Szene aus dem Film "Führer und Verführer": Elegant gekleidete Menschen in einem Korridor. In der Mitte steht ein Ehepaar, der Mann winkt © Wild Bunch Germany

Wie spielt man Goebbels? Robert Stadlober über "Führer und Verführer"

Stand: 10.07.2024 08:02 Uhr

Die Rolle des Reichspropagandaministers Joseph Goebbels kann eine Karriere zerstören oder pushen. Der österreichische Schauspieler Robert Stadlober spielt nun diese historische Figur in "Führer und Verführer".

von Anna Wollner

"Ich habe keine Angst zu scheitern", sagt Stadlober über die Gefahr, in seiner Darstellung als Joseph Goebbels über das Ziel hinaus zu schießen. "Ich komme von Christoph Schlingensief. Scheitern als Chance. Ich scheitere nicht. Niemand scheitert. Das ist Quatsch."

Dennoch hat Stadlober, der mit "Sonnenallee" und "Crazy" Ende der 90er-Jahre seinen Durchbruch als Schauspieler hatte, intensiv überlegt, ob er die Rolle annehmen soll: "Ich glaube, man ist immer gut beraten, zu zögern und sich darüber im klar zu werden: Wer hat da was vor und aus welchem Grund?", schildert Stadlober. "Was kann ich dazu beitragen, was ist der Erkenntnisgewinn für die Zuschauerinnen und Zuschauer? Aber natürlich auch: Was bedeutet das für mich? Sich damit so lange zu beschäftigen mit diesem Mann und seinen Ideen und seinen Methoden. Bei mir hat es drei Tage gedauert, bis ich gesagt habe, dass ich es machen werde."

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Goebbels-Darstellung: Keine Kopie gewollt

Weitere zwei Jahre hat es gedauert, bis die Dreharbeiten beginnen konnten. Genug Zeit für Stadlober, sich mit Goebbels auseinanderzusetzen. Ohne ihn perfekt kopieren zu wollen: "Ich bin ja nicht Historiker, sondern Schauspieler. Meine Mittel sind andere und auch die Instrumente für das, was ich tun möchte, ziehe ich aus anderen Quellen. Oder die müssen gar nicht unbedingt immer klar die belegte Biografie dieser Person sein. Es geht darum, einen Effekt herzustellen, einen Sachverhalt zu verkörpern. Mich interessieren da eher die politischen, historischen und psychologischen Hintergründe."

Zur Vorbereitung hat er sich intensiv mit Klaus Theweleits "Männerphantasien" beschäftigt, ein Buch über militärischen Kult, Männlichkeit und Herrschaft, mit Hanna Arendts "Banalität des Bösen" und eben nicht mit der Biografie Goebbels: "Deswegen ist es als Schauspieler dann gar nicht so wichtig, was dem in seiner Kindheit widerfahren ist oder so. Ich wollte das als Schauspieler auch oft gar nicht wissen. Dann beginnt man möglicherweise, einen Charakter zu entschuldigen. Ich möchte gar keine Entschuldigung dafür haben, warum er der war. Der war für mich einer der größten Verbrecher der Menschheitsgeschichte und das möchte ich, dass das für mich auch weiter so bleibt. Es ist mir wurscht, ob er kalte Füße hatte, als er acht Jahre alt war."

Stadlobers-Leistung ist vom Scheitern weit entfernt

Dass Stadlober sich mit Goebbels auf dünnes Eis begibt, war ihm von Anfang an klar. Die Gratwanderung, ihn nicht zu heroisieren und auch nicht zu parodieren - denn das hätten andere schon zur Genüge getan. "Auch schon zu Zeiten seiner Herrschaft wurde er viel parodiert, also der Lügen-Jupp, das war ein geflügeltes Wort. Darum war für mich der erste Versuch zu gucken, wo kommt diese Sprache her", erzählt Stadlober.

"Er hat kein klares Nibelungen-Deutsch gesprochen, sondern er kommt vom Niederrhein und kann das auch schwer verstecken - versucht es aber permanent. Das heißt, was ich an vielen Goebbels-Darstellungen vorher zumindest irgendwie hinterfragenswert fand, war, dass das oft in so eine Gemütlichkeit abrutscht. Und der ist überhaupt nicht gemütlich. Er möchte nicht, dass man weiß, dass er aus den niederen Ständen des Niederrheins kommt, sondern er möchte als großer Deutscher Siegfried dastehen. Er arbeitet sich durchgängig an seinem Dialekt ab und scheitert durchgängig." Stadlober hat als Goebbels nicht nur den Dialekt richtig getroffen, seine ganze Leistung ist vom Scheitern weit entfernt.

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Dieses Thema im Programm:

NDR Kultur | Der Morgen | 10.07.2024 | 08:15 Uhr

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