"Führer und Verführer": Wie die Nazi-Propaganda wirkte
"Führer und Verführer" ist ein Spielfilm, der mit Interviewausschnitten und Archivaufnahmen immer wieder mit dem Dokumentarischen spielt. Regisseur und Historiker Joachim A. Lang dringt dabei tief ins Innere der Nazi-Strukturen ein.
Es gibt zahlreiche filmische Aufarbeitungen über den Holocaust und den Zweiten Weltkrieg. Die meisten nehmen die Perspektive der Opfer ein. Aber es gibt Ausnahmen. Eine solche ist "Führer und Verführer" über den Reichspropagandaminister Joseph Goebbels.
Handke: Himmler meldet 20.000 Verhaftungen und 100 Tote.
Goebbels: Das geschieht den Juden recht. Aber in der Wochenschau, da sagen wir nichts darüber. Wir sind so wahrheitsgetreu wie es uns nützlich ist.
Szene aus "Führer und Verführer"
Es ist einer von vielen verstörenden, aber effektiven Momenten in "Führer und Verführer". Robert Stadlober steht als Joseph Goebbels in einem hellen Anzug mit dunklen, nach hinten gekämmten Haaren Auge in Auge mit seinem Gegenüber und grinst perfide beim Sprechen.
Goebbels: Propaganda, das ist eine Kunst wie die Malerei. Nicht das Bild ist von größtem Wert das der Wirklichkeit am nächsten kommt. Nein, es ist jenes, dass die größten Empfindungen auslöst. Wir schaffen die Bilder, die bleiben werden. Szene aus "Führer und Verführer"
Ziele des Propagandaministers im Mittelpunkt
"Führer und Verführer" ist, anders als der Titel vermuten lässt, kein Film über den Führer Hitler und seinen Verführer Goebbels. Es geht in erster Linie um den Reichspropagandaminister und seine mediale Mobilmachung von März 1938 bis Mai 1945. Hitlers Ziele waren, den Lebensraum der Deutschen im Osten zu erweitern und die Vernichtung der Juden. Goebbels Ziel war es, dafür die perfekten Bilder zu finden, und mit seiner Propagandamaschine Hitler den Rücken im eigenen Volk zu stärken.
Radio: Seit 5.45 Uhr wird zurückgeschossen.
Goebbels: Meine Herren, setzen. Wir befinden uns im Krieg. Nachrichtenpolitik im Krieg, das ist ein Kriegsmittel. Man benutzt es, um Krieg zu führen, nicht um Informationen auszugeben. Das Abhören feindlicher Sender wird unter Strafe gestellt. Die Weitergabe solcher Informationen wird mit dem Tode bestraft. Die Todesurteile werden in der Presse bekannt gegeben. Wir stimmen ein Höllenkonzert an. Immer weiter Hetzen und Putschen.
Szene aus "Führer und Verführer"
Regisseur Lang zeigt, wie Goebbels das Volk manipulierte
"Führer und Verführer" nimmt eine fordernde Perspektive ein. Welchen Bildern kann man trauen, welche Bilder sind durch und durch inszeniert? Regisseur Joachim A. Lang versucht, das von Goebbels geschaffene Bild zu dekonstruieren, gibt Einblicke hinter die Fassade, offenbart die Mittel, mit denen Goebbels das deutsche Volk manipuliert hat. Lang zeigt Goebbels bei der Inszenierung seiner Lügen - und entlarvt sie.
Goebbels: Der Führer zittert nicht. Diese Aufnahmen wird das Volk niemals zu sehen bekommen.
Mann: Aber wir haben nichts anderes. Der Führer ist nur noch ein Schatten seiner selbst. Das ist schlimm, aber wahr.
Goebbels: Was wahr ist, bestimme ich. Und wahr ist, was dem deutschen Volke nützt.
Szene aus "Führer und Verführer"
Akribische Recherche für den Film
Regisseur und Historiker Joachim A. Lang dringt dabei ins Innere der Nazi-Strukturen ein, hat akribisch recherchiert, nach eigenen Angaben historisch fundiert. Er verwebt, um das sichtbar zu machen, Originalaufnahmen der Zeit mit Spielfilmelementen. Stadlober als Goebbels übt die Sportpalastrede zuhause vorm Spiegel, Umschnitt auf die Originalaufnahmen von 1943.
"Führer und Verführer" bekommt - nicht nur durch die Vermischung der dokumentarischen und Spielfilmebene eine hochaktuelle Brisanz, auch durch die Unterbrechung des Spielfilmflusses mit Interviewpassagen Überlebender. Denn die Manipulationsstrategien von damals sind auch heute noch Vorbild für Populisten. "Führer und Verführer" ist ein Film über die Gefahr der Verführung - und gegen das Vergessen.
Führer und Verführer
- Genre:
- Historiendrama
- Produktionsjahr:
- 2023
- Produktionsland:
- Deutschland und Slowakische Republik
- Zusatzinfo:
- Mit Robert Stadlober, Fritz Karl, Franziska Weisz, Dominik Maringer, Moritz Führmann, Till Firit und Christoph Franken
- Regie:
- Joachim A. Lang
- Länge:
- 136 Minuten
- Kinostart:
- 11. Juli 2024