Husumer Filmtage: Mehr als nur friesische Filme

Stand: 27.09.2024 07:45 Uhr

Husum ist nicht Cannes oder Venedig. Aber die Filmtage bieten an sieben Tagen eine sorgsam zusammengestellte Auswahl beachtenswerter Filme. Den Auftakt machte "Architecton" - ein vom diesjährigen Ehrengast des Festivals, Heino Deckert, produzierter Dokumentarfilm.

Reporter Jochen Dominicus berichtet aus Husum. © Screenshot
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von Peer-Axel Kroeske

Felsmassen stürzen in den Abgrund und zerbersten. In Zeitlupe scheinen Steine zu tanzen. Später kippen Lkw nach einem Erdbeben Schuttberge einen Abhang hinunter. "Architecton" handelt weniger von Architektur als vielmehr von der Bausubstanz - in langanhaltenden Szenen. Eine Besucherin meint im Anschluss: "Ich fand das auch mutig, den als Eröffnungsfilm zu zeigen."

150 Werke hat der in Husum aufgewachsene Heino Deckert schon produziert - er gilt als Spezialist für unkonventionelle Dokumentarfilme. Dem Eröffnungspublikum berichtet er, dass "Architecton"-Regisseur Victor Kossakowsky völlig überzeugt sei, solch ein Film müsse doch wie von selbst ein Riesenpublikum finden. Teil der Deckert-Werkschau ist auch der Film "Mauerhase", 2010 ein Oscar-Kandidat, der sich mit leichter Ironie der kuriosen These widmet, dass es Parallelen zwischen DDR-Bürgern und den Kaninchen geben könnte, die im Todesstreifen der Berliner Mauer ihr Habitat hatten. Sie mussten nach dem Mauerfall gleichermaßen mit ihrer neu gewonnenen Freiheit klarkommen.

Ehrengäste bei den Husumer Filmtagen 2024: Heino Deckert und David Kross

Der von Deckert produzierte Film "Donbass" basiert auf Szenen aus der heute umkämpften Ostukraine. Entstanden ist er bereits 2018. "Das ist tatsächlich ein Film, der sehr viel vorweggenommen hat", erzählt Deckert. "Man merkt, wie dieser Teil der Ukraine damals funktionierte. Es geht ja hauptsächlich um Korruption. Er beruht tatsächlich auf wahren Begebenheiten. Ich finde das sehr spannend, den die nächsten Tage anzugucken, ob ich den anders sehe, nachdem was passiert ist."

Die Husumer Filmtage haben diesmal sogar einen zweiten Ehrengast: Den aus Todendorf (Kreis Stormarn) stammenden Schauspieler David Kross, der 2022 nicht kommen konnte, erzählt Hans-Peter Schweger vom Kuratorium: "David Kross hatte kurzfristig abgesagt wegen Dreharbeiten in Italien. Das war der Film "Fifty-Fifty", den wir am Samstag zeigen, und den bringt er auch mit." Die Scheidungskomödie handelt von einem Paar, das die Kinderbetreuung hälftig aufgeteilt hat. Vorbildlich, denken beide, bis so einiges passiert.

Filmperlen wie "Touched" im Programm

Schließlich stellt Regisseur Lars Jessen sein neues Werk "Micha denkt groß" vor. Darin will ein Jungunternehmer ein Hotel in der Altmark bauen. In der Hauptrolle: Charly Hübner. Die Reihe "Neuer Deutscher Film" ist fester Bestandteil der Husumer Filmtage. In die Auswahl hat es "Touched" geschafft, der Eszter Lovas vom Kuratorium beeindruckt hat: "Das ist einer meiner Favoriten. Es geht um eine Liebesgeschichte zwischen einer übergewichtigen Betreuerin und einem querschnittsgelähmten Mann. Das ist eine isländische Schauspielerin und sie sagte: Diese Rolle war für ihre eigene Identität sehr wichtig. Es geht um Body Positivity, neudeutsch gesagt. Es rutscht auch in die Aggression rüber. Es ist also nicht nur schön."

Thema Reisen als Schwerpunkt

Ein weiterer Schwerpunkt heißt diesmal: "Wohin geht die Reise?" - mit Filmen über Menschen, die auf Reisen gehen. Das bietet sich an, meint Kurator Max-Peter Heyne: "Das ist ein Thema, das wir aufgreifen sollten, jetzt wo wieder die Kreuzfahrtschiffe und Züge bevölkert sind. Dann haben wir gesehen: Es gibt ganz viele Filme zu dem Thema, auch welche, die man ganz selten sieht. Da greifen wir dann zu."

Heyne weiß: Auf der cineastischen Landkarte ist Husum nur ein kleiner Punkt. Aber "es hat sich in den letzten 10 Jahren verändert, weil man vor allem im Norden stärker, auch in Berlin und Hamburg, auf uns aufmerksam geworden ist. Und jetzt haben wir tatsächlich drei Vorpremieren vor dem offiziellen Kinostart."

"Muxmäuschenstill X" als Vorpremiere

Zur Vorpremiere des zweiten Teils von "Muxmäuschenstill", der provokanten Gesellschaftssatire über Selbstjustiz, kommt Regisseur und Schauspieler Jan Henrik Stahlberg nach Husum. "Jenseits der blauen Grenze" handelt von einer DDR-Leistungsschwimmerin, deren Freund mit dem Gedanken spielt, über die Ostsee zu flüchten.

Mit diesem und zwei weiteren Filmen bereichern die Husumer Filmtage zum Abschluss die bundesweite "Nacht der Demokratie" am 2. Oktober. Darunter ist dann auch "Führer & Verführer" über Hitlers Propagandisten Goebbels und "Lehrer Schmidt". Die Dahlmannschule Bad Segeberg hat aus Verhörprotokollen eines kritischen Lehrers von 1937 zunächst ein Theaterstück, dann einen Film gemacht, der am letzten Tag der Husumer Filmtage über die Leinwand läuft.

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Dieses Thema im Programm:

NDR Kultur | Der Morgen | 27.09.2024 | 07:40 Uhr

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