Biopic "Bolero" über Maurice Ravel: Ein Komponist voller Widersprüche

Stand: 06.03.2025 06:00 Uhr

Zum 150. Geburtstag Ravels am 7. März kommt ein Film in die Kinos, der die Entstehungsgeschichte des "Bolero" erzählt. Regisseurin Anne Fontaine macht den Komponisten zur spannenden und berührenden Kinofigur.

von Walli Müller

Am Anfang ist der Sound einer Fabrikhalle: In der Eingangssequenz des Films entführt Maurice Ravel 1928 die Tänzerin Ida Rubinstein in diese Klangwelt. Wo sie ohrenbetäubenden Lärm wahrnimmt, hört er Musik.

"Spüren Sie, wie diese Töne Sie durchdringen? Diese mechanische Symphonie. Hören Sie hin."
"Ich höre!"
"Da marschiert die Zeit voran, der Fortschritt!" Filmszene

Der Rhythmus des Industriezeitalters wird ihm später als Pulsschlag in seinem "Bolero" dienen.

VIDEO: Into the Score: Jürgen Franz über Ravels Boléro (1 Min)

"Bolero": Keine klassische Filmbiografie

Aber zunächst bereitet dieses Auftragswerk Ravel unendliche Qualen. Auf Stationen seines Lebens blickt Regisseurin Anne Fontaine nur schlaglichtartig zurück. Sie will keine klassische Filmbiografie liefern, sondern - am Beispiel seiner legendärsten Komposition - Ravels Wesen ergründen und seine musikalische Handschrift. Zu Lebzeiten ist er im eigenen Land das typische verkannte Genie. Die französischen Kritiker verreißen, die Förderer übergehen ihn. Im Ausland aber hat er längst einen Namen, und auch die Tänzerin Rubinstein glaubt an ihn.

"Ich erwarte von Ihnen die Musik für mein nächstes Ballett."
"Ein Ballett von welcher Art? Haben Sie schon eine Idee, ein Thema?"
"Was ich brauche, ist Fleischliches und Fesselndes und Erotisches." Filmszene

"Eine moderne Carmen" schwebt ihr vor. Ravel selbst aber fällt der Glaube an sein Talent immer wieder schwer. Erschüttert vom Einsatz im Ersten Weltkrieg, neigt er zu einem Grundpessimismus und starker Melancholie. Monatelang schiebt er den Auftrag hinaus, bis der Premierentermin naht.

Überzeugende Annäherung an Ravel

Vielleicht zum ersten Mal in einem Kinofilm hat man den Eindruck, hier wirklich jemandem beim Komponieren zuzuschauen! Wie Ravel Notenfolgen am Klavier ertastet, sie notiert, wieder ausradiert, neu kombiniert - man merkt, dass die Regisseurin Tochter eines Komponisten und Organisten ist. Auch Hauptdarsteller Raphaël Personnaz ließ sie ein Jahr lang üben, um glaubwürdig Ravels Fingerfertigkeit am Klavier darstellen zu können. Er war schließlich auch ein gefragter Konzertpianist.

Personnaz gelingt aber auch eine überzeugende Annäherung an Ravels zartes, fast kindliches Naturell. Bis zu ihrem Tod 1917, also noch mit Anfang 40, lebt er bei seiner Mutter. Zu seiner Herzensfreundin Misia pflegt er eine enge platonische Beziehung, aber eben nicht mehr.

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Montage: Ravel mit Kopfhörern © picture-alliance / akg-images | akg-images
4 Min

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Maurice Ravel: Eine widersprüchliche Persönlichkeit

Für Regisseurin Anne Fontaine hat Ravel eine androgyne Aura. Vielleicht würde er sich heute als non-binär definieren. Für sie ein weiterer interessanter, moderner Aspekt an seiner Persönlichkeit. "Er war ein brillanter, scharfsinniger Mensch mit viel Humor, extrem intelligent und zugleich sehr geheimnisvoll", erzählt Fontaine. "In seiner Biografie findet man fast nichts über seine Sexualität. Offenbar war er jemand, der sie nicht auslebte, asexuell war. Zumindest soweit wir wissen."

Beim Komponieren aber war er zu großer Sinnlichkeit fähig, wie bis heute der "Bolero" beweist. Ironie des Schicksals, dass Ravel selbst seine berühmteste Komposition bei der Uraufführung abscheulich findet.

Es sind solche Widersprüche, die Filme interessant machen - und Maurice Ravel zur spannenden und berührenden Kinofigur. Der Film macht Lust auf seine grandiose Musik - auch jenseits des Ohrwurms "Bolero".

Bolero

Genre:
Biopic
Produktionsjahr:
2024
Produktionsland:
Frankreich, Belgien
Zusatzinfo:
mit Raphaël Personnaz, Doria Tillier, Jeanne Balibar und anderen
Regie:
Anne Fontaine
Länge:
120 Minuten
FSK:
ab 6 Jahren
Kinostart:
6. März 2025

Dieses Thema im Programm:

NDR Info | Kultur | 06.03.2025 | 06:20 Uhr

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