Ronald Zehrfeld im Film "Zwei zu Eins": "Eine Zeit der Narrenfreiheit"
Ronald Zehrfeld ist ab Donnerstag mit Sandra Hüller in der Komödie "Zwei zu Eins" im Kino zu sehen. Er erzählt wie er die Wende erlebt hat und was ihm wichtig ist in der kurzen Zeit auf dieser "blauen Murmel".
Serien wie "Weissensee", "Babylon Berlin", "Im Angesicht des Verbrechens" und Kinofilme wie "Der Staat gegen Fritz Bauer" und in diesem Frühjahr "Sterben" haben Ronald Zehrfeld in Deutschland zum Star gemacht. Der gebürtige Ost-Berliner hat eine Bilderbuchkarriere hingelegt, möchte man meinen. Er selbst sieht das entspannt. Hier ein Ausschnitt des Interviews. Das ganze Gespräch können Sie hier hören.
Der Film "Zwei zu Eins" spielt in den Monaten nach der Wende 1989/90. Du bist Jahrgang 1977. Du bist in Ost-Berlin geboren. Wie hast Du die Zeit damals erlebt?
Ronald Zehrfeld: Die Geschwindigkeit war damals ziemlich maßgeblich und sehr überraschend für viele. Auch für mich. Nicht nur rückblickend. Auch damals war es, was innerhalb dieser Zeit passiert ist, also vom 9. November 1989 bis zum 3. Oktober 1990. Ein Jahr, oder, sagen wir, zwei Jahre bis 1991 ist so viel passiert. Und die Geschwindigkeit war für mich überraschend.
Die Abwicklung eines ganzen Staates ging über die Bühne. Das Kapital, das gegriffen hat. Kohl, der eigentlich schon weg war vom Fenster, dann nochmal 16 Jahre drangehängt hat. "Keinem wird es schlechter gehen, wir versprechen euch blühende Landschaften", hieß es.
Dann begann eine sehr tolle Zeit - bis 1996. Das war so eine Zeit der Narrenfreiheit. Das war spannend, denn es galt: "Wir können uns jetzt verwirklichen". Was man dem Osten immer vorgeworfen hat, dass man als freier Kreativer seine Schwierigkeiten hatte, wenn man mit der Idee oder der Vorstellung von der Partei oder von dem Land nicht konform war.
Dann war plötzlich die freie Marktwirtschaft da, es kam die harte D-Mark, zwei zu eins. Spannend war sie auf jeden Fall, diese wilde Zeit. Ich war in einem Alter, zwölf, 13, kein Berg zu hoch, kein Fluss zu breit, und konnte da voll reinspringen. Diese Aufbruchstimmung spürte man an jeder Ecke.
Als junger Mensch warst Du sportlich sehr ambitioniert und sehr talentiert, hast die Jugendmeisterschaft als Judoka mit elf gewonnen: Olympia war das Ziel. Dieser Traum zerplatzte mit der Wiedervereinigung. Also eine sehr persönliche Geschichte ...
Zehrfeld: Absolut. Sport war natürlich eines der wenigen Betätigungsfelder für die DDR, wo sie außenpolitisch ein paar Punkte sammeln konnte. Ansonsten war es alles sehr überschaubar. Aber jetzt galt es damals, Deutschland zukunftsfähig zu machen.
Deshalb finde ich "Zwei zu Eins" so spannend: Der Osten wurde sozusagen befreit und konnte plötzlich frei leben und man konnte sich verwirklichen, weg von Zuhause, um mal die freie Welt zu schnuppern und wiederkommen - wie meine Figur "Volker". Auf der anderen Seite hat der Westen einen Absatzmarkt bekommen. Der Westen war ebenfalls am Ende der Einbahnstraße angekommen. Dann war es ganz clever und eine Win-Win-Situation.
Du hast viel Theater gemacht, dann relativ viel Fernsehen, dann mehr Kino. Ist das eine lineare Entwicklung oder ist das einfach so passiert?
Zehrfeld: Ohne dass es despektierlich klingen soll: Es ist so passiert. Ich habe ein Motto. Das heißt: "Everything happens at the right time!" Einfach fließen lassen! Keinen Druck dahinter machen! Was ich aber bestimmen kann jeden Tag, ist: Fühl ich mich gut oder fühl ich mich nicht gut? Und wenn ich mich nicht gut fühle, kann ich die Situation verändern?
Wenn ich aber abends in meinem Bett liege, in meiner Kiste, und kann auf den Tag zurückgucken: Wie fühlt der Tag sich an? Was habe ich Neues kennengelernt? Was habe ich Neues dazugelernt? Was habe ich für Menschen kennenlernen dürfen? Was hat mich bereichert?
Das bringt mir immer ein Lächeln aufs Gesicht und ich sage, dies ist wieder ein neuer Tag in meinem Leben, von diesen paar Jahren auf der blauen Murmel, auf der wir leben, der mich irgendwie ein Stück weiterentwickelt.
Die ganze Sendung können Sie hier hören. Das Gespräch führte Bettina Peulecke.