"Joana Mallwitz - Momentum": Auf dem Weg Richtung Klassik-Olymp
Joana Mallwitz war 2020 die erste weibliche Dirigentin bei den Salzburger Festspielen. Danach ging es für die gebürtige Hildesheimerin noch steiler bergauf. Und nun erzählt ein Dokumentarfilm von ihrer Karriere.
Dass ein Probensaal voller gestandener Berufsmusiker auf eine Frau hört - vor einigen Jahren wäre das noch schwer vorstellbar gewesen. Nun aber ist die Zeit gekommen. Zur Saison 23/24 tritt Joana Mallwitz den Posten der Chefdirigentin am Berliner Konzerthaus an. Die zwei Jahre davor hat Regisseur Günter Atteln sie mit der Kamera begleitet - zu Konzerten in Salzburg, Paris und Amsterdam, zu ihrer Abschlussvorstellung als Generalmusikdirektorin in Nürnberg. Und auch backstage, wo sie und ihr Mann, gerade Eltern geworden, das Leben mit Kind neu organisieren müssen.
Joana Mallwitz: "Ich habe Angst vor vielen Leuten"
Im Kinofilm "Tar" hat man Cate Blanchett als fiktive Chefdirigentin der Berliner Philharmoniker machtbesessen und manipulativ erlebt. Da macht die reale Joana Mallwitz einen ganz anderen Eindruck. Ihr breites Lachen wirkt echt; über Zweifel spricht sie offen:
"Unter den Parametern von 'was sind meine offensichtlichen Talente?' ist es der absolut falsche Beruf für mich. Ich habe Angst vor vielen Leuten, ich bin nicht besonders spontan. Räume mit großen Gruppen an Menschen - naja." Filmszene
All diese Hindernisse hat sie überwunden, um nun da vorne am Pult zu stehen, den Taktstock in der Hand, versunken in die Musik. Ihre Armbewegungen sind ausladend, aber auch grazil wie die einer Ballerina. Für beide Berufe gilt: Was leicht aussieht, ist harte Arbeit. Außerhalb der Konzerte sieht man Mallwitz über dicke Partituren gebeugt. Takt für Takt studiert und memoriert sie die Noten, lässt die Musik im Kopf entstehen.
Riesiger Erwartungsdruck und "nervige" Fragen
Der Dokumentarfilm über Joana Mallwitz gibt zumindest ansatzweise Einblick in die Arbeit einer Dirigentin. Er zeigt, wie sehr der Beruf mit ständigem Reisestress und enormem Erwartungsdruck verbunden ist - im Falle einer erfolgreichen Frau auch noch mit diesen stereotypen Fragen, die männlichen Kollegen nie gestellt würden: Wie sie den Job denn als Mutter hinbekäme und ob sie als weibliche Dirigentin eine besondere Verantwortung habe.
"Ich bin eigentlich ganz gut damit gefahren, dass ich versucht habe, von Anfang an dieses Thema komplett zu ignorieren. Und ich merke jetzt nach 15, 16, 17 Berufsjahren, es ist einfach trotzdem immer da. (...) Man kann das Thema nicht ausschalten, und das ist so nervig." Filmszene
Wunderschöne Liebesgeschichte
Umso bemerkenswerter, dass der Dokumentarfilmer auch private Momente einfangen durfte. Hier sieht man eine Mutter und einen Vater mit Kind. Joana Mallwitz' Ehemann Simon Bode ist selbst Tenor und fast genauso viel unterwegs wie sie. Doch die beiden sind kein Star-Couple, sondern schon seit Studienzeiten zusammen.
So versteckt sich im Dirigentinnen-Porträt - ganz ungeahnt - eine wunderschöne Liebesgeschichte. Eine, bei der der Mann seiner Frau den größeren Erfolg und den prominenteren Namen von Herzen gönnt. Es ist ihr Momentum, das dieser Film festhält. Joana Mallwitz ist angekommen auf der großen Bühne der Orchestermusik. Und nur ein Konzert unter ihrer Leitung könnte vielleicht noch mehr Freude bereiten als dieser erfrischend ungekünstelte Kinoauftritt.
Joana Mallwitz - Momentum
- Genre:
- Dokumentation
- Produktionsjahr:
- 2024
- Produktionsland:
- Deutschland
- Zusatzinfo:
- Mit Joana Mallwitz u.a.
- Regie:
- Günter Atteln
- Länge:
- 88 Minuten
- FSK:
- ab 0 Jahre
- Kinostart:
- 16. Mai 2024