"Die Unbeugsamen 2": Wie gleichberechtigt waren Frauen in der DDR?
Regisseur Torsten Körner spricht über seinen Kinofilm "Die Unbeugsamen 2", in dem deutlich wird, wie anstrengend es für viele Frauen in der DDR war, Arbeit und Familie unter einen Hut zu bekommen.
Schon der erste Teil von "Die Unbeugsamen" - ein Dokumentarfilm über Politikerinnen, die sich mühsam einen Platz in der Bonner Republik eroberten -, hat viele begeistert. Nun hat sich Torsten Körner aufgemacht, den Alltag der Frauen im "real existierenden Sozialismus" der DDR zu durchleuchten. Er montiert dokumentarisches Material aus der DDR und aktuelle Interviews mit zwölf sehr verschiedenen Frauen aus dem Osten, zum Beispiel mit der Schriftstellerin Katja Lange-Müller und der Schauspielerin Katrin Sass.
Herr Körner, in "Die Unbeugsamen" geht es um Politikerinnen, die es in der Bonner Republik nach oben geschafft haben. Hat man an Sie herangetragen, dass die Geschichte so noch nicht komplett ist? Oder ist die Idee, auch die DDR-Geschichte darzustellen, in Ihnen gewachsen?
Torsten Körner: Nein, die Idee, einen Film über Frauen aus dem Osten zu machen, war schon bei der Arbeit an den ersten Teil da, weil wir uns damals schon überlegt haben, dass es vielleicht ungerecht wäre, ein Gruppenporträt nur über Frauen im Westen zu entwerfen. Wir haben uns gefragt: Wo sind da die Frauen aus dem Osten? Als der erste Teil in die Kinos kam, kamen tatsächlich viele Frauen aus dem Osten nach der Kinovorführung zu mir und fragten: Wo ist denn der Beitrag über uns? Denen konnte ich dann sagen, dass wir schon dran arbeiten.
Wir leben in einer Zeit, wo auch gesagt wird: Herr Körner ist doch gar nicht in der DDR geboren. Wie sind Sie mit dem Thema umgegangen?
Körner: Ich finde grundsätzlich, dass Identitätspolitik wichtig ist, dass diese identitätspolitischen Debatten aber teilweise verheerende Ergebnisse erzeugen, indem man nämlich immer in engeren Grenzen denkt und fragt: Wer darf eigentlich was erzählen? Ich glaube, dass unsere Gesellschaften, die so komplex sind, auseinanderfliegen, wenn wir nicht alle alles erzählen und versuchen, uns auch in unsere Gegenüber hineinzuversetzen.
Familiär habe ich die Verbindung in den Osten dadurch, dass meine Mutter noch in der DDR geboren wurde, da auch aufgewachsen ist und 1960 über Berlin in den Westen gegangen ist. Wir haben in den 70er-Jahren häufig meine Großmutter in Leipzig besucht. Eigentlich komme ich aus einer Familie, die zerrissen war zwischen Ost und West, und hatte so etwas wie ein gesamtdeutsches Bewusstsein.
War das auch der Ausgangspunkt Ihrer Recherche?
Körner: Nicht unbedingt. Die Recherche war - wie alle anderen Recherchen auch -, dass ich mich sehr intensiv mit dem Thema beschäftigt habe. Ich habe ganz viele Historikerinnen oder Frauen aus der DDR gefragt: Wie fühlt sich das für dich an, wenn ich den Film mache? Was denkst du darüber? Ich habe schon versucht zu reflektieren, von welchem Standpunkt aus ich das erzähle.
Das Ganze beginnt mit einem großen Versprechen:
Der 27. September 1950 war eine Wende im Leben der deutschen Frauen. Ministerpräsident Otto Grotewohl verkündete vor der Volkskammer das Gesetz über ihre volle Gleichberechtigung im öffentlichen und privaten Leben. Filmszene
War das wirklich wahr? Ist das in der arbeitenden Bevölkerung bei den Frauen zu der Zeit schon so angekommen?
Körner: Das ist natürlich ein ungeheures Pathos in diesem Gleichheitsversprechen, das natürlich so nicht unmittelbar eingelöst worden ist. Jeder Kampf um Gleichberechtigung, gerade zwischen Mann und Frau, ist unendlich zäh und langsam.
Ihr Film wird auch angereichert mit Bildern, bei denen ich aus heutiger Sicht sage: So etwas sehe ich selten: Diese stolzen Baggerfahrerinnen, die heroisch inszeniert werden, die Ruß-verschmierten Metallarbeiterinnen - das war schon eine krasse Wirklichkeit, oder?
Körner: Der Film enthält wahnsinnig viel Archivmaterial, aber auch Fotomaterial, das den Arbeitsalltag von Arbeiterinnen in großen Industriebetrieben, in Kombinaten zeigt. Natürlich mussten wir darauf achten, ob das eine inszenierte Pose ist, die dem Staat gefällt, oder sind da Augenblicke von Wahrhaftigkeit und echtem gelebten Leben zu finden?
Wir haben uns immer für Bilder entschieden, wo wir sicher sein konnten, dass das ein individuelles Leben ist, das da durchscheint und das etwas über diese wirklich großen Kraftanstrengungen der Frauen erzählt. Sie mussten in der ersten Schicht arbeiten, acht Stunden lang, dann kamen sie nach Hause, arbeiteten in der zweiten Schicht, weil sie die Familie versorgen, die Einkäufe machen, die Wäsche machen, die Kohleneimer schleppen mussten. Und dann mussten sie sich oft weiterbilden, weil sie dazu angehalten wurden oder sich weiterbilden wollten. Die haben eigentlich permanent im Drei-Schicht-System gearbeitet und hatten deutlich weniger Freizeit in der DDR als die Männer.
Wie ist es mit den gläsernen Decken, mit der Möglichkeit des Aufstiegs in eine Spitzenposition - sei es in den Fabriken, aber auch in der Bildung, in der Politik?
Körner: Das ist auch ein großer Widerspruch, weil die Leitungsebene der meisten Betriebe überwiegend von Männern besetzt war. Von 104 großen volkseigenen Betrieben waren es vielleicht vier oder fünf, wo die oberste Position von einer Frau besetzt worden ist. In der Kommunalpolitik waren deutlich mehr Frauen im Osten Bürgermeisterinnen als im Westen. Andererseits waren das sehr kleine Gemeinden. Insgesamt waren Aufstiegsmöglichkeiten für Frauen zwar erwünscht, es wurde auch gefördert, aber es blieb die gläserne Decke da, und meistens haben sie die Spitzen nicht erreicht.
Wie hat sich die andere Realität als in der BRD auf die Proteste 1989 ausgewirkt?
Körner: Ich glaube, dass die Frauen in der Friedensbewegung eine wichtige Rolle gespielt haben. Sie haben sich auch 1989/90 stark Gehör verschafft. Andererseits ist vieles von diesen Anstrengungen verschüttgegangen, ist in diesem rasenden Transformationsprozess über Bord geworfen worden. Da sind auch viele Wünsche, Träume, Hoffnungen, wie man Gleichberechtigung besser und anders gestalten könnte, verloren gegangen. Auch das Selbstbewusstsein der Frauen, die ja immer gearbeitet hatten - 92 Prozent der Frauen in der DDR waren 1989 erwerbstätig -, dieser Stolz, der daraus erwachsen ist, wurde auch vielfach vergessen gemacht.
Freunde des gehobenen Schlagers, der gehobenen Unterhaltungsmusik kommen in Ihrem Film auf ihre Kosten. Welche Geschichten erzählen die Künstlerinnen in diesem Soundtrack?
Körner: Ich wollte gerne, dass die DDR ein bisschen anders klingt, als sie sonst oftmals klingt: Das sind oftmals Schüsse, Stiefel, Tritte, die übers Pflaster hallen; es klingt immer militärisch. Ich wollte, dass die DDR auch auf der Ebene modern klingt, weil sie es auf der Ebene auch war, weil es großartige Sängerinnen gab. Denken wir an Uschi Brüning, an Veronika Fischer, an Regina Dobberschütz. Ich habe versucht, in den Schlagern Texte zu finden, wo es um die Metaphorik des Hauses geht: Die DDR als Haus und Heimat, und ganz zum Ende des Films singt Veronika Fischer von den Wohnungen oder Häusern, die man verlassen muss. Das ist ein roter Faden, der sich durch den Film zieht.
Das Interview führte Mischa Kreiskott.