"Alles Fifty Fifty": Erziehungskomödie mit dramatischem Kern
Eine Woche bei Mama, eine bei Papa: Dieses Wechselmodell leben heute viele Kinder nach der Trennung ihrer Eltern. Das kann funktionieren, muss aber nicht, wie die Komödie "Alles Fifty Fifty" mit Moritz Bleibtreu und Laura Tonke augenzwinkernd zeigt.
Milan ist elf Jahre alt und - fragt man seine getrennt lebenden Eltern - ein ganz zauberhafter Junge. Die Schulpsychologin erlebt ihn eher als kleinen Satansbraten, der seine Mitschüler mobbt. Als Marion und Andi beim Elterngespräch alles nur beschönigen wollen, redet sie Klartext:
"Es kann sein, dass Ihre unterschiedlichen Erziehungsstile das Kind verwirren."
"Nee! Die Scheidung ist nicht das Problem. Milan ist ein glückliches Scheidungskind. Wir haben ein super funktionierendes Wechselmodell, komplett konfliktfrei, alles fifty-fifty."
"Ich habe das Gefühl, das ist eher ein forty-forty mit einer ganz schön großen Lücke. Und in der Lücke macht Ihr Sohn, was er will."
Filmszene
Diese Lücke, diese entsetzliche, fällt ihnen selbst erst im gemeinsamen Italien-Urlaub auf. Da besteht der Sprössling auf Zocken am Esstisch, weil er das bei Papa angeblich darf, bestellt sich im Beisein von Mama Espresso, weil Papa das angeblich erlaubt. Als er beim gemeinsamen Bootsausflug über Bord geht, stellt sich zum Entsetzen beider Elternteile heraus, dass Milan gar nicht schwimmen kann.
"Was macht ihr bitte bei euren Freizeitaktivitäten, wenn er nicht mal schwimmen lernt?"
"Ach, jetzt kommt das Lied wieder. Wer wollte denn nicht, dass er zum Babyschwimmen geht?"
"Ja, weil Chlor-Luft Asthma fördert."
"Das ist doch Schwachsinn, Marion!"
"Das steht überall. Du beschäftigst dich ja nicht mal damit. Du hast in deinem Leben keinen einzigen Erziehungsratgeber gelesen."
"Weil da nur Müll drin steht. Die Titel reichen mir schon: 'Jedes Kind ist hochbegabt'. Was für ein Schwachsinn! Weißt Du, wie viele dumme Kinder ich kenne?"
Filmszene
Moritz Bleibtreu als Porsche-Schnösel mit Laissez-Faire-Haltung
Derart köstliche Sätze ins Drehbuch zu schreiben, ist die eine Sache. Es braucht dann aber auch Schauspieler, die sie überzeugend bringen können. Da verlässt sich Regisseur Alireza Golafshan nur auf die Besten: Tom Schilling veredelte sein Kino-Debüt "Die Goldfische", Luise Heyer den Nachfolger "JGA". Nun gibt Moritz Bleibtreu einen wunderbaren Porsche-Schnösel mit Laissez-Faire-Haltung.
In einem Punkt ist er als Vater zweier Söhne sehr einverstanden mit der Haltung seiner Film-Figur: "Um ehrlich zu sein, habe ich noch nie einen Erziehungsratgeber gelesen. Dadurch, dass ich auf recht unkonventionelle Weise groß geworden bin, habe ich trotzdem gute Ratgeber gehabt. Ich glaube, ich habe ein ganz gutes, sattelfestes Rüstzeug mitgenommen als Papa. Einen Erziehungsratgeber musste ich nie lesen. Ich schaue nur auf den Klappentext und sage meistens schon: Pffft..."
"Alles Fifty Fifty": Zwischen Comedy und Drama
Bleibtreu und seine Film-Ex-Frau Laura Tonke können erwiesenermaßen Komik. Aber "Alles Fifty Fifty" ist keine Schenkelklopf-Komödie. Regisseur Golafshan will sich durchaus ernsthaft mit dem Thema Erziehung befassen und mixt deshalb Screwball- und Slapstick-Elemente mit nachdenklichen Szenen. "Einerseits sind wir so aufgeklärt wie noch nie als Eltern, weil die Informationen überall sind", erklärt Golafshan. "Auf Instagram kommen von Dr. Gabor Maté - oder wem auch immer - wahnsinnige Expertentipps. Dann aber vom Handy hochzuschauen zum Kind - das ist die große Ironie, wo man merkt, vielleicht fehlt einem auch die Zeit."
Während aus der Karikatur eines Trennungskinds allmählich ein Knirps mit menschlichen und sympathischen Zügen wird, findet auch zwischen den Eltern eine glaubhafte Wiederannäherung statt.
"Er hat dir wirklich gesagt, ich hätte das erlaubt?"
"Ja. Oh nein! Was ist, wenn die Schulpsychologin doch recht hatte?"
"Du meinst..."
"Ich meine die Lücke."
"Vielleicht ist doch was dran."
Filmszene
Auch getrennt - das weiß Moritz Bleibtreu aus eigener Lebenserfahrung - geht Erziehung nur gemeinsam: "Wenn ich getrennt bin und versuche, eine Beziehung mit dem Kind zu haben, habe aber keine mit der Mutter, wird das nicht funktionieren. Das legt der Filme nahe." Man lacht über "Alles Fifty Fifty" vielleicht nicht so laut wie über die rotzfrechen "Goldfische", aber kann thematisch mühelos andocken und sich zumindest still amüsieren über diese Erziehungskomödie mit dramatischem Kern.
Alles Fifty Fifty
- Genre:
- Komödie
- Produktionsjahr:
- 2024
- Produktionsland:
- Deutschland
- Zusatzinfo:
- Mit Moritz Bleibtreu, Laura Tonke, Valentin Thatenhorst und anderen
- Regie:
- Alireza Golafshan
- Länge:
- 113 Minuten
- FSK:
- ab 6 Jahren
- Kinostart:
- 29. August 2024