Bundestag beschließt Filmförderungsgesetz - aber Probleme bleiben
Nach langem politischen Tauziehen wurde das neue Filmförderungsgesetz am Donnerstagabend beschlossen. Die deutsche Filmbranche atmet zwar auf - doch es ist nur ein Minimalkonsens, denn einige Probleme bleiben.
Ende des Jahres wäre das aktuelle Filmförderungsgesetz ausgelaufen - und durch die gescheiterte Ampel-Koalition drohte das Nachfolgegesetz zu scheitern. Damit stand die Finanzierung für viele deutsche Filmproduktionen plötzlich auf der Kippe. Jetzt wurde das neue Filmförderungsgesetz von Kulturstaatsministerin Claudia Roth mit den Stimmen von SPD, Grünen und FDP verabschiedet.
"Spätvorstellung" im Plenarsaal
Es ist 21:45 Uhr - statt in roten Kinosesseln sitzen die Abgeordneten auf ihren blauen Stühlen im Deutschen Bundestag. Die Reihen haben sich schon gelichtet. Doch diese Plenardebatte wird nochmal sehr spannend - oder wie Michael Sacher (Bündnis 90/Die Grünen) sagte: "Herzlich Willkommen in der Spätvorstellung! Es gab Spannung, Drama, Nervenkitzel und ein bisschen Wahnsinn - aber es gab auch Rettung in letzter Minute."
Nur welches "Dramen-Stück" gaben die Politiker da in den letzten Wochen zum Besten? Zur Abstimmung stand die Novelle zum Filmförderungsgesetz - und das quasi in letzter Minute. Denn das "alte" Gesetz läuft Ende des Jahres aus. Verbände wie die Gewerkschaft Verdi und die Produzentenallianz hatten vorab eindringlich an die politischen Parteien im Bundestag appelliert. Es gehe um 120.000 deutsche Arbeitsplätze in der Kreativwirtschaft, die auf dem Spiel stünden - wenn die Filmförderung des Bundes dieses Jahr ausgelaufen wäre.
Rahmenbedingungen für Talente und Kreativität
Auch Kulturstaatsministerin Claudia Roth (Bündnis 90/Die Grünen) hatte in der vorangegangenen Debatte nochmal leidenschaftlich für ihre Reform geworben: "Schaffen wir die Rahmenbedingungen für Talente und Kreativität. Rahmenbedingungen, die so gut sind, wie die Talente unseres Landes. Das heutige Gesetz macht die Filmförderung innovativer und schneller. Es macht sie gerechter und inklusiver."
Automatisierte Vergabe von Fördermitteln
Mit der Reform wird die Filmförderanstalt FFA künftig zur zentralen Einrichtung der Filmförderung des Bundes. Geplant ist eine automatisierte Vergabe der Fördermittel. Die SPD hält sich zugute, auch die Arbeitnehmerrechte mit dem Gesetz gestärkt zu haben. "Kreative Arbeit wird besser honoriert. Schauspielerinnen, Filmschaffende werden künftig unter besseren Bedingungen arbeiten. Dieses neue Filmförderungsgesetz erhebt zum ersten Mal den Anspruch, ArbeitnehmerInnenrechte zu regeln", lobt Michelle Müntefering (SPD) das Gesetz.
Filmabgabe verlängert
Für die Filmbranche ist besonders wichtig, dass die Erhebung einer Filmabgabe mit dem Gesetz verlängert wurde. Diese bezahlen Fernsehsender, Kinobetreiber und Streamingdienste. Sie wird als Förderung für neue Produktionen zurück investiert. Allein 2023 waren das 50 Millionen Euro. Die Finanzierung ist nun sicher - Matthias von Fintel von der Gewerkschaft Verdi ist vorerst zufrieden: "Es ist ein guter Tag für die Filmbranche. Das lässt sich so schon sagen. Das ist auch als Stimmung eigentlich bei allen Beteiligten zu spüren." Damit gebe es auch weniger Sorge um Arbeitsplätze bei der Produktion von Kinofilmen.
Mehr Planungssicherheit für Filmschaffende
Auf die Arbeit von Maite Woköck hat das Gesetz direkten Einfluss. Die Hamburger Filmproduzentin entwickelt Animationsfilme für den internationalen Markt. "Ich bin einfach sehr froh, dass das Filmförderungsgesetz jetzt beschlossen worden ist. Das heißt für die Produktionen im kommenden Jahr, dass mehr Sicherheit besteht. Wir haben jetzt eine Finanzierungssicherheit."
Die Union verweigerte dem Gesetz - anders als noch vor wenigen Wochen im Kulturausschuss - die Zustimmung. Die medienpolitische Sprecherin der CDU/CSU, Christiane Schenderlein, begründet das damit, dass im Kulturausschuss Änderungen vorgetragen worden seien. "Wir haben diesen Änderungen zugestimmt. Haben aber gesagt, das Eigentliche - 'der Große Wurf' - ist es eben nicht. Deswegen sagen wir auch, dass wir diesem nicht zustimmen."
Steueranreize und Investitionsverpflichtungen fehlen
Der "Große Wurf" ist tatsächlich ausgeblieben. Es fehlen die geplanten Steueranreize und sogenannte Investitionsverpflichtungen. Diese sind in Ländern wie Frankreich, Spanien oder Italien längst gang und gäbe. Sie zwingen zum Beispiel internationale Streamingdienste wie Netflix dazu, das Geld, das sie im Land erwirtschaften, auch dort zu reinvestieren. Ein dicker Wermutstropfen für die deutsche Filmindustrie, erklärt von Fintel: "Dass die anderen beiden notwendigen Gesetze noch nicht vorgelegt worden sind, das ist letztlich auch dieser Ampel anzukreiden. Beispielweise hätte auch das Steueranreiz-Modell schon längst vorliegen können, wenn es zwischenzeitlich keine Intervention aus dem Finanzministerium gegeben hätte."
Und das war bis vor kurzem noch FDP-besetzt. Auch jetzt musste die Novelle von Claudia Roth am Mittwoch im Kulturausschuss auf den letzten Metern nochmal umgeschrieben werden. Denn die FDP störte sich daran, dass man bei geförderten Filmproduktionen ökologische Standards einführen wollte und kritisierte den geplanten Diversitätsbeirat, der die Filmförderanstalt bei Fragen von Vielfalt, Geschlechtergerechtigkeit und Inklusion beraten sollte. Zuviel Bürokratie, betont Thomas Hacker (FDP): "Ein branchenzentriertes Fachgesetz ist unserer Meinung nach nicht der Ort, um wichtige gesellschaftspolitischen Themen zu verhandeln."
Erleichterung bei Filmproduzentin
Bei Praktikerinnen wie der Hamburger Filmproduzentin Woköck überwiegt hingegen die Erleichterung, dass die Filmförderung nächstes Jahr weiter gehen kann - auch ohne Diversitätsbeirat. "Sagen wir mal so, ich kann vorerst gut damit leben, dass es rausgenommen wurde, aber es erstaunt mich, dass wir darüber 2024 diskutieren müssen."
Wettbewerbsnachteile bleiben bestehen
Die Wettbewerbsnachteile für die deutsche Filmbranche im Vergleich zu anderen Ländern bleibt wohl erstmal bestehen, und die Debatte scheint im nächsten Jahr noch einmal in die Verlängerung zu gehen. Ob das für die Filmbranche ein wirklich guter "Cliffhanger" ist? Die Filmproduzenten Volker Schlöndorff und Detlev Buck, die die Debatte im Plenum von der Besuchertribüne aus beobachteten, schienen nicht überzeugt. Aber jetzt ist ja erstmal Weihnachten - oder wie Grünen-Politiker Sacher den Zuhörerinnen und Zuhörern am Schluss zurief: "… und jetzt bleibt mir nichts anders übrig, als Judy Garland aus 'Meet Me in St. Louis' zu zitieren: 'Have Yourself A Merry Little Christmas!'"