Bénédicte Savoy über Afrikas Kunst in westlichen Sammlungen
Bénédicte Savoy will es genau wissen, sie wird nicht müde, unbequeme Fragen zu stellen, vor allem dann, wenn es um die Herkunft von Kunst aus kolonialen Kontexten, um die Herkunft von Objekten aus Afrika geht.
Seit vielen Jahren lebt die in Frankreich geborene Kunsthistorikerin in Berlin, wurde 2018 zusammen mit dem senegalesischen Wirtschaftswissenschaftler Felwine Sarr prominent von Emmanuel Macron beauftragt, den berühmten Restitutionsbericht zu schreiben. Seitdem kam europaweit der Stein ins Rollen. Für Deutschland wurden die Benin-Bronzen, die im letzten Dezember von Außenministerin Annalena Baerbock und Kulturstaatsministerin Claudia Roth nach Nigeria gebracht wurden, fast zur wichtigsten Blaupause für die Restitution von Kunst und Kulturgut aus Afrika. Dann passierte eine Wende, die Frage, was mit den heimgekehrten Bronzen passiert, ist ungewiss.
Der März 2023 war eine Art Wendepunkt. Nigerias scheidender Präsident Buhari unterzeichnete ein Dekret, das den Oba von Benin zum rechtmäßigen Eigentümer und Sachverwalter der heimkehrenden Benin-Bronzen erklärt. Dann ging ein Raunen durch die Feuilletons und durch die Presse. Was hat das zu bedeuten, können Sie das erklären? Ist die ursächliche Grundlage, also die Vereinbarung weg? Was passiert jetzt mit den Bronzen?
Bénédicte Savoy: Das Raunen war eine konstruierte Sorge, die in bestimmten Zeitungen formuliert wurde, dass, wenn der König das in seinen Händen hat, das Ganze für die Weltöffentlichkeit verloren sei. Dann sei Deutschland betrogen worden, um das ein bisschen zu überzeichnen. Denn Deutschland hätte es doch zurückgegeben.
Es gibt den Plan eines Museums, das von Deutschland mitfinanziert worden ist, richtig?
Savoy: Genau, es gibt den Plan eines Museums. Es gibt auch archäologische Grabungen, die vom British Museum mitfinanziert werden. Es ist ein großer Plan, und in dem Moment hat der Staatspräsident gesagt, die Objekte, die diesem König oder seinen Vorfahren weggenommen wurden, werden ihm übereignet. Und dann schreien alle. Aus meiner Perspektive und nicht nur aus meiner, ist es ein ganz natürlicher Schritt. Wenn man etwas zurückgibt, muss die Bundesrepublik Deutschland in diesem Fall in Kauf nehmen, dass derjenige, der was zurückbekommt, auch selbst entscheidet, was er mit seinem Kulturgut macht. Noch viel selbstverständlicher ist die Tatsache, dass, wenn diese Güter einer königlichen Familie weggenommen wurden, diese königliche Familie, die es weiterhin gibt, auch die Güter zurückbekommt. Das sagt aber noch lange nicht, dass der König sich jetzt daraufsetzen und Quatsch damit machen wird. Das wissen wir nicht. Die Erfahrung zeigt, jedenfalls im benachbarten Kamerun, dass traditionelle Könige durchaus eigene Museen haben oder Leihgaben machen. Bei afrikanischen Objekten sind wir noch nicht so weit. Wir denken, das geht in die Familie zurück, die das verloren hat. Aber warum eigentlich? Weil wir, glaube ich, noch ein bisschen an unserem rassistischen Vorstellungen arbeiten müssen.
Vielleicht müssen wir loslassen und sagen, es ist zurückgegeben inklusive der Eigenregie.
Savoy: Sie haben vollkommen Recht. Man muss lernen, loszulassen, nicht nur das Materielle, sondern auch die Deutungshoheit. Und das ist ein Teil des Restitutionsprojektes. Loslassen und zuhören, was andere dazu zu sagen haben.
Das Gespräch führte Claudia Christophersen.