Götz George war weit mehr als nur Schimanski
Der schnoddrige Tatort-Kommissar Horst Schimanski war seine bekannteste Rolle, doch Götz George konnte weit mehr und brillierte in zahlreichen Charakterrollen. Am 23. Juli 2023 wäre er 85 Jahre alt geworden.
Bereits in den 1960er-Jahren wurde Götz George in Karl-May-Verfilmungen bekannt, gegen Ende seiner Karriere brillierte er als Charakterdarsteller. Seine darstellerische Vielseitigkeit zeigte er tragischen Rollen wie zum Beispiel als Massenmörder Fritz Haarmann in "Der Totmacher". Aber auch das Komödiantische lag ihm, wie in den Satiren "Schtonk!" oder "Rossini - oder die mörderische Frage, wer mit wem schlief". George, der 2016 in Hamburg starb, erhielt zahlreiche Filmpreise und zwei Jahre vor seinem Tod das Bundesverdienstkreuz.
Götz George - Sohn berühmter Eltern
Der Beruf des Schauspielers wurde George quasi in die Wiege gelegt. Am 23. Juli 1938 wurde er in Berlin geboren. Beide Eltern waren bekannte Schauspieler: Heinrich George, berühmtester Film- und Theatermime im nationalsozialistischen Deutschland, und Berta Drews, eine bekannte Bühnenakteurin.
Die Lieblingsrolle des Vaters, Götz von Berlichingen, stand Pate für den Namen des Sohnes. Als Götz George sieben Jahre alt war, starb Heinrich George in russischer Gefangenschaft. Die Mutter erzog Götz und seinen älteren Bruder Jan allein. George wurde als strebsamer Schüler beschrieben, der in Berlin-Lichterfelde die Schule bis zur mittleren Reife besuchte.
Schon als Kind im Rampenlicht
Schon mit zwölf Jahren stand George erstmals auf einer Bühne: Im Berliner Hebbel-Theater spielte er die Rolle des Hirtenjungen in Saroyans "Mein Herz ist im Hochland". Mit knapp 14 war er 1951 bei der Wiedereröffnung des berühmten Schiller Theaters in "Wilhelm Tell" zu sehen.
Mit der Karriere ging es rasant weiter: 1953 übernahm George seine erste Filmrolle in "Wenn der weiße Flieder blüht" an der Seite von Romy Schneider, die in dem Streifen ebenfalls debütierte. George lernte den Beruf von der Pike auf, besuchte von 1955 bis 1958 in Berlin das UFA-Nachwuchsstudio. Im Schauspielunterricht ging er voll auf.
Im Anschluss an die Ausbildung übernahm er ein Engagement am Deutschen Theater Göttingen. Dort blieb er bis 1963. Seinen Durchbruch auf der Leinwand schaffte er als 21-Jähriger in "Jacqueline". In dem Film spielte er einen mittellosen Boxer und begeisterte Publikum wie Kritiker. George gewann für die Rolle seine erste große Auszeichnung - den Bundesfilmpreis als bester Nachwuchsdarsteller.
Kommissar Horst Schimanski mit Kultstatus
In den 1960er-Jahren erreichte George mit den eher seichteren Karl-May-Verfilmungen "Der Schatz im Silbersee" und "Unter Geiern" ein Millionenpublikum. Erst viel später durfte der Mime zeigen, was er wirklich kann - dazu gehört zweifelsohne seine Rolle als Horst Schimanski im "Tatort". Beige-grauer Parka, Cowboystiefel und Schnauzer wurden ebenso zu Markenzeichen wie seine raubeinige Art und die saloppe Umgangssprache. Schon in seinem ersten Satz in "Duisburg-Ruhrort" (1981) fällt das Wort "Scheiße".
Viele Fernsehzuschauer waren geschockt. Auch die Presse ließ kein gutes Haar an dem Mimen. Sie verlangte, den "Prügelkommissar" aus dem Programm zu werfen. Heute ist Schimmi Kult, in Duisburg gibt es eine Schimanski-Gasse, in der sogar eine Büste mit seinem Konterfei aufgestellt ist.
Zwei Filme, "Zahn um Zahn" und "Zabou", schafften es bis ins Kino. Mitte der 1990er-Jahre startete eine "Schimanski"-Reihe im Fernsehen. 2008 war George laut einer Emnid-Umfrage der beliebteste TV-Kommissar. Insgesamt verkörperte er den schnoddrigen Polizisten aus dem Ruhrgebiet 48 Mal - letztmals 2013, quasi als Geschenk seines Haussenders WDR zum 75. Geburtstag.
George überzeugte in ernsten und witzigen Rollen
Aber auch in anderen Produktionen, ob ernst oder komödiantisch, wusste der Darsteller zu überzeugen. Dazu gehörten Helmut Dietls bissige Satire "Schtonk!" über die gefälschten Hitler-Tagebücher aus dem Jahr 1992 oder Romuald Karmarkars "Der Totmacher" (1995). Darin verkörperte George den Jungenmörder Fritz Haarmann.
"Tragödie, Komödie, Kammerspiel, Klassiker, Thriller, Action – George hatte sämtliche Genres drauf und in jedes und in jede Rolle begab er sich mit Haut und Haaren." Pulizist Michael Hanfeld in einem Nachruf
In "Mein Vater" brillierte er 2003 als Alzheimer-Erkrankter und in einer seiner eindringlichsten Rollen wollte er als todkranker Staatsanwalt in Andreas Kleinerts "Nacht ohne Morgen" (2011) einen ungelösten Fall im Stricher-Milieu lösen.
"Ich habe mich nicht verbiegen lassen"
Kaum zu glauben, dass George im "Tagesspiegel" einst sagte, dass ihm trotz der Glaubhaftigkeit seines Spiels seine Rollen stets fremd waren, selbst die des Schimanski: "Bin ich jemals durch die Tür gesprungen, hab ich jemals einem anderen die Nase gebrochen? Nie!" Sein Anliegen war es, Dialogtext in natürlicher Alltagssprache ans Publikum zu bringen. Dabei verließ er sich meist auf sein Bauchgefühl.
"Ich muss die Figuren inhalieren, anders kann man es gar nicht sagen, ich inhaliere sie, ohne intellektuell darüber nachzudenken." Götz George über seine Rollen
Nicht selten wirkte der Schauspieler, der zweimal verheiratet war und eine Tochter hat, knorrig und sperrig. Er schien gerne zu polarisieren und gab freimütig zu, schwierig zu sein. "Darauf bestehe ich", sagte er in einmal einem Interview. "Ich bin immer einen recht gradlinigen Weg gegangen. Damit habe ich sicher auch immer wieder Menschen vor den Kopf gestoßen, aber ich habe mich nicht verbiegen lassen."
In seiner schwersten Rolle spielte er seinen Vater
Für seine Rollen bekam Götz George unzählige Preise - nationale wie internationale. Unter anderem erhielt 2004 den Goldenen Ochsen auf dem Filmkunstfest in Schwerin. Insgesamt spielte er in über 100 Film- und Fernsehproduktionen mit. In seinen letzten Jahren wurde es allerdings stiller um den Schauspieler. Er drehte nur noch ein bis zwei Filme pro Jahr - auch weil er sein Leben genießen wollte.
2012 drehte er eine seiner wohl schwersten Rollen ab. In dem Dokudrama "George" spielte er seinen Vater Heinrich George. Für die Dreharbeiten besuchte er den Ort, an dem dieser starb - das Lager Sachsenhausen. Dort sei ihm kotzübel geworden, beschrieb er diese Erfahrung dem "Spiegel". Der 115-minütige Film thematisierte in Interviews, Spielszenen und Originalaufnahmen die Vater-Sohn-Beziehung.
2014 Bundesverdienstkreuz, letzte Rolle im ARD-Krimi "Böse Wetter"
2014 wurde ihm für seine Verdienste um Film und Fernsehen in Deutschland sowie für sein soziales Engagement der höchste deutsche Orden, das Bundesverdienstkreuz, verliehen. Im selben Jahr erklärte er, er wolle sich nach 65 Arbeitsjahren weitestgehend aus dem Schauspielgeschäft zurückziehen. 2015 stand er dann zum letzten Mal vor der Kamera: Im ARD-Krimi-Drama "Böse Wetter" spielte er einen Bergbau-Baron - nicht im Ruhrgebiet, sondern im Harz.
George lebte in Berlin, auf Sardinien und in Hamburg. Am 19. Juni 2016 starb er in der Hansestadt im Alter von 77 Jahren nach kurzer schwerer Krankheit. Er wurde im engsten Kreis seiner Familie auf dem Friedhof Berlin-Zehlendorf nahe der Grabstelle seines Vaters beigesetzt.