Romantik versus Klassik: Caspar-David-Friedrich-Stück in MV
Zwei Vertreter verschiedener Kunstepochen kriegen sich in die Haare: Im Pommerschen Landesmuseum in Greifswald hat die szenische Lesung "Wanderers Nachtlied" Premiere gefeiert - ein Beitrag zum Jubiläumsjahr für Caspar David Friedrich.
Greifswalds große Überschrift in diesem Jahr lautet "Caspar David Friedrich". Die Stadt, in der der Maler vor 250 Jahren geboren wurde, richtet ihm ein ganzes Jubiläumsjahr aus. Fast täglich gibt es dazu irgendeinen Termin, eine Eröffnung, eine Premiere, Veranstaltungen, die sich durch das Jahr ziehen - nun auch die Premiere von "Wanderers Nachtlied".
Caspar David Friedrich und Caroline Bardua treffen aufeinander
Es ist das Jahr vor seinem Tod. 1839. Caspar David Friedrich bekommt Besuch von Caroline Bardua, eine Saloniere und Malerin, die vorschlägt, ihn zu porträtieren. Und ihn zu einem Auftrag überreden will. Der Schauspieler Markus Voigt steht als Caspar David Friedrich auf der Bühne und hält einen Mantel bereit:
Line, Frau Bardua will gehen.
Nein, das will sie nicht. Ich habe Ihnen noch nicht alles gesagt.
Mir reicht's.
Jetzt hören Sie doch mal zu. Cotta würde sehr gut bezahlen, Sie kämen wieder zu Geld.
Szene
Um dem Maler, den die Welt vergessen hat, und seiner Familie zu helfen, hatte Caroline Bardua, gespielt von Elke Zeh, versucht ihn zu überreden, den 2. Teil von Goethes Faust zu illustrieren. Und so schnell gibt eine Caroline Bardua nicht auf: "Sie sitzen hier und tuschen Ihre Sepien mit Gräbern und Eulen. Sie schikanieren Ihre Frau und bemitleiden sich, weil keiner Ihre Bilder kauft. Aber wenn Sie dieses Werk illustrieren, dann wird Ihr Name wieder in aller Munde sein", lässt sie im Stück verlauten. Die Begegnung ist überliefert. Auch die Briefe von Bardua an Freunde, dass es Caspar David Friedrich schlecht gehe - gesundheitlich und finanziell. Auch das Porträt gibt es. Caroline Bardua verehrte Caspar David Friedrich sehr.
"Wanderers Nachtlied": Eine szenische Lesung
Um jemanden porträtieren zu können, muss man den inneren Menschen kennen.
Dann helfen Sie mir, erzählen Sie mir etwas von sich.
Szene
Die Bardua packt ihr Zeichenzeug aus.
Und er beginnt zu erzählen:
Na schön, aber was kann ich Ihnen erzählen
Das Leben des Malers ist das Elendste von der Welt.
Das wissen Sie doch, man pinselt sich die Seele aus dem Leib dann steht das Publikum vor den Bildern und macht blöde Bemerkungen.
Szene
Aufgeführt wird "Wanderers Nachtlied" als szenische Lesung im Lichthof des Pommerschen Landesmuseums. Es ist der Beitrag des Theaters Vorpommern zum Jubiläumsjahr für Caspar David Friedrich. Die beiden Schauspieler haben Texthefte in der Hand, spielen aber einige Szenen frei. Projektionen auf die Bühnenrückwand illustrieren, worüber sie reden.
Jedes gute Bild braucht zuerst eine geometrische Grundform.
Die Komposition?
Nein, ich meine wirklich die Geometrie.
Mit Dreieck und Reißschiene?
Machen Sie sich nur lustig über mich. Die eine Hälfte des Malens besteht in der Liebe zur Geometrie. Die andere Hälfte darin, dass sie verschwindet.
Szene
Viele Fakten, wenig Dramatik: Ein Stück wie ein Sachbuch
Dabei wedelt der Maler die Hand in der Luft hin und her und Farbe wischt sich über eine Konstruktion aus Kurven und Linien. Das Bild "Kreidefelssen auf Rügen" erscheint wie von Zauberhand auf der Leinwand - oder das Bild "Frau am Fenster". Friedrich hatte seine Frau Caroline vor dem Fenster stehend gemalt.
Sie haben einen herrlichen Ausblick.
Das war der einzige Luxus, den ich mir geleistet habe: Der freie Blick auf die Elbe.
Line, kannst Du mal bitte.
Szene
Und schon ist sie weg. "Wanderers Nachtlied" ist ein Theaterstück mit vielen Daten und Fakten und Wissen - vollgepackt mit Inhalten, aber wenig Dramatik. Deshalb war es klug, das Stück als szenische Lesung uraufzuführen. Es ist mehr ein Sachbuch, das man zweimal lesen müsste, um darauf zu kommen, dass sich hier zwei Vertreter verschiedener Kunstepochen in die Haare kriegen.
Ohne Goethe wäre ich niemals eine Malerin geworden, die von ihrer Arbeit leben kann.
Ohne ihn und seine Kunstmeier.
Ja, Professor Meier war auch sehr hilfreich. Er sprach immer gut von Ihnen.
Da muss er mich mit jemandem verwechselt haben.
Wahrscheinlich war er schon senil.
Goethe übrigens auch.
Goethe war senil?
Goethe hätte gern Ihre Wolkenbilder für seinen Atlas gehabt.
Das hätte ihm so gepasst, ich male Wölkchen für seinen Atlas, in dem er Gottes Himmel in einen Katalog legt.
Szene
Kluge Unterhaltung zweier streitbarer Geister
Klassik mit Goethe als wichtigstem Vertreter steht für das Erhabene, das die Natur überwindet - den aufklärerischen Geist, dem nach oben Strebenden, der Wissenschaft. Die Romantiker, für deren Bildwelt hauptsächlich Caspar David Friedrich steht, loten abgrundtiefe Innenwelten aus. Der Maler Caspar David Friedrich hatte sich mit Johann Wolfgang von Goethe überworfen, weil der Maler anders als der Schriftsteller in Wolken keine Wetterphänomene sehen wollte. In dem Stück hört er auch nach dessen Tod nicht auf, sich über den berühmten Dichter aus Weimar lustig zu machen.
Alles Theater.
Ach, das Theater auch überflüssig?
Ich brauche kein Theater. Ja, die guten Theaterstücke brauchen auch keines. Kleist hat mir mal gesagt, ich schreibe für ein unsichtbares Theater.
Szene
Das Stück "Wanderers Nachtlied" ist kein Theaterstück im klassischen Sinne, insofern auch so etwas wie unsichtbares Theater. Es ist eine kluge Unterhaltung zweier streitbarer Geister - und hat zum 250. Geburtstag, ob er es wollte oder nicht, nun auch Caspar David Friedrich auf die Bühne gebracht.
Romantik versus Klassik: Caspar-David-Friedrich-Stück in MV
In Greifswald, der Geburtsstadt von Caspar David Friedrich, hat die szenische Lesung "Wanderers Nachtlied" Premiere gefeiert.
- Datum:
- Ende:
- Ort:
-
Pommersches Landesmuseum
Rakower Straße 9
17489 Greifswald
- Kartenverkauf:
- https://www.theater-vorpommern.de/de/karten/