"Die Saat des heiligen Feigenbaums": Oscar-Kandidat voller Emotionen
Der heimlich im Iran gedrehte Film "Die Saat des heiligen Feigenbaums" des iranischen Filmemachers Mohammad Rasoulof steht als deutscher Kandidat auf der Oscars-Shortlist in der Kategorie "Bester Internationaler Film 2025".
Im September 2022 wird im Iran die junge Kurdin Jina Mahsa Amini von der Sittenpolizei verhaftet und stirbt während der Haft. Es folgen landesweite Proteste, die das Mullah-Regime blutig niederschlagen lässt. Vor diesem Hintergrund inszeniert Mohammad Rasoulof eine Familiengeschichte, die die Auswirkungen einer spannungsgeladenen Situation in einer zerrissenen Gesellschaft zeigt.
Die Folgen von Irans staatlicher Gewalt
Der strenggläubige Iman wurde befördert - das macht ihn und seine Frau stolz. Er ist nun Untersuchungsrichter am Revolutionsgericht in Teheran. Auf Anweisung der Staatsanwaltschaft muss er aber Todesurteile unterschreiben, ohne die Anklageakte auch nur gelesen zu haben. Das führt zu Gewissenskonflikten; zuhause wirkt er oft abwesend.
In seiner Familie wird seine neue Funktion zunächst tabuisiert. Seine Töchter werden auf der Straße und an der Universität mit der staatlichen Gewalt konfrontiert, eine Freundin wird bei einer Demonstration Opfer einer Schrotladung und schwer im Gesicht verletzt. Die Töchter tauschen sich heimlich über soziale Netzwerke aus und haben daher einen ganz anderen Blick auf die Jina-Proteste und das, was in ihrem Land passiert, als es die offiziellen Abendnachrichten im Fernsehen darstellen. Es kommt zum offenen Konflikt in der Familie.
Vielschichtiges Abbild der Realität
Der angepasste Vater, die traditionell geprägte, um Vermittlung bemühte, aber innerlich mit ihren eigenen Moralvorstellungen kämpfende Mutter und die rebellierenden Töchter: "Die Saat des heiligen Feigenbaums" liefert ein vielschichtig und genreübergreifend inszeniertes fiktionales Abbild der Realität.
Als Imans Dienstwaffe verschwindet, verdächtigt der Mann auch seine Frau und die Töchter des Diebstahls - eine explosive Situation innerhalb wie außerhalb der Wohnung. Dort kann Iman zwar die Fenster und die Vorhänge verschließen, seine Frau aber nicht die Augen vor den Protesten auf den Straßen und vor der eigenen Haustür.
"Die Saat des heiligen Feigenbaums": Intensives Kino-Erlebnis
Was passiert, wenn in einem totalitären Regime Menschen korrumpiert werden und die Familie als letzte Bastion vermeintlicher Sicherheit zerstört wird, zeigt dieser Film teils subtil, teils mit einer emotionalen Wucht, die lange nachwirkt.
2020 erhielt Mohammad Rasoulof den Goldenen Bären auf der Berlinale für seinen Film "Und das Böse gibt es nicht". Darin geht es episodenhaft um die moralische Bandbreite und die Auswirkungen der Todesstrafe auf verschiedene Individuen in der iranischen Gesellschaft. Widerstand spielte schon in dieser Parabel eine wichtige Rolle. Mit "Die Saat des heiligen Feigenbaums" hat der Regisseur seine Haltung und sein Werk auf das nächste Level gehievt und damit eines der intensivsten Kino-Erlebnisse dieses Jahres geschaffen.
Die Saat des heiligen Feigenbaums
- Genre:
- Drama
- Produktionsjahr:
- 2024
- Produktionsland:
- Iran, Deutschland, Frankreich
- Zusatzinfo:
- Mit Misagh Zare, Reza Akhlaghirad, Shiva Ordooie und anderen
- Regie:
- Mohammad Rasoulof
- Länge:
- 168 Minuten
- FSK:
- ab 16 Jahren
- Kinostart:
- 26. Dezember 2024