Szene aus dem Film "Sick of Myself" © Oslo Pictures

"Sick of Myself": Böse Komödie über Poser und Poster

Stand: 20.03.2023 06:00 Uhr

Regisseur Kristoffer Borgli liefert mit "Sick of Myself" eine schrille Komödie über grenzenlose Geltungssucht, die mehr und mehr ins Groteske abdriftet. Leider tritt der Film irgendwann auf der Stelle.

von Walli Müller

Gelegentlich sehnt man sich ja schon zurück in eine Welt, in der nicht alle ständig das Smartphone in der Hand hatten und sich auch noch pausenlos selbst knipsten, um ihre Follower mit neuen Selfies zu beglücken. Der Drang des modernen Menschen zur Selbstdarstellung hat den norwegischen Regisseur Kristoffer Borgli zu einem Film inspiriert, den er selbst eine "unromantische Komödie" nennt. "Sick of Myself" feierte im vergangenen Jahr in Cannes Premiere und kommt jetzt bei uns in die Kinos.

Aufmerksamkeit um jeden Preis

Liebe ist, wenn zwei sich gegenseitig den Rücken stärken und alles Glück der Welt gönnen. Keine Liebe ist dann das, was Thomas und Signe miteinander verbindet. Denn die zwei Hauptfiguren in diesem Film sind kein Paar, sondern Schauspieler, die eines spielen - und dabei ständig um die Hauptrolle ringen. Gerade genießt Signe die Heldinnen-Rolle im Freundeskreis, weil sie selbstlos einem Unfallopfer zu Hilfe gekommen ist. Aber so viel Aufmerksamkeit für seine Freundin - das kann Thomas schlecht ertragen. Schließlich ist er der geniale Künstler, der gerade von der Szene entdeckt wird.

Eins hat diese Komödie also schon mal nicht: Identifikationsfiguren. Im Gegenteil, Szene für Szene werden einem Thomas und Signe unsympathischer. Er will sich beim Abendessen mit dem Mäzen für seine Ausstellung feiern lassen, die übrigens nur aus geklauten Designer-Möbeln besteht. Er setzt also gerade - Bescheidenheit heuchelnd - zu einer großen Rede an, da fingiert sie schnell eine lebensbedrohliche Nuss-Allergie, um ihm die Show zu stehlen.

"Sick of Myself": Schrille Komödie mit unsympathischen Figuren

Regisseur Kristoffer Borgli liefert hier eine schrille Komödie über grenzenlose Geltungssucht, die mehr und mehr ins Groteske abdriftet. Denn Signe, die mit sehr viel Mut zur Hässlichkeit vom "Shooting Star" der Berlinale 2023, Kristine Kujath Thorp, gespielt wird, macht bei ihrem Buhlen ums Rampenlicht auch vor Selbstverstümmelung nicht Halt. Im Internet stößt sie auf eine Droge, die Hautirritationen verursachen kann. Sie besorgt sich Massen davon und schluckt das Gift so lange, bis ihr aus dem Spiegel tatsächlich ein monströs verbeultes Gesicht entgegenblickt. Ziel erreicht. Sie kann nun hoffen, von allen als Opfer einer seltenen Hautkrankheit bedauert zu werden.

Es geht hier übrigens nicht um einen kleinen Hautausschlag. Das entstellte Gesicht der Hauptfigur ist schon nah am Body-Horror eines David Cronenberg. Am prothetischen Make up wurde monatelang getüftelt. Aber an dem Punkt, an dem Aussehen und Verhalten der Figur schon jenseits der Schmerzgrenze sind, macht der Regisseur noch längst nicht Halt. Und tritt damit dann irgendwie auch auf der Stelle. Denn worum es hier geht, hat man vorher längst kapiert: die Egozentrik einer sich permanent selbstbespiegelnden Generation von Postern und Posern. "Sick of Myself" ist einerseits herrlich böse, andererseits aber schaut man Unsympathen wie Thomas und Signe nur begrenzt gerne zu.

Sick of Myself

Genre:
Komödie | Thriller
Produktionsjahr:
2022
Produktionsland:
Norwegen
Zusatzinfo:
Mit Kristine Kujath Thorp, Eirik Sæther u.a.
Regie:
Kristoffer Borgli
Länge:
97 Minuten
FSK:
ab 12 Jahre
Kinostart:
23. März 2023

Dieses Thema im Programm:

NDR Info | Kultur | 20.03.2023 | 07:55 Uhr

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