"Kaule" auf dem Filmkunstfest MV: Eine Dorfkindheit in den 60er-Jahren
Ziegen hüten, Indianer spielen und zur Schule gehen. So verbringt der elfjährige Kaule die Tage in einem mecklenburgischen Dorf. Die von der DEFA 1966 verfilmte Geschichte läuft heute digitalisiert auf dem Filmkunstfest in Schwerin.
In das fiktive Dorf Hinrichsfelde zieht eine neue Familie, der Junge Kaule trifft erstmals das Mädchen Karola.
Gehörst du dazu? I
Ich heiße Karola, Karola Hollnagel. Und du?
Kaule, ich gehe in die 5. Und Du?
Auch.
Dialog aus "Kaule"
Kaule kennt sich aus im Dorf. Während seine Mutter in der Stadt eine Landwirtschaftsschule besucht, lebt der Elfjährige bei seiner Tante, sein väterlicher Freund ist Vater Pietsch, der den Bullenstall leitet:
Hör dir an, wie sie brüllen
Die Bullen. Ich könnt ja aufpassen sozusagen.
Nein mein Junge, ich kann nicht weggehen und dir den Stall überlassen.
Brauchst mir nur zu sagen, wie ich es machen muss. Ich mach es so, wie du es anordnest.
Dialog aus "Kaule"
Kaule will von Beginn an Karola imponieren. Allerdings endet fast alles, was er gut meint, im Chaos. So auch, als er den Bullen Napoleon aus dem Stall ins Freie führt und das Tier wegrennt. "Bisschen Angst hat man vor so einem großen Tier. Aber der Tierpfleger, der immer mit bei war, der hat eben gezeigt, wie man das am besten macht und dann hat es geklappt", erinnert sich der heute 69-jährige Hartmut Schwerdtfeger, der damals den Kaule spielte.
Eine "künstliche" Szene mit dem Bullen
Auch seine Filmpartnerin Karin Geisler, damals noch Karin Asmus, weiß noch genau, wie es damals war, die Szene zu spielen: "Der Bulle wurde losgelassen und ich musste mich hinwerfen", erzählt sie. Ihr sei das damals irgendwie künstlich vorgekommen, auch weil da wie hingeworfen ein Stück Rasen lag. Außerdem habe sie die Szene unzählige Male wiederholen müssen. "Vielleicht bin ich nicht richtig hingefallen", erzählt sie.
Karin Geisler war damals eins von zwei Mädchen, die für die Rolle in der engeren Auswahl standen. "Ich weiß noch, welche Szene wir spielen mussten. Ich sollte nur ein Wort sagen. Da ging es wahrscheinlich mehr um die Mimik." Es sei eine Szene in der Klasse mit Kaule gewesen und sie mussten einzig und allein "Ja" sagen. "Und dieses eine Wörtchen Ja mit der Mimik war wohl besser als bei dem anderen Mädchen."
Für Kaule wurde Hartmut Schwerdtfeger blond
Als die Filmemacher um Regisseur Rainer Bär 1966 die Kinderdarsteller für den Film "Kaule" suchten, ging Karin in Neubrandenburg zu Schule, Hartmut in Neustrelitz. Warum er die Hauptrolle bekam, weiß er nicht mehr, offenbar überzeugte er mit seiner Art, trotz eines Mankos: "Einen Nachteil hatte ich, ich war nicht blond. Der Kaule ist ein blonder Junge und ich hatte dunkle Haare. Und die wurden bei den Dreharbeiten immer gefärbt."
Zudem musste Hartmut Schwerdtfeger vor allem bei den Szenen mit Vater Pietsch sehr genau aufpassen, denn der Schauspieler Kazimierz Opalinski war Pole und konnte kein Wort Deutsch. "Ich wusste immer das letzte Wort, was er sagte in der Szene, das habe ich auswendig gelernt. Und dann fing ich an mit meinem Text. Oder der Regisseur hat mir ein Zeichen gegeben. So wurde das bei den Dreharbeiten gemacht."
Ohne propagandistischen Zeigefinger
Sowohl Hartmut Schwerdtfeger als auch Karin Geister erinnern sich an aufregende und schöne Drehtage unter anderem in Feldberg, Sternberg und Warnow bei Bützow in den Sommerferien 1966. Im Mai des darauffolgenden Jahres erlebte der Film dann in Berlin seine Premiere. Was mit dem Abstand von mehr als 55 Jahren auffällt: "Kaule" kommt ohne propagandistischen Zeigefinger aus. Im Film treten keine Pioniere oder SED-Funktionäre auf. "Kaule", nach dem Kinderbuch von Alfred Wellm, zeigt einfach das dörfliche Leben mit Höhen und Tiefen aus der Sicht von Kindern in Mecklenburg der 60er-Jahre.
"Kaule" wird beim Filmkunstfest in Schwerin heute um 16.45 Uhr gezeigt. Dann wird auch der Hauptdarsteller Hartmut Schwerdtfeger erwartet.