Szene aus dem Film "Civil War" © A24 / DCM
Szene aus dem Film "Civil War" © A24 / DCM
Szene aus dem Film "Civil War" © A24 / DCM
AUDIO: Filmtipp: "Civil War" (4 Min)

Kriegs-Drama "Civil War" von Alex Garland: Verstörende Zukunftsvision

Stand: 17.04.2024 08:44 Uhr

In "Civil War" entwirft der Brite Alex Garland das beängstigende Szenario eines Bürgerkriegs, der in einigen Jahren in den USA toben könnte. Ein hammerharter, unbedingt sehenswerter Film mit einer brillanten Kirsten Dunst.

von Walli Müller

Es ist nicht klar, welche politischen Positionen sich hier gegenüberstehen, nur dass die USA in einem neuen Sezessionskrieg stecken. Das Land ist im Chaos versunken; Kalifornien und Texas wollen als vereinte "Western Forces" einen Präsidenten stürzen, der sich eine dritte Amtszeit erputscht hat und dem Volk Siegesgewissheit nur noch vorgaukelt.

Die Grausamkeit des Krieges

Der Kriegspropaganda mit neutraler Berichterstattung zu begegnen, ist die Aufgabe von Kriegsreportern wie Lee und Joel, aus deren Perspektive der Film erzählt wird. Kirsten Dunst spielt die abgebrühte Fotografin Lee, die sich mit dem Kollegen im gepanzerten Wagen nach Washington D.C. durchschlagen will - für ein Präsidenten-Interview. Ein 850-Meilen-Höllentrip, weil auch Pressevertreter längst nicht mehr sicher sind vor den marodierenden Banden, die so ein Bürgerkrieg hervorbringt. Und dann hat Joel sich auch noch breitschlagen lassen, eine junge Nachwuchsfotografin mitzunehmen, Jessie.

"Lee, dass ich mich einfach ins Auto gedrängt habe - ich weiß, Du bist deswegen ziemlich sauer auf mich. In Deinen Augen hab' ich keine Ahnung."
"Du kannst es drehen und wenden, wie Du willst. Es ist ein Fehler."
"War meine Entscheidung."
"Ganz klar. Und daran werde ich auch denken, wenn Du durchdrehst, in die Luft gesprengt wirst oder erschossen." Filmszene

Lees harte Schale ist ein Schutzpanzer, den man sich zulegen muss, wenn man wie sie unvorstellbare Gräuel gesehen hat. Emotionen zeigt sie nicht mehr. Auf keinen Fall will sie die mütterliche Mentorin für Jessie geben, macht sich dann aber doch Sorgen um das Mädchen, das beim Fotografieren Zeugin willkürlicher Hinrichtungen wird.

Mit der Grausamkeit des Krieges werden wir alle täglich in den Nachrichten konfrontiert - allerdings in mehr oder weniger entfernten Gegenden. Auf dem Boden der USA aber wirken die Bilder schier unfassbar!

Kein Konflikt zwischen Demokraten und Republikanern

Regisseur Alex Garland hat vor zehn Jahren schon in "Ex Machina" die nun akut werdenden Probleme der Menschheit mit der KI vorausgesehen. Am Drehbuch zu "Civil War" begann er 2020 zu schreiben - da hatte der Sturm aufs Kapitol noch gar nicht stattgefunden; beinahe hätte die Realität seine Fiktion überholt.

Regisseur Andrew Garland am Set von "Civil War" © A24 / DCM
Regisseur Andrew Garland am Set von "Civil War".

Auf den real existierenden Konflikt zwischen Demokraten und Republikanern bezieht sich sein Kriegs-Road Movie bewusst nicht. Das ist wichtig, weil man Garland damit keine Parteinahme vorwerfen kann. Er will dem Publikum jedweder politischen Couleur vor Augen führen, wohin auch westliche Demokratien abdriften könnten, wenn ihnen die Idee einer geeinten Nation abhanden kommt, weil die Positionen zu unversöhnlich geworden sind.

"Civil War": Unbedingt sehenswert

"Civil War" ist ein hammerharter Film, weil er sich nicht als dystopische Fantasie lesen lässt. Die Bilder, die immer wieder kurz zu Reporter-Fotos eingefroren werden, sind zu realistisch: verrohte Soldaten, erhängte Opfer, New York City ein Bombentrümmerhaufen wie Mariupol oder Gaza Stadt.

Handwerklich ist dieses Kriegsdrama so gut gemacht wie die großen Vorbilder des Genres. Wobei diese - wie Garland zu Bedenken gibt - auch immer Gefahr liefen, die "Gewalt als Sensation" darzustellen. In "Civil War" kann davon keine Rede sein. Nichts an diesem Horror-Szenario fasziniert, alles verstört an der Vorstellung von Krieg und Gewalt in nächster Nähe. Und doch lohnt es sich unbedingt, diesen Film zu sehen - als eindringliche Warnung.

Civil War

Genre:
Thriller, Action, Drama
Produktionsjahr:
2024
Produktionsland:
USA, Vereinigtes Königreich
Zusatzinfo:
Mit Kirsten Dunst, Wagner Moura, Cailee Spaeny u.a.
Regie:
Alex Garland
Länge:
109 Minuten
FSK:
ab 16 Jahre
Kinostart:
18. April 2024

Dieses Thema im Programm:

NDR Info | Kultur | 17.04.2024 | 07:50 Uhr

Schlagwörter zu diesem Artikel

Spielfilm

Eine Grafik zeigt einen Lorbeerkranz auf einem Podest vor einem roten Hintergrund. © NDR

Legenden von nebenan: Wer hat Ihren Ort geprägt?

NDR Kultur sucht Menschen, die in ihrer Umgebung bleibende Spuren hinterlassen haben - und setzt ihnen ein virtuelles Denkmal. mehr

Zwei Gladiatoren in einer Arena im Lederoutfit kämpfen miteinander - Szene mit Paul Mescal (links) und Pedro Pascal aus "Gladiator II" von Ridley Scott © Paramount Pictures Germany

Filme 2024: Diese Highlights kommen im Herbst

Bis Weihnachten locken Blockbuster wie "Gladiator 2" und "Konklave" von Edward Berger ins Kino. Auch von Nora Fingscheidt und Andreas Dresen gibt es Neues. mehr

Hände halten ein Smartphone auf dem der News-Channel von NDR Kultur zusehen ist © NDR.de

WhatsApp-Channel von NDR Kultur: So funktioniert's

Die Kultur Top-News aus Norddeutschland direkt aufs Smartphone: NDR Kultur ist bei WhatsApp mit einem eigenen Kanal aktiv. mehr

Der Arm einer Frau bedient einen Laptop, der auf einem Tisch in einem Garten steht, während die andere Hand einen Becher hält. © picture alliance / Westend61 | Svetlana Karner

Abonnieren Sie den NDR Kultur Newsletter

NDR Kultur informiert alle Kulturinteressierten mit einem E-Mail-Newsletter über herausragende Sendungen, Veranstaltungen und die Angebote der Kulturpartner. Melden Sie sich hier an! mehr

NDR Kultur App Bewerbung © NDR Kultur

Die NDR Kultur App - kostenlos im Store!

NDR Kultur können Sie jetzt immer bei sich haben - Livestream, exklusive Gewinnspiele und der direkte Draht ins Studio mit dem Messenger. mehr

Mehr Kultur

Cover Karin Kalisa, "Sunny“ © Droemer

Roman "Sunny": Sanfte Liebesgeschichte von Karin Kalisa

Die Autorin hat die große Gabe, die in unserer gegenwärtigen Gesellschaft überall herrschende Aufgeregtheit zu beschwichtigen. mehr