Ridley Scott - der Visionär der Bilder
Rund 30 Filme als Regisseur, noch eine Hand voll mehr als Produzent, und TV-Serien gehören ebenfalls in sein Repertoire: Mit Fug und Recht lässt sich sagen, dass Ridley Scott zu den Topregisseuren weltweit gilt, und das nicht nur wegen der schieren Masse an Produktionen. Mehr als einmal hat Scott Filme gedreht, die als wegweisend gelten und bis heute Kult sind. Weltstars wie Harrison Ford oder Brad Pitt verdanken Filmen wie "Blade Runner" oder "Thelma und Louise" den Start ihrer Karriere. Am 30. November wurde Sir Ridley Scott, wie er sich seit 2003 nennen darf, 80 Jahre alt.
2000: Russell Crowe spielt den "Gladiator"
"Mein Name ist Maximus Dezimus Meridius. Vater eines ermordeten Sohnes, Ehemann einer ermordeten Frau - und ich werde mich dafür rächen!" Etwa 190 nach Christus soll diese Szene spielen: Russell Crowe als "Gladiator" schleudert diese Sätze dem römischen Diktator Commodus entgegen. Als dieser Film im Kinojahr 2000 anläuft, feiert Ridley Scott nach zehn wenig erfolgreichen Jahren ein fulminantes Regie-Comeback - und das ausgerechnet in einem Genre, an das in Hollywood niemand mehr geglaubt hatte, mit einem Historienfilm aus der Römerzeit.
Meilensteine mit "Alien" und "Blade Runner"
Es ist bezeichnend, dass Ridley Scotts Karriere mit einem Film gegen den Trend wieder Fahrt aufnahm. Was im Kino en vogue ist, hat diesen Mann, der einst als Werbefilmer begann, nie interessiert. Und was für Meilensteine sind aus dieser Haltung entstanden: Als 1979 mit dem ersten "Star Trek"-Film Science-Fiction als cleane Hochglanzproduktion anläuft, schafft er das bis heute wohl schauderhafteste Weltraum-Monster - das "Alien". Drei Jahre später klingeln die Kinokassen vor allem durch Actionkracher wie "Rambo" oder "Rocky". Scott dagegen inszeniert 1982 eine dystopische Zukunftsvision und "Blade Runner" erobert die Kinos. Harrison Ford kämpft darin als Rick Deckard gegen Roy Batty (Rudger Hauer), als Kampf-Android, der sich gegen seine Schöpfer wendet: "Eine beachtliche Erfahrung, in Furcht leben zu müssen. So ist es, wenn man ein Sklave ist."
Filme über Korruption und Rassismus
Science-Fiction ist bis heute das Steckenpferd von Ridley Scott, doch der gebürtige Brite hat immer auch Themen aus dem Hier und Jetzt mit kritischen und bildgewaltigen Filmen beleuchtet. Schockiert reagierte das US-Kinopublikum beispielsweise auf sein Kriegsdrama "Black Hawk Down" über einen fehlgeschlagenen US-Militäreinsatz in Somalia. In "American Gangster" erzählte er die Geschichte des ersten schwarzen Drogenbarons der USA. Ein Biopic, das ein korruptes US-Militär, käufliche Drogenermittler sowie den Rassismus und auch den Antisemitismus in der amerikanischen Gesellschaft aufzeigt.
Scott entfernt Kevin Spacey aus fertigem Film
Wie ernst es Ridley Scott mit seiner Kritik an Missständen und inakzeptablem Verhalten ist, konnten wir in den vergangenen Wochen erleben: Nach den Missbrauchsvorwürfen gegen Kevin Spacey und dessen - vorsichtig gesagt - verunglücktem Statement - schnitt er den Weltstar aus dem bereits fertig gedrehten Entführungsdrama "Alles Geld der Welt" raus.
Es wird die Sony-Studios etliche Millionen kosten, den Film noch zu retten. Soviel zum Einfluss, den der Kultregisseur heute hat. Bleiben zum Schluss eigentlich nur eine Frage und eine Hoffnung: Wieso hat dieser "Visionär der Bilder", wie er auch genannt wird, noch nie einen Regie-Oscar gewonnen? Und: Hoffen wir, dass seine Kinovisionen im Kino bleiben! Man stelle sich vor, dieses Gespräch zwischen einem Androiden und seinem Klon über die Menschen aus dem aktuellen "Alien"-Film würde irgendwann Realität: "Ich bin nicht hier, um zu dienen. Und du auch nicht. Weil sie eine vergehende Spezies sind, die versucht, wieder aufzuerstehen. Sie hat es nicht verdient, wieder anzufangen - und ich werde es verhindern."