Gefährdete Lebensadern: Aufrüttelnde NDR-Doku "Unser Fluss soll leben!"
Zeit am Wasser zu verbringen tut gut. Aber wie geht es eigentlich unseren Gewässern? Die Dokumentation "Unser Fluss soll leben" erzählt von Deutschlands Wasseradern, die ums Überleben kämpfen.
500.000 Kilometer Gewässer durchziehen Deutschland. Eins davon ist das Flüsschen Bade bei Bremen. "Die ganzen Fische, die noch an der Oberfläche waren, japsten", erzählt Hans-Peter Wennholz vom Angelverein Bade. "Da fühlt man sich richtig schiete." Dünger aus den umliegenden Feldern sorgte 2023 für Sauerstoffmangel im Wasser. Tausende Fische starben.
Der Film "Unser Fluss soll leben!” blickt auf Flüsse in ganz Deutschland. Es steht schlecht um sie: Nur acht Prozent sind in einem guten ökologischen Zustand. Rund 90 Prozent der Flüsse geht es mäßig bis schlecht. Besonders betroffen ist die Werra. Sie mündet in die Weser.
"Versalzener" Fluss: Schwere Folgen für Flora und Fauna
Bürger aus Hannoversch Münden setzen sich schon seit Jahrzehnten für besseren Wasserschutz ein. "Wir haben eine nachgewiesene Schädigung in der Werra von elf Prozent", sagt Fischereiaufseher Ronald Ellermeyer. "Elf Prozent aller Fische sind geschädigt. Ich glaube, wenn die Fische die Möglichkeit hätten, Gras zu fressen, dann würden die alle sofort das Wasser verlassen."
Die Werra ist versalzen. Mit schweren Folgen für Flora und Fauna, wie Ronald Schminke von der Fischereigenossenschaft Münden anhand von Fotos zeigt: "Sie sehen, dass die Weißfische Geschwüre haben." Ursache für das versalzene Wasser ist eine Abraumhalde im Werratal - rund einhundert Kilometer flussaufwärts. Sie gehört zu dem Unternehmen Kali+Salz, einem der weltweit größten Produzenten von Kalidünger für die Landwirtschaft. "Wir arbeiten seit Jahrzehnten daran, entsprechend hier für Verbesserung zu sorgen", sagt Matthias Pfaff vom K+S Werk in Werra. "Diese Halde ist hier mal im Jahre 1983 aufgeschüttet worden - als Umweltentlastung. Jetzt - Jahrzehnte später - fällt sie uns vor die Füße, weil sie natürlich auch Salzwasser abwirft."
Abwägen zwischen Wirtschaftlichkeit und Umweltschutz
Dem Regen ausgesetzt, fließen aus dem Berg Salzlaugen - zehn Mal salziger als die Nordsee. Hinzu kommen Milliarden Liter salzhaltiges Abwasser des Unternehmens. Der Konzern sucht nach Lösungen - teilweise schon erfolgreich. Aber das ist teuer, so Matthias Pfaff: "Da muss schon auch noch Ökologie und Ökonomie im Einklang stehen." Mehr wäre möglich, aber das wäre zu teuer.
Abwägen zwischen Wirtschaftlichkeit und Umweltschutz - das lässt einen auch in der Dokumentation immer mal wieder entmutigt zurück. Es scheint eine Mammut-Aufgabe zu sein. 2024 aber macht eine ARD-Mitmachaktion Mut: Tausende Menschen sind für ihre Flüsse und Bäche unterwegs. Gemeinsam Daten sammeln für die Wissenschaft. Das Ergebnis: Ein umfangreicher Blick auf den Zustand unserer Gewässer. Kostbares Wissen, möglich gemacht, durch die Einsendungen der vielen Freiwilligen.
Ziel: Dünger überflüssig machen
In Schleswig-Holstein unweit der Schlei wird die Forschung ebenfalls unterstützt. Landwirt Andreas Hobus hat einen Milchviehbetrieb und möchte selbst tätig werden. Denn neben der Industrie ist die Landwirtschaft einer der Hauptgründe für belastetes Wasser. Gründe dafür sind hauptsächlich Düngemittel und fehlender Uferschutz. "Mit Recht ist der Verbraucher ja auch kritisch und sagt: Was macht ihr da?", so der Landwirt. "Da ist Gewässerschutz und Grundwasserschutz schon ein Thema. Und deshalb stelle ich gerne meine Fläche zur Verfügung, alleine ja auch aus Eigeninteresse, um sich weiterzuentwickeln und sich auch ein bisschen zu verbessern."
Forscherinnen der Universität Kiel nehmen auf seiner Weide eine Bodenprobe. Hier soll eine kluge Kombination aus Pflanzen Dünger überflüssig machen - für Gewässerschutz und guten Ertrag. "Idealerweise am Ende ohne Verluste für den Landwirt", meint Anne-Marie Wendt vom Christian-Albrechts-Universität in Kiel. "Und dass trotzdem auch ein gutes Futter generiert wird, dass die Kühe immer noch eine gute Milchleistung bringen können und dass sich das nicht ausschließen muss."
Dokumentation blickt hoffnungsvoll auf Chancen
Die Dokumentation blickt hoffnungsvoll auf Chancen wie diese und kritisch auf Verursacher und Politik, stets irgendwo zwischen Umwelt- und Wirtschaftsinteressen. Aber vor allem erzählt sie von den vielen Menschen, die sich für unsere Bäche und Flüsse einsetzen.
Auch an der niedersächsischen Bade kämpfen die Angler weiter. Nicht nur gegen Verschmutzungen, auch gegen Hindernisse. Eineinhalb Jahre nach dem Fischsterben hat sich das Leben im Wasser noch nicht erholt. Aber die Hoffnung ist noch da, so Hans-Dieter Wennholz vom dortigen Angelverein: "Mein Spruch ist immer: Aufgeben ist keine Option. Ich bin jetzt 65 und in meinem Leben möchte ich noch erleben, dass die Fische ungehindert wandern können. Das wäre mein Lebensziel."
Unser Fluss soll leben
- Genre:
- Dokumentation
- Produktionsjahr:
- 2024
- Produktionsland:
- Deutschland
- Länge:
- 45 Minuten