Nach Ampel-Aus: "Frau Roth, sind Sie überhaupt noch handlungsfähig?"
Mit dem Bruch der Ampelkoalition und dem gescheiterten Haushalt stehen auch viele Kulturprojekte auf der Kippe - etwa das noch nicht beschlossene Filmförderungsgesetz oder der Kulturpass. Wie geht es im nächsten Jahr für die Kultur weiter? Ein Gespräch mit der amtierenden Kulturstaatsministerin Claudia Roth (Grüne).
Frau Roth, was bedeuten das Ampel-Aus und der gescheiterte Haushalt für 2025 für die Kulturpolitik? Sind Sie überhaupt noch handlungsfähig?
Claudia Roth: Ja, ich bin handlungsfähig, wir sind handlungsfähig - aber not amused, um das mal freundlich auszudrücken, auf welche Art und Weise diese Regierung beendet worden ist, nach monatelanger strategischer Vorbereitung eines herbeigeführten Bruchs. Denn wir haben noch ganz viele entscheidende Projekte, die wir vorbereitet haben und die unbedingt umgesetzt werden müssen, wie zum Beispiel die Filmreform.
Die Novelle des Filmförderungsgesetzes ist ein Projekt von Ihnen, das auf der Kippe steht. Das ist ein Vorhaben, das im Koalitionsvertrag angekündigt war, und die aktuelle gesetzliche Grundlage läuft zum Jahreswechsel aus. Was also passiert da jetzt?
Roth: Wir waren schon in der ersten Lesung im Bundestag mit dem neuen Filmfördergesetz. Das ist ganz wichtig, weil es die Filmförderanstalt zur zentralen Fördereinrichtung des Bundes ausbauen wird, was die Filmförderung transparenter, effizienter und schneller machen wird. Alle wollen das - eigentlich will es auch die Opposition und vor allem will es die Branche. Jetzt ist es eine Frage des politischen Willens, ob wir es im Dezember noch auf die Tagesordnung des Deutschen Bundestages bekommen, um dann ab Januar neue Wege gehen zu können. Seit 20 Jahren ist da nicht wirklich viel passiert.
Sie sagen, dass es sich da über Jahre nichts getan hat. Jetzt haben Sie an der Novellierung auch drei Jahre lang gearbeitet - hat das auch zu lange gedauert?
Roth: Es hat sehr lange gedauert. Da gebe ich Ihnen recht. Aber es ist auch ein Riesenprojekt. Denn es geht auch darum, dass wir ein Steueranreizmodell einführen wollen, um überhaupt noch konkurrenzfähig zu sein mit Ländern wie Italien, wie Österreich, wie Spanien, wie Frankreich, wie Tschechien, wie Ungarn. Überall gibt es diese neuen Anreizmodelle, und die haben wir nicht. Das hat dazu geführt, dass kaum mehr Produktionen in Deutschland stattfinden, dass zum Beispiel auch "Im Westen nichts Neues", der Oscar-prämierte Film, nicht in Deutschland gedreht worden ist. Nicht weil Edward Berger das nicht will, sondern weil er sagt, dass die Bedingungen in anderen Ländern so viel besser sind.
In der letzten Sitzung des Kulturausschusses hat die Union dem Filmförderungsgesetz nicht zugestimmt. Christiane Schenderlein, die medienpolitische Sprecherin der CDU/CSU-Bundestagsfraktion hat gesagt, die Novelle sei alles andere als ein großer Wurf. Warum glauben Sie, dass die CDU/CSU noch mit ins Boot kommt?
Roth: Da würde ich Frau Schenderlein einfach mal empfehlen, mit Herrn Wüst zu sprechen, dem Ministerpräsident aus Nordrhein-Westfalen. Dann würde ich ihr empfehlen, mit der CSU in Bayern zu sprechen, wo sich der Staatskanzleichef bei den Filmfestspielen in München auf die Bühne gestellt hat und gesagt hat, das sei ein zentraler, wichtiger, großartiger Schritt, und man stehe an der Seite von Claudia Roth. Das passiert nicht so oft bei der CSU. Wir haben von 16 Ländern die Aufforderung schriftlich bekommen, diese Reform umzusetzen, und jetzt geht es um den politischen Willen.
Es gibt auch andere Projekte, die Ihnen äußerst wichtig gewesen sind, zum Beispiel der Kulturpass, mit dem 18-Jährige ein Guthaben von 200 Euro erhalten, das sie dann für Theater, Kinos, Museen oder Konzerte verwenden können. Was bedeutet dieser gescheiterte Haushalt '25 für die Finanzierung des Kulturpasses?
Roth: Das bedeutet erstmal nichts Gutes. Es ist nicht so, dass wir einen Haushaltsstopp hätten, aber ich kann Ihnen zum heutigen Zeitpunkt noch nicht sagen, auf welcher Basis wir eine vorläufige Haushaltsführung überhaupt durchführen können. Das entscheidet das Bundesfinanzministerium. Aber es ist so, dass wir politische Unterstützung brauchen - auch von einer neuen Regierung. Dass eine neue Regierung verstehen muss, dass dieser Kulturpass wahrscheinlich das innovativste Kulturförderinstrument ist, das wir haben. Es sind 850.000 Kinokarten über den Kulturpass durch die Kinokassen gegangen - also wirklich erfolgreich. Ich hoffe sehr, dass wird das mit einer neuen Regierung weiterführen können.
Das setzt natürlich voraus, dass es ein breites kulturelles Angebot gibt. In Berlin ist die Kultur gerade mit massiven Kürzungen im Landeshaushalt konfrontiert, und auch im Bund müssen Sie für den Haushalt '25 entsprechend Kürzungen im Kulturetat vornehmen, zum Beispiel in der freien Szene oder beim Bündnis internationaler Produktionshäuser. Wie sollen Akteure in der Kultur damit umgehen?
Roth: Ich möchte schon darauf bestehen, dass es ein Unterschied ist, wie wir die Haushaltslage gemeistert haben. Wir sind mit unserem BKM-Haushalt einigermaßen stabil. Im Regierungsentwurf war klar: Es wird den Fonds noch etwas draufgelegt und es wird den Produktionshäusern noch mehr gegeben werden können. Das ist jetzt leider nicht möglich - der FDP sei Dank. Dass sie dafür gesorgt haben, dass wir diesen Haushalt nicht abschließen konnten. Es ist also nicht so, dass da brachial rangegangen wird - und das ist in Berlin tatsächlich passiert: Das ist eine brachiale Kürzungsorgie, und da fallen ganz wichtige Bereiche weg.
Durch das vorzeitige Aus der Ampelkoalition endet auch ihre Amtszeit als Kulturstaatsministerin früher als geplant. Es ist sicherlich noch ein bisschen früh für eine Bilanz, aber worauf sind Sie besonders stolz? Was hätten Sie gerne noch umgesetzt?
Roth: Es geht ja noch eine ganze Weile. Wir haben noch einiges vor, und das ist noch lange nicht vorbei. Die Wahlen werden entscheiden, wie es weitergeht. Ob es mit eine Kultur für alle - und auch von allen - weitergeht. Wir sind raus aus den elitären Kulturzirkeln und haben Kultur breit aufgestellt, was extrem wichtig ist in einer vielfältigen, diversen Gesellschaft.
Das Gespräch führte Friederike Westerhaus.