Das Gespräch
Donnerstag, 03. Oktober 2024, 15:00 bis
15:30 Uhr
Ilko-Sascha Kowalczuk ist einer der führenden Historiker der ostdeutschen Geschichte. In seiner "anderen Geschichte Ostdeutschlands von 1989 bis heute" rechnet er zum 34. Jahrestag der Deutschen Einheit gnadenlos mit der Friedlichen Revolution und ihren Folgen ab. Dabei macht er weniger den verantwortlichen Politikern jener Zeit einen Vorwurf als vielmehr seinen Landsleuten, die falschen Illusionen aufgesessen seien.
Denn, so Kowalczuks Argumentation: "Die D-Mark ist eben nicht eingeführt worden, indem auf den Marktplätzen das Geld ausgekippt wurde". Vielmehr sei auf Drängen der Straße in rasendem Tempo das Rechts-, Wirtschafts- und Personalsystem der Bundesrepublik in der DDR eingeführt und "ganz viel entwertet worden. Die Kultur des Zusammenlebens, die Kultur des Miteinanderumgehens, die Kultur des Arbeitslebens, alles veränderte sich. Und das war für Viele ein Schock".
Aus diesen Enttäuschungen baute sich Anfang der 2000er Jahre, so Kowalczuk, allmählich "so ein Frust auf. In so einer Situation ist es für diejenigen, die wütend sind und protestieren wollen, leider sehr hilfreich, wenn man Feindbilder präsentiert bekommt. In einer Situation mit hochkomplexen Fragen neigen viele Menschen dazu, besonders einfache Antworten anzunehmen". So sei die Stärke von AfD und BSW im Osten zu erklären.
Ilko-Sascha Kowalczuks Buch "Freiheitsschock" scheint einen Nerv zu treffen: Es steht kurz nach Erscheinen in der SPIEGEL-Bestsellerliste bereits auf Platz 4. Was ist dran an Kowalczuks These? Jürgen Deppe hat zum Tag der Deutschen Einheit mit ihm darüber gesprochen.