Stand: 26.08.2024 17:05 Uhr

"Mittagsstunde" im ZDF: Urkomischer und tieftrauriger Film

von Bettina Peulecke

In Dörte Hansens "Mittagsstunde" geht es um Heimat, Veränderung und Stillstand. Lars Jessen hat den Roman 2022 verfilmt. Heute Abend ist er ab 20.15 Uhr im ZDF zu sehen und steht bereits in der ZDF Mediathek.

In Rückblenden und auf unterschiedlichen Zeitebenen spielend erzählt der Film eine berührende Familiengeschichte, mit Charly Hübner in der Hauptrolle. "Die eigene Geschichte plötzlich auf der Leinwand zu sehen. Das ist immer ein bisschen aufregend und auch schön", sagt Erfolgsautorin Dörte Hansen. Sie kennt die norddeutsche Mentalität, die regionalen Eigenheiten der Menschen, von deren Schicksalen sie in ihren Büchern so mitreißend erzählt und sie kann sie wunderbar beschreiben.

Ingwer geht mit Ende vierzig in sein Heimatdorf zurück

Ingwer ist Ende vierzig, lebt in einer nicht genauer definierten Lebens- und Wohngemeinschaft mit einer Frau und einem Mann und hat am Morgen nach der Geburtstagsfeier beim Abwasch Neuigkeiten. Er möchte am nächsten Tag nach Brinkebüll fahren und auch erstmal nicht wieder zurückkommen.

Also fährt Ingwer zu seinen Eltern. Die Mutter ist zunehmend dement, der Vater starrköpfig und bisweilen gehässig, besonders seit der Sohn Ingwer in die Stadt gegangen ist um zu studieren, statt die Familienkneipe weiterzuführen.

"Mittagsstunde": Melancholisch erzählte Geschichte

Die Alten wollen durchhalten und festhalten an allem, das anderweitig längst zur Vergangenheit gehört in Brinkebüll. Hier, wo der Niedergang Mitte der 1960er-Jahre mit der Flurbereinigung begann. Wo früher der Dorfkern war, knattern nun auf der begradigten Straße Lkw durch den Ort. Und als die Landvermesser abreisen, ist die geistig etwas umnachtete Marret schwanger.

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Dörte Hansen sitzt während eines Interviews an einem Tisch und erzählt. © picture alliance/dpa | Georg Wendt

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Das alles gehört zur Gesamtgeschichte, die auf oft melancholische Art in "Mittagsstunde" erzählt wird. Dabei geht um Fragen nach Heimat, Veränderung und Stillstand - in Rückblenden und auf unterschiedlichen Zeitebenen spielend. Das funktioniert nur, wenn alle an einem Strang ziehen.

Eingespieltes Team: Regisseur Lars Jessen und Charly Hübner

Dörte Hansen, die normalerweise am liebsten allein arbeitet, hat bei der Realisierung des Projektes eine ganz neue Erfahrung gemacht: "..., dass Film ein absolutes Teamprodukt ist und wenn alle ihre Egos zurückstellen können und sich auf das Produkt konzentrieren, dann kann was ganz Tolles dabei rauskommen und auch eine gute Dynamik untereinander."

Diese Dynamik bestand zwischen Regisseur Lars Jessen und Hauptdarsteller Charly Hübner schon im Vorfeld. Sie haben schon oft miteinander gearbeitet, und ohne den einen hätte der andere nicht erneut zeigen können, was für ein überragender Schauspieler Charly Hübner ist.

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Charly Hübner vor einem Plakat für den Film "Mittagsstunde" © NDR Foto: Lornz Lorenzen

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In der Originalfassung wird viel Platt gesnackt

In diesem ruhigen, mal urkomischen, oft tieftraurigen und einfühlsamen Film kommen so einige Themen zusammen. Ingwers mit Scham und Schweigen beladene Familiengeschichte, seine Midlife-Crisis und der ländliche Strukturwandel.

In der Originalfassung mit Untertiteln, die in einigen Kinos läuft, wird übrigens neben Hochdeutsch auch eine Menge Platt gesnackt, was dem Ganzen noch ein gutes Stück mehr charmantes Lokalkolorit verleiht.

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"Mittagsstunde"

Genre:
Drama
Produktionsjahr:
2022
Produktionsland:
Deutschland
Zusatzinfo:
Mit Charly Hübner, Peter Franke und Hildegard Schmahl u.v.a.
Regie:
Lars Jessen
Länge:
93 Minuten
FSK:
ab 6 Jahre
Kinostart:
22. September 2022

Dieses Thema im Programm:

NDR Info | Kultur | 21.09.2022 | 07:55 Uhr

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