"Alcarràs": Trauriger und sehr authentischer Heimatfilm
Der Film "Alcarràs" gewann 2022 den Goldenen Bären und war als spanischer Vorschlag in der Vorauswahl für die Oscars - schaffte es aber nicht auf die Shortlist. Er erzählt vom Überlebenskampf einer katalanischen Obstbauernfamilie.
Alcarràs, ein kleines Dorf im Hinterland von Katalonien. Die Familie Solé betreibt hier seit Generationen eine Pfirsichfarm. Vor 80 Jahren hat der Großgrundbesitzer Pinyol der Familie das Land überlassen, als Dank für seine Rettung im spanischen Bürgerkrieg. Aber der junge Pinyol will vom Handschlag seines Großvaters nichts mehr wissen.
"Was die haben wollen, ist ein Vertrag - ein Vertrag, in dem steht, dass dieses Land Dir gehört und den haben wir nicht!" "Der alte Pinol hat mir sein Wort gegeben - wir haben uns per Handschlag geeinigt." "Von dem jungen Pignol hast du nichts, Papa." Filmzitat
Konflikt zwischen alten Gewohnheiten und neuen Realitäten
Auf dem Gelände der Farm soll jetzt ein großer Solarpark entstehen. Für die Solés wird es die letzte Pfirsichernte sein. Während sich der Großvater noch um Verhandlungen mit dem jungen Großgrundbesitzer bemüht, stürzt sich Vater Quimet in die Erntearbeiten. Er weigert sich strikt, die bitteren neuen Realitäten zur Kenntnis zu nehmen.
"Ich bin Bauer und kein Solartechniker." "Das lernst du schon noch, mach dir keine Sorgen." "Ich will hier Panels sehen - also hau endlich ab!" Filmzitat
Laiendarsteller aus der Region sorgen für authentische Erzählung
Regisseurin Carla Simón, die selbst aus einer Obstbauernfamilie stammt, hat ihren Film mit einem großartigen sehr authentischen Laienensemble aus der Region besetzt.
Die Kamera befindet sich wie beiläufig mitten im Geschehen. Da wirkt nichts inszeniert, kein künstliches Licht, keine schnellen Montagen. Der Film lässt sich alle Zeit für den Alltag der Familie Solé. In anrührenden Szenen zeigt er die kleinen Kinder beim Spielen, die halbwüchsige Tochter beim Nachtanzen von Tik-Tok-Videos und den sturen Vater, der auf die neuen Zeiten schimpft.
"Sie sagen, im Solarpark arbeitet man weniger und verdient mehr" "Komm mir nicht so, du Nuss.“ Filmzitat
Kritik an der europäischen Agrarpolitik
Die rotgelben Pfirsiche leuchten im mediterranen Licht, und am Abend geht vor dem Fenster ein warmes Gewitter über der Plantage nieder. Die idyllischen Landschaftsimpressionen und die ausgelassenen Momente am Swimmingpool oder auf dem Dorffest täuschen aber in keinem Moment über die Mühen bei der Ernte hinweg. Und bei den Protesten gegen die europäische Agrarpolitik wird es richtig laut.
"Können wir von 15 Cent leben, die wir für unser Obst hier kriegen?" "Nein!" "Das bedeutet das Ende der Landwirtschaft! Auf diese Weise sorgt die Regierung dafür, dass die Großunternehmen alles einsacken! 15 Cent bedeuten, dass sie uns untergehen lassen.“ Filmzitat
Carla Simón hat ein sehr genaues Gespür für die Nöte der Bauern, die gesellschaftlichen Veränderungen und die Interessenskonflikte zwischen traditioneller Landwirtschaft und neuer regenerativer Energieerzeugung. Am Ende rücken in Alcarràs die Bagger an. Die Solés müssen mitansehen, wie ihre Pfirsichbüsche aus dem Boden gerissen werden. Das sind bedrückende Bilder, denen man sich nicht entziehen kann. Ein wunderschöner, trauriger und sehr echter Heimatfilm.
"Alcarràs"
- Genre:
- Komödie
- Produktionsjahr:
- 2022
- Produktionsland:
- Spanien | Italien
- Zusatzinfo:
- Mit Jordi Pujol Dolcet, Anna Otin, Xènia Roset, Albert Bosch, Ainet Jounou u.a.
- Regie:
- Carla Simón
- Länge:
- 120 Minuten
- FSK:
- ab 6 Jahre
- Kinostart:
- ab 11. August