Doku: "Hört uns zu! Wir Ostdeutsche und der Westen"
Was ist los im Osten Deutschlands? Hohe Umfragewerte für die AfD, sinkendes Vertrauen in die Demokratie und eine Debatte über ostdeutsche Identität und die Fehler des Westens. Journalistin Jessy Wellmer ergründet die ostdeutsche Gefühlslage.
Über den Osten Deutschlands wird gerade mal wieder viel debattiert - so intensiv und emotional wie selten zuvor. Das liegt zum einen an den jüngsten Wahl- und Umfrageerfolgen der AfD. Das liegt aber auch daran, dass vermehrt ostdeutsche Stimmen vom Westen einen neuen Umgang fordern. ARD-Journalistin und Moderatorin Jessy Wellmer hat diesen Stimmen zugehört: Für ihre neue Doku "Hört uns zu! Wir Ostdeutschen und der Westen".
Diskriminierungserfahrungen von Ostdeutschen
33 Jahre nach der Wiedervereinigung gibt es überraschend viel zu besprechen über Vorurteile gegen Ossis, die Verantwortung des Westens und die AfD im Aufwind. Viele Ostdeutsche sind zornig und prangern in wütendem Ton die eigenen Diskriminierungserfahrungen an.
"Ich wurde mal vom Verein abgelehnt, weil ich ein Ossi bin", sagt ein Mann. Eine Frau aus Ostdeutschland erzählt, "Es ist immer ein großes Erstaunen, wenn Leute zu mir sagen, 'Du bist aus dem Osten? Du bist doch eigentlich ganz nett.' Das ist nett gemeint, aber das ist eine klare Diskriminierung. Ich schlucke das jetzt nicht mehr, sondern ich mache das jetzt zum Thema." So äußern sich Ostdeutsche, die ARD-Journalistin Jessy Wellmer auf ihrer Reise durchs Land für ihre Reportage trifft. Wellmer selbst ist Ostdeutsche, und sie möchte die aktuellen Entwicklungen verstehen.
Die AfD auf dem Vormarsch
Die AfD stellt seit diesem Sommer bundesweit den ersten Landrat in Thüringen, den ersten hauptamtlichen Bürgermeister in Sachsen-Anhalt. Und in Umfragen liegt die AfD vor allen anderen Parteien in Sachsen, Thüringen und Brandenburg, wo im kommenden Jahr neue Landtage gewählt werden. Wellmer spricht mit Menschen, die wie so viele im Osten die rechtspopulistische AfD für eine politische Alternative halten, wie Bürger im brandenburgischen Seelow: "Die AfD redet zur Zeit fürs Volk und das ist richtig so. Wenn ich sehe, was da oben für ein Kasperletheater ist und wer da sitzt, ist das alles nur noch unmenschlich. Die kriegen Geld für sinnlose Scheiße."
Junge Menschen wollen sich gegen Vorurteile abgrenzen
Neben diesem spürbaren Unmut steht in der Reportage noch eine andere Entwicklung im Fokus. Das neue Selbstbewusstsein und eine ausgeprägte Ost-Identität auch bei jungen Menschen, die sich klar gegen das Vorurteil abgrenzen wollen, dass im Osten alle rechts wählen, wie Nina Kummer von der Chemnitzer Band Blond: "Das darf man nie vergessen, das hier wirklich ein Haufen Nazis wohnt und das ist ein Problem. Aber wir wohnen auch hier und wir haben auch eine Geschichte zu erzählen und die ist positiver. Ich möchte, dass man sich mit den Strukturen auseinandersetzt, die bekämpft und sich mit den Problemen beschäftigt, die hier existieren. Ich will weiterhin in der Stadt wohnen, die mir gefällt, ich will nicht wegziehen und irgendwelchen Arschlöchern das Feld überlassen."
Prominente und weniger bekannte Menschen kommen zu Wort
Auf ihrer Suche nach Antworten spricht Jessy Wellmer mit Menschen unterschiedlichen Alters und Hintergrunds, prominent und weniger bekannt. Unter ihnen sind unter anderem der sächsische CDU-Ministerpräsident Michael Kretschmer, der Fußballtrainer Steffen Baumgart vom 1. FC Köln, der Bestseller-Autor Dirk Oschmann und der langjährige Chefredakteur der SUPERillu, Jochen Wolff. Teil des Films sind zudem eigens in Auftrag gegebene repräsentative Umfragen, die die aktuelle Stimmung in Ost- und Westdeutschland abbilden.
Die Reportage "Hört uns zu! Wir Ostdeutsche und der Westen" lief am 25. September im Ersten und ist auch in der ARD Mediathek zu sehen.
Hört uns zu! Wir Ostdeutsche und der Westen
- Genre:
- Dokumentation & Reportage
- Produktionsjahr:
- 2023
- Produktionsland:
- Deutschland
- Veröffentlichungsdatum:
- 25.09.2023
- Länge:
- 45 Minuten