "Wir reden über eine grundsätzliche Begriffsverwirrung." Schon führt der Kunstwissenschaftler vor, wie schnell sich die hartnäckig beschworenen Widersprüche in Person und Werk Hoetgers auflösen lassen: "Bernhard Hoetger ist ein typischer Exponent des späten 19. Jahrhunderts, wo Stile benutzt werden, um unterschiedliche Inhalte zu vermitteln. Wenn Sie eine Kirche machen wollen, machen Sie Gotik; wenn Sie ein Parlament machen, nehmen Sie griechisch und so weiter. Aus dieser Denke heraus - einer Denke des späten 19. Jahrhunderts und nicht der Moderne - kommt Hoetger mit einer Reihe von inhaltlichen Ansprüchen. Dafür findet er jeweils eine Form, indem er shoppen geht in der Kunstgeschichte."
Am Markt orientierte Kunst
Zwischen 1900 und 1907 lebt Hoetger in Paris. Er kennt Picasso, Bracque, Matisse, van Gogh - die junge Avantgarde also, die die alten Kunstvorstellungen zertrümmert und kompromisslos um radikal neue Ausdrucksformen ringt. Hoetger orientiert sich dagegen an dem bereits etablierten Rodin und schafft impressionistisch-bewegte Skulpturen, darunter 20 bis 30 Zentimeter kleine Arbeiterfiguren in extremen Körperhaltungen, die als Schmuck für bürgerliche Salons entstanden. "Das ist eine sehr stark an der Nachfrage auf dem Markt orientierte Bildhauerei", erzählt Arie Hartog. "Hoetger ist auch darin noch dem 19. [Jahrhundert] verhaftet und macht etwas für Aufträge, für den Kontext, wo er erwartet, dass er Erfolg haben wird. Die Tatsache, dass er dafür auch moderne Formen benutzt, hat zu diesem Missverständnis geführt, dass man damit auch aus ihm einen modernen Künstler gemacht hat."
So schnell lassen sich vermeintliche Widersprüche lösen - wenn man nur will. Doch bei Hoetger wollen viele nicht, obwohl so vieles schon lange bekannt ist: seine Haltung etwa, die mit esoterischen Ideen begann und bei der Verherrlichung Hitlers endete. Oder das Netzwerk, in dem er sich bewegt: Seit Paris fördern ihn Bankiers, völkisch-nationalistische Politiker und Fabrikanten. Sein größter Gönner: der Bremer Fabrikant und Kaffeehändler Roselius, seit 1917 Vertreter germanischer Rassegedanken, nach 1933 förderndes Mitglied der SS. Er beauftragt Hoetger mit Teilen der Böttcherstraße, die seine germanischen Ideen spiegeln soll.
"Hoetger würde jetzt mit Aluminiumhelm herumlaufen"
Hoetger setzt das um in einer verwinkelten, kleinteiligen Architektur. Weil die den Faschisten missfällt, schafft er 1937 noch ein goldenes Relief für den Eingang zur Gasse: den "Lichtbringer", eine vom Himmel nieder fahrende Gestalt mit Schwert. Arie Hartog sieht darin ein Symbol für die Wintersonnenwende und damit die Festschreibung urgermanischer Ideen: "Hoetger war der Meinung, dass diese Urreligion sich irgendwo hier im Norden gehalten habe. Das ist natürlich völliger Stuss. Hoetger wäre jemand, der jetzt mit Aluminiumhelm herumlaufen würde."
Trotz der Aufklärungsarbeit einiger weniger und obwohl seit 1989 eine Dissertation alle wichtigen Quellen über Hoetger, sein Denken und seine völkisch-nationalistischen Netzwerke zugänglich macht, hält sich das Bild vom vermeintlich modernen, widersprüchlichen Künstler noch immer. Selbst in Bremer Museen. Der Direktor des Gerhard-Marcks-Hauses hat dafür eine Erklärung, die den aktuellen Kulturbetrieb in einem bösen Licht erscheinen lässt: "Unter den heutigen Bedingungen des Kulturmarketings müssen sie Hoetger als Avantgardisten vermarkten und nicht zu sehr über seine Zusammenhänge mit der NSDAP und seinem völkischen Gedankengut. Das ist der heutige Mechanismus des Kulturbetriebs, bei dem Kritik langsam völlig untergeht."