Der Autoren-Streik in Hollywood aus deutscher Perspektive
In Hollywood streiken seit Mai Drehbuchautorinnen und -autoren. Die Streikenden fordern Regeln für den Einsatz von Künstlicher Intelligenz und eine gerechtere Verteilung der Gewinne. Was sagt die deutsche Drehbuch-Branche?
Bahn-Streiks sind wir hierzulande gewohnt. Auch dass die Müllabfuhr mal nicht kommt oder die Kita geschlossen bleibt. Aber dass Autoren und Autorinnen sich weigern, Drehbücher zu schreiben - und Schauspieler und Schauspielerinnen, vor der Kamera zu stehen? Das gibt es nur in Hollywood. Seit dem 2. Mai sehen sich die Produktionsstudios nun schon mit einem Autorenstreik konfrontiert, der Serien- und Kino-Produktionen ins Stocken bringt.
Gegenwehr gegen die herrschenden Markt-Bedingungen
Produzent Schweiger hat mit der Erfolgskomödie "Keinohrhasen" Millionengewinne erzielt, an denen sich die Drehbuchautorin Anika Decker nicht angemessen beteiligt fühlt. Sie ist das prominenteste Beispiel einer deutschen Drehbuchautorin, die sich gegen die herrschenden Markt-Bedingungen wehrt - allein und vor Gericht. Alle zusammen, wie derzeit die schreibende Zunft in den USA, das ist noch schwer vorstellbar für deutsche Kollegen wie den Hamburger Lennard Eberlein. Aber Sympathien hegt er für die Streikenden.
"Ich sehe den Streik als sehr wichtig an - als essenziell, um ein bisschen Veränderung herbeizuführen. Ich bin auch beeindruckt von dem Mut der Kolleg*innen dort, dass sie das Risiko eingehen, möglicherweise auf Jobs zu verzichten. Ich finde auch die Forderungen sehr richtig, und ich glaube, dass eine Weiterentwicklung in diesen Zeiten nötig ist." Lennard Eberlein ist seit sechs Jahren als Drehbuchautor im Geschäft, hat gerade die RTL-Serie "Legend of Wacken" mit geschrieben. Um Millionen geht es bei ihm nicht - eher um die sichere Miete für die Zeit bis zum nächsten Projekt. Glücklich schätzen kann sich in diesem Beruf schon, wer nicht ständig mit Existenzsorgen zu kämpfen hat.
"Neues aus Büttenwarder"-Autor: Erfolgsbeteiligung für Urheber
"Ich profitiere sehr davon, dass ich keine Familie ernähren muss im Moment. Und dass ich in einer 8er-WG wohne und wenig Miete zahlen muss in Hamburg. Das senkt den Druck ein bisschen", erzählt Eberlein. Seit die Streaming-Dienste das Geschäft mitbestimmen, sind so genannte "Buy out"-Verträge Standard. Das heißt, mit einer Honorar-Summe ist alles abgegolten, auch Wiederholungen oder eben die Online-Dauerverfügbarkeit. Ob ein Inhalt tausend- oder millionenfach geklickt wird, ändert nichts. Lukrativere Zeiten kennt nur noch Lennards Vater, Norbert Eberlein, ebenfalls Drehbuchautor. Die NDR Kultserie "Neues aus Büttenwarder" - und damit viele wunderbar trockene Sprüche - gehen auf sein Konto.
"Als ich begann, war es Standard, dass es Wiederholungshonorare gab. Das heißt: eine Erfolgsbeteiligung für den Urheber dieser ganzen Projekte, die zum Teil mit Millionenaufwand gefilmt werden", berichtet Norbert Eberlein. "Das wurde dann im Laufe der Jahre mehr und mehr abgeschafft. Und bizarrerweise wird jetzt so viel wiederholt wie noch nie - nämlich in den Mediatheken rund um die Uhr! Das ist natürlich eine Entwicklung, mit der man als Autor nicht wirklich glücklich sein kann."
Deutscher Drehbuchverband: Kampf für faire Honorare, Sichtbarkeit und Wertschätzung
Wiederholungshonorare nämlich brauche man, um auch in schlechten Zeiten noch Einkünfte zu haben, erklärt Norbert Eberlein. Denn von den Film- und Serien-Ideen, die Autoren und Autorinnen mit viel Arbeitsaufwand entwickeln, werden am Ende nicht einmal die Hälfte umgesetzt: "Man muss oft genug mit den Misserfolgen umgehen und das auch verkraften, wenn die Absage kommt, und man hat eigentlich gedacht, man hat die nächsten Monate gut zu tun. Plötzlich heißt es: Stopp. Dann steht man da und hat nichts. So wie man am Misserfolg beteiligt ist, sollte man auch am Erfolg beteiligt sein", findet der Drehbuchautor.
So sieht das auch der Deutsche Drehbuchverband, der sich Anfang des Jahres neu formiert hat. Auf der Homepage steht es klar und deutlich: "Ohne Drehbuch kein Film und keine Serie. Keine Arbeitsplätze in der Filmbranche. Als Lobbyverband kämpfen wir für eine faire Honorargestaltung, für Rechtebeteiligung und angemessene Nachvergütung im Sinne des Urheberrechts. Wir kämpfen für die Sichtbarkeit und Wertschätzung unserer künstlerischen Arbeit, die Film und Serie überhaupt erst möglich macht."
Bedrohung durch Künstliche Intelligenz?
Der Verband mit seinen bisher 600 Mitgliedern hat natürlich lange nicht die Schlagkraft der amerikanischen Drehbuch-Gewerkschaft, der 20.000 angehören, weil Mitgliedschaft dort Pflicht ist. Aber immer mehr junge Autoren wie Lennard Eberlein glauben an Vernetzung. "Ich habe das Gefühl, dass durch Writers Rooms und diese Serien-Welle die Autor*innen schon ein bisschen mehr in den Vordergrund gerückt sind, auch gemerkt haben, was sie für eine Macht haben können", so Lennard Eberlein. "Gleichzeitig finde ich's irre wichtig, auch in den Verhandlungen stark aufzutreten, sich untereinander zu vernetzen, zu besprechen, sich auch zu vergleichen mit anderen - dass einfach mehr Gerechtigkeit entsteht."
Die Angst, schon bald von Künstlicher Intelligenz ersetzt zu werden, die beim Autorenstreik in den USA auch eine Rolle spielt, macht Lennard und Norbert Eberlein bisher nicht wirklich zu schaffen. "Als Autor muss man natürlich immer versuchen, das Äußerste, das Beste zu bieten. Und dieser Ehrgeiz wird jetzt letztlich durch Künstliche Intelligenz im positiven Sinne vielleicht nur angestachelt", sagt Norbert Eberlein.