Film "Divertimento": Aus den Banlieues ans Dirigentenpult
Im Film "Divertimento" schafft es eine junge Frau aus den Pariser Banlieues gegen alle Widerstände, Dirigentin zu werden und ein eigenes Orchester zu gründen. Die französische Produktion von Regisseurin Marie-Castille Mention-Schaar wurde am Sonntag beim Filmfest Emden-Norderney ausgezeichnet und kommt am 15. Juni ins Kino.
Der Film beginnt 1985. Die kleine Zahia kann nicht schlafen, geht zu ihren Eltern ins Wohnzimmer. Im Fernsehen wird ein klassisches Konzert übertragen, eine Nahaufnahme zeigt den weißhaarigen Maestro und seine feinen Bewegungen mit dem Taktstock. In dem Moment beschließt Zahia: Sie will dirigieren.
Zehn Jahre später geht Zahia mit ihrer Schwester Fettouma, die Cello spielt, nochmal alles durch. Ihre erste Probe als Dirigentin des Schulorchesters steht an. Die talentierten Schwestern aus dem Département Seine-Saint-Denis im Nordosten von Paris besuchen mittlerweile die Abschlussklasse des renommierten Lycée Racine im achten Arondissement, weit weg von der Vorstadt.
Ein Mädchen aus der Vorstadt will das Orchester leiten? So weit kommt’s noch. Da lassen die blasierten Blagen mit ihren super-teuren von den wohlhabenden Eltern gekauften Instrumenten ihre Mitschülerin erstmal auflaufen. Und der bewunderte Maestro, der rumänische Stardirigent Sergiu Celibidache, erkennt zwar Zahias große Begabung, pflegt aber seine eigenen Vorurteile.
"Dirigent ist kein Beruf für Frauen. Wissen Sie, ich habe Frauen kennengelernt, die dirigieren wollten, in meiner Klasse. Sie blieben nie länger als zwei Wochen. Warum? Weil sie nicht genug Durchhaltevermögen hatten."
Wahre Geschichte der Schwestern Zahia und Fettouma Ziouani
1998 gründeten die Schwestern Zahia und Fettouma Ziouani das Orchester "Divertimento". "Sie haben nie aufgegeben" sagt Marie-Castille Mention-Schaar, die Regisseurin von "Divertimento". "Auch wenn sie viele Hindernisse auf ihrem Weg hatten." Als die Produzenten mit der Idee zu ihr kamen, hatte sie noch nie von Zahia und ihrer Schwester gehört. Sie habe dann erstmal mit den beiden und auch mit ihren Eltern ausführlich gesprochen. "Ich wollte genau verstehen, was ihnen die Musik bedeutet, wie sie aufgewachsen sind, und wie sie das weitergeben, was ihre Eltern ihnen nahegebracht haben: die Liebe zur Musik und zur Kultur überhaupt."
Instrumente wurden beim Dreh live gespielt
Das schon vorliegende Drehbuch schrieb Marie-Castille Mention-Schaar um und dann folgte eine lange Phase des Castings. Denn alle, die im Film im Orchester spielen, sollten unbedingt richtige Musiker und Musikerinnen sein. "Ich komme aus einer Musikerfamilie. Egal wie gut die Schauspieler sind, ich sehe sofort, wenn sie die Instrumente nicht wirklich selbst spielen. Das mag ich überhaupt nicht."
Außerdem war ihr wichtig, dass die Musik beim Dreh live gespielt wird, damit sich die Energie auf die Zuschauer übertrage. Aber es geht um mehr als die Kraft der Musik. Der Film zeigt, wie Zahias Eltern, einfache Menschen aus der Vorstadt, Einwanderer aus Algerien, die Basis dafür gelegt haben, dass ihre Kinder wachsen können und als selbstbewusste Menschen durch das Leben gehen.
Der Film "Divertimento" von Marie-Castille Mention-Schaar wurde am vergangenen Sonntag mit dem Bernhard-Wicki-Preis, dem Hauptpreis des Internationalen Filmfestivals Emden-Norderney, ausgezeichnet.
Divertimento
- Produktionsjahr:
- 2022
- Produktionsland:
- Frankreich
- Regie:
- Marie-Castille Mention-Schaar
- Länge:
- 110min
- Kinostart:
- 15. Juni 2023