Körperaktivistin Melodie Michelberger: Ist Barbie noch zeitgemäß?
In den Kinos läuft momentan der neue Barbie-Film - ein Anlass, uns mit dem Phänomen Barbie zu beschäftigen, an dem sich die Geister durchaus scheiden. Trotzdem ist Barbie so beliebt wie nie.
Blond, schlank, weiß, pink: Das ist Barbie. Seit Ende der 1950er-Jahre verkörpert sie nach westlichen Maßstäben das Ideal einer attraktiven Frau. Auch im neuen Barbie-Film 2023 sieht die Hauptdarstellerin genauso aus. Sie wird gespielt von Margot Robbie. Dabei wäre es vielleicht mal Zeit gewesen, die Rolle anders zu besetzen.
Eine, die sich stark macht, damit alle Körperformen im öffentlichen Raum sichtbar sind, ist die Körperaktivistin Melodie Michelberger aus Hamburg. Was für ein Verhältnis haben Sie persönlich zu Barbie? Wofür steht sie aus Ihrer Sicht?
Melodie Michelberger: Ich muss zugeben, dass ich als junges Mädchen in den Achtzigern selber sehr begeistert mit Barbies gespielt habe. Ich kann mich noch sehr gut an meine erste Barbie erinnern. Damals wusste ich natürlich noch nicht, dass die Barbie mir ein absolut unrealistisches Körperideal vorlebt. Und das es beim Spiel mit der Barbie im Grunde auch immer nur darum geht, wie die Barbie aussieht, was sie anziehen kann und wo sie mit ihrem pinken Cabrio hinfährt. So richtig viel Inhalt ist da nicht. Heute muss ich mich tatsächlich auch sehr darüber wundern, dass dieses Abbild einer perfekt erscheinenden Frau immer noch bei Kindern so beliebt ist, vor allem bei Mädchen. Die Puppe hat keine Falten und ihre Füße stecken immer in High Heels, also kann sie wahrscheinlich auch nicht besonders schnell irgendwohin rennen. Heute ist das immer noch genau wie bei der Markteinführung damals.
Sie haben vor zwei Jahren das Buch "Body Politics" zu diesem Thema veröffentlicht, in dem es genau darum geht, wer eigentlich bestimmt, wie eine Frau heute auszusehen hat. Warum tut sich da so wenig?
Michelberger: Ich denke, die Antwort ist, dass sich die Original Barbie, die es immer noch gibt, einfach immer noch wahnsinnig gut verkauft. Ich habe gelesen, dass es mittlerweile auch eine Curvy-Barbie gibt. Da muss man aber dazu sagen, dass die Curvy-Barbie immer noch allerhöchstens einer Größe 36 entspricht. Was immer noch eine sehr schlanke Figur ist. Das gibt für die Mädchen oder Kinder, die eine Barbie bekommen, ein absolut unrealistisches Körperbild vor. Am Ende ist es wahrscheinlich ein sehr gutes Marketing und eine sehr gute Presse, dass die Barbie sich immer weiter verkauft. Ich denke, dass viele sich nach diesem perfekten Körper sehnen, der uns dort vorgelebt und vorgegeben wird. Es scheint so, dass man mit diesem perfekt erscheinenden Körper alles schaffen kann. Das ist der Treiber der Diät-Kultur. Warum stürzen sich Millionen von Frauen und Mädchen von der einen Diät in die nächste Diät und bekommen Essstörungen, fühlen sich aber egal, wie ihre Körper aussehen, immer unwohl. Da spielt die Barbie natürlich genau rein.
Jetzt muss man Barbie zugutehalten, dass sie sich in den letzten Jahren auch dahin verändert hat, dass es inklusivere Modelle gibt. Sie haben es gerade schon beschrieben, die sind immer noch ein bisschen unrealistisch. Würden Sie also sagen, das ist ein Alibi oder doch ein ernstgemeinter Anfang?
Michelberger: Ich würde von meinem Standpunkt sagen, es ist ein Alibi. Es ging nicht mehr anders. Man musste wahrscheinlich als Barbie auch ein bisschen moderner mit der Zeit gehen. Es gab meines Wissens in den 1980er-Jahren schon eine schwarze Barbie. Es gibt auch eine Barbie mit einer sichtbaren Behinderung. Man hätte das auch schon früher einführen können. Ich bin mir da nicht sicher, ob da der Druck von außen so groß wurde, dass man ein bisschen moderner werden und eben die Körperform anpassen musste. Wie gesagt, die Barbie ist nicht wirklich eine dicke Barbie. Die hat immer noch genau die gleichen schlanken Beine, wie die anderen Barbies, sie ist ein bisschen kleiner und zeigt im Grunde genommen immer noch keine andere Körperform, die wirklich so gebraucht wäre, damit alle Kinder und Mädchen sich repräsentiert fühlen.
Wäre denn zum Beispiel anders, wenn Barbie im Film rundere Formen hätte als Margot Robbie?
Michelberger: Ich liebe Margot Robbie als Schauspielerin, hätte mir aber trotzdem eine Barbie gewünscht, die nicht dieses super perfekte Schönheitsideal reproduziert. Ich habe den Film noch nicht gesehen, aber ich muss sagen, in dem Film spielen auch sehr viele unterschiedliche Frauen mit. Es gibt auch tatsächlich Schauspielerinnen, die dick sind. Da bin ich schon sehr gespannt, was die für Rollen im Film haben.
Sie haben als Kind selbst gerne mit Barbie gespielt, sind Mutter und haben einen 15-jährigen Sohn. Was ist Ihnen wichtig, wenn Sie mit dem über das Erwachsenwerden sprechen, vielleicht auch sogar über Frauen und Schönheit?
Michelberger: Wir sprechen tatsächlich sehr viel über dieses Thema, weil ich mich einfach täglich damit beschäftige und über Schönheitsideale, unrealistische Schönheitsideale, Essstörungen und so weiter schreibe. Mein Sohn weiß ziemlich genau, dass da draußen eine Welt ist, die uns sehr viel verkaufen möchte. Damit wir alle konstant mit dem Gefühl rumlaufen, dass unsere Körper so wie sie sind, nicht gut sind, dass man die ständig optimieren, verschönern und verbessern muss. Ich versuche, ihn einfach stark zu machen, dass er weiß, dass er so wie er ist, schön genug und gut genug ist. Auch bei Jungs und Männern ist der Druck da, bei Frauen ist er noch größer. Aber ich rede mit ihm tatsächlich sehr oft darüber. Ich versuche ihn starkzumachen, dass er die Werbeversprechen auch als solche erkennt.
Das Gespräch führte Franziska von Busse.