Aufgetauchte Beute aus Grünem Gewölbe: "Solche Deals sind normal"
Es wird als das Weihnachtswunder von Dresden bezeichnet: Ein großer Teil der vor drei Jahren spektakulär gestohlenen Juwelen aus dem Grünen Gewölbe ist wieder da. Die Rückführung des Diebesgutes kam offenbar über Anwälte eines der im laufenden Prozess Angeklagten des Remmo-Clans zustande.
Eine, die sich intensiv mit diesem Fall beschäftigt, ist Lenore Lötsch. Sie ist einer der Hosts des Podcasts Kunstverbrechen von NDR Kultur. Und in den beiden letzten Folgen der ersten Staffel ging es um genau diesen Einbruch im Grünen Gewölbe in Dresden.
Lenore, wie war das, als Du am Wochenende die Neuigkeiten aus Dresden gehört hast? War es für Dich auch ein Wunder?
Leonore Lötsch: Ein Wunder wäre mir jetzt zu pathetisch, aber erstaunt war ich schon über den Zeitpunkt. Ich bin am Sonnabend durch den mecklenburgischen Winterwald gestapft und als mein Handy wieder Empfang hatte, ploppte die Nachricht auf, dass ein Teil der Juwelen des größten Juwelenraubes der vergangenen 100 Jahre wieder aufgetaucht sei. Viele Experten hatte im Vorfeld gesagt, die Juwelen seien längst in Einzelteile zerlegt und der Remmo-Clan, zu dem die Spuren der Ermittlungen ziemlich schnell führten, hätte zumindest versucht, diese zu verkaufen. Ich hatte immer im Hinterkopf, was der private Ermittler - der holländische Kunst-Detektiv Arthur Brand - in unserem Podcast Kunstverbrechen gesagt hat: Er war sich sicher, dass die Juwelen noch in Deutschland sind, weil die Diebe ihre Hausaufgaben nicht gemacht hätten und erst nach dem Einbruch bemerkt hätten, dass sie zwar Sachsens Staatsschatz gestohlen haben, aber dieser nicht zu verkaufen ist, weil jeder, der sich auskennt, die historischen Garnituren erkennt und mit dem Einbruch in Verbindung bringt. Arthur Brand sagte, die Juwelen lägen noch "unter irgendeinem Sofa bei einer Oma in Berlin".
Und vor allem habe ich mich daran erinnert, was er auf eine unserer letzten Frage gesagt hat, nämlich, dass am erfolgversprechendsten für das Wiederauftauchen der Beute ein Deal sei. Denn, ob man acht Jahre Haftstrafe bekomme oder nur drei oder vier, sei auch für die sechs Angeklagten des Remmo-Clans, gegen die in Dresden verhandelt wird, und die bislang sehr schweigsam waren, eine Überlegung wert. Und wie von Arthur Brand vorhergesagt, ist einer der Angeklagten auf einen Deal eingegangen.
Über den Deal wird jetzt heftig diskutiert. Im Sinne: Der Rechtsstaat knickt vor dem Clan ein, man verhandelt mit den Dieben und verkauft das dann als Erfolg. Was meinst Du dazu?
Lötsch: Das kocht meiner Meinung nach ein bisschen sehr hoch, denn ein solcher Deal - oder wie es offiziell heißt: eine Verständigung im Strafverfahren - ist bei solchen Prozessen normal. Beispielsweise gab es das auch beim Maler und Kunstfälscher Wolfgang Beltracchi, der sich als Jahrhundert-Meisterfälscher sieht. Das Angebot hieß damals, wenn er sich im Sinne der Anklage äußert, gibt es nicht mehr als sechs Jahre. Für die ermittelnde Polizei war das damals sehr frustrierend, weil sie viel mehr Fälle ermittelt hatten und der Prozess dann sehr schnell vorbei war. Deals sind also nicht unüblich - und in diesem Fall in Dresden muss man sagen, der große kunsthistorische Wert der Juwelen von August dem Starken bezieht sich nicht auf die einzelnen Steine, sondern auf die Vollständigkeit der Garnituren. Dass man nun einen Großteil wiederbekommen hat, ist ein Erfolg, über den ich mich freue.
Meine Eltern, die in Dresden wohnen und die ich am Sonntag angerufen habe, haben mir erzählt, dass die Dresdnerinnen und Dresdner bereits gemeinsame Museumsauflüge ins Grüne Gewölbe planen, wenn es in den Vitrinen, die ja bewusst leer geblieben sind, wieder funkelt. Wie es mit dem Prozess weitergeht, bleibt spannend und wird sicherlich sehr genau beobachtet. Am Dienstag geht es damit in Dresden weiter.