"Die Saat des heiligen Feigenbaums": Oscar-Kandidat voller Emotionen

Stand: 23.01.2025 14:54 Uhr

Der heimlich im Iran gedrehte Film "Die Saat des heiligen Feigenbaums" des iranischen Filmemachers Mohammad Rasoulof ist der deutscher Kandidat in der Kategorie "Bester Internationaler Film 2025".

von Bettina Peulecke

Im September 2022 wird im Iran die junge Kurdin Jina Mahsa Amini von der Sittenpolizei verhaftet und stirbt während der Haft. Es folgen landesweite Proteste, die das Mullah-Regime blutig niederschlagen lässt. Vor diesem Hintergrund inszeniert Mohammad Rasoulof eine Familiengeschichte, die die Auswirkungen einer spannungsgeladenen Situation in einer zerrissenen Gesellschaft zeigt.

Die Folgen von Irans staatlicher Gewalt

Der strenggläubige Iman wurde befördert - das macht ihn und seine Frau stolz. Er ist nun Untersuchungsrichter am Revolutionsgericht in Teheran. Auf Anweisung der Staatsanwaltschaft muss er aber Todesurteile unterschreiben, ohne die Anklageakte auch nur gelesen zu haben. Das führt zu Gewissenskonflikten; zuhause wirkt er oft abwesend.

In seiner Familie wird seine neue Funktion zunächst tabuisiert. Seine Töchter werden auf der Straße und an der Universität mit der staatlichen Gewalt konfrontiert, eine Freundin wird bei einer Demonstration Opfer einer Schrotladung und schwer im Gesicht verletzt. Die Töchter tauschen sich heimlich über soziale Netzwerke aus und haben daher einen ganz anderen Blick auf die Jina-Proteste und das, was in ihrem Land passiert, als es die offiziellen Abendnachrichten im Fernsehen darstellen. Es kommt zum offenen Konflikt in der Familie.

Weitere Informationen
Drei Frauen mit dunklen Haaren schauen ernst - Szene aus dem Drama "Die Saat des heiligen Feigenbaums" (Original: "The Seed of the Sacred Fig") © /Films Boutique/German Films/dpa -

"Die Saat des heiligen Feigenbaums" für Oscar nominiert

Das in Hamburg produzierte Drama des Iraners Mohammad Rasoulof darf auf den begehrten Filmpreis als "bester internationaler Film" hoffen. mehr

Vielschichtiges Abbild der Realität

Der angepasste Vater, die traditionell geprägte, um Vermittlung bemühte, aber innerlich mit ihren eigenen Moralvorstellungen kämpfende Mutter und die rebellierenden Töchter: "Die Saat des heiligen Feigenbaums" liefert ein vielschichtig und genreübergreifend inszeniertes fiktionales Abbild der Realität.

Als Imans Dienstwaffe verschwindet, verdächtigt der Mann auch seine Frau und die Töchter des Diebstahls - eine explosive Situation innerhalb wie außerhalb der Wohnung. Dort kann Iman zwar die Fenster und die Vorhänge verschließen, seine Frau aber nicht die Augen vor den Protesten auf den Straßen und vor der eigenen Haustür.

"Die Saat des heiligen Feigenbaums": Intensives Kino-Erlebnis

Was passiert, wenn in einem totalitären Regime Menschen korrumpiert werden und die Familie als letzte Bastion vermeintlicher Sicherheit zerstört wird, zeigt dieser Film teils subtil, teils mit einer emotionalen Wucht, die lange nachwirkt.

2020 erhielt Mohammad Rasoulof den Goldenen Bären auf der Berlinale für seinen Film "Und das Böse gibt es nicht". Darin geht es episodenhaft um die moralische Bandbreite und die Auswirkungen der Todesstrafe auf verschiedene Individuen in der iranischen Gesellschaft. Widerstand spielte schon in dieser Parabel eine wichtige Rolle. Mit "Die Saat des heiligen Feigenbaums" hat der Regisseur seine Haltung und sein Werk auf das nächste Level gehievt und damit eines der intensivsten Kino-Erlebnisse des Jahres geschaffen.

Weitere Informationen
Ein lächelnder Mann im Smoking mit schwarzer Fliege lächelt - Regisseur und Produzent Edward Berger bei einer Preisverleihung © Jordan Strauss/Invision/dpa +++ dpa-Bildfunk Foto: Jordan Strauss

Oscar-Nominierungen 2025: "Konklave" als bester Film dabei

Der Vatikan-Thriller des Wolfsburgers Edward Berger ist achtmal nominiert. Zudem ist Deutschlands Beitrag von Mohammad Rasoulof im Rennen. mehr

Die Saat des heiligen Feigenbaums

Genre:
Drama
Produktionsjahr:
2024
Produktionsland:
Iran, Deutschland, Frankreich
Zusatzinfo:
Mit Misagh Zare, Reza Akhlaghirad, Shiva Ordooie und anderen
Regie:
Mohammad Rasoulof
Länge:
168 Minuten
FSK:
ab 16 Jahren
Kinostart:
26. Dezember 2024

Dieses Thema im Programm:

NDR Info | Kultur | 23.12.2024 | 06:00 Uhr

Schlagwörter zu diesem Artikel

Spielfilm

Eine Grafik zeigt einen Lorbeerkranz auf einem Podest vor einem roten Hintergrund. © NDR

Legenden von nebenan: Wer hat Ihren Ort geprägt?

NDR Kultur erzählt die Geschichte von Menschen, die in ihrer Umgebung bleibende Spuren hinterlassen haben - und setzt ihnen ein virtuelles Denkmal. mehr

Eine Filmszene aus "Avatar 3": Fliegende Wesen zwischen riesigen schwebenden Felsen mit Begrünung auf dem Planeten Pandora © Concept art by Dylan Cole. ©2024 20th Century Studios. All Rights Reserved. Foto: Concept art by Dylan Cole

Filme 2025: Diese Highlights bietet das neue Kinojahr

Der Kinojahrgang 2025 bietet gute Filme! Mit dabei sind "Avatar 3" und "Wicked 2", außerdem gibt's "Das Kanu des Manitu" und "Amrum" von Fatih Akin. mehr

Der Arm einer Frau bedient einen Laptop, der auf einem Tisch in einem Garten steht, während die andere Hand einen Becher hält. © picture alliance / Westend61 | Svetlana Karner

Abonnieren Sie den NDR Kultur Newsletter

NDR Kultur informiert alle Kulturinteressierten mit einem E-Mail-Newsletter über herausragende Sendungen, Veranstaltungen und die Angebote der Kulturpartner. Melden Sie sich hier an! mehr

NDR Kultur App Bewerbung © NDR Kultur

Die NDR Kultur App - kostenlos im Store!

NDR Kultur können Sie jetzt immer bei sich haben - Livestream, exklusive Gewinnspiele und der direkte Draht ins Studio mit dem Messenger. mehr

Mehr Kultur

Zwei Frauen in inniger Umarmung uf der Bühne © picture alliance/dpa/Nicole Marianna Wytyczak Foto: Nicole Marianna Wytyczak

Ritterschlag für Mecklenburgisches Staatstheater: "Sancta" beim Theatertreffen

Nach 2011 ist das Mecklenburgische Staatstheater in diesem Jahr in Berlin wieder dabei - mit der Opernperformance "Sancta" von Florentina Holzinger. mehr