Deutschsprachige Erstaufführung: "Anna" überrascht in Neubrandenburg
"Anna” feiert im Schauspielhaus Neubrandenburg seine deutschsprachige Erstaufführung. Diese Inszenierung stellt besondere Herausforderungen - besonders für den Klang. Ein Ortsbesuch.
Auf jedem der mit Samtstoff bezogenen Sitzplätze im Schauspielhaus Neubrandenburg liegt ein Paar Kopfhörer. Sie sind die notwendige, technische Verbindung zwischen dem Publikum und den Protagonisten des Schauspiels "Anna". Die Inszenierung ist multimedial - denn die dem Zuschauerraum zugewandte Seite der Bühne, die sogenannte vierte Wand, ist mit einer durchsichtigen Plexiglasscheibe abgedichtet. Kein Wort dringt so in den Saal.
Herausforderung für den Sounddesigner
"Wir transportieren die Zuschauer in die Wohnung selbst", erklärt Daniel Wolff, der Sounddesigner und leitender Tontechniker bei der Theater- und Orchestergesellschaft Neubrandenburg/Neustrelitz. "Die Zuschauer erleben das Stück hautnah in der Wohnung mit. Das Besondere daran ist, dass es zum Beispiel Szenen in anderen Räumen gibt, die nicht gesehen, aber gehört werden. Entsprechend gibt es aber auch Szenen, wo gesehen und nicht gehört wird."
Wolff ist dafür verantwortlich, dass das Publikum genau das hört, was es hören soll. Das Stück war nicht nur für ihn eine Herausforderung, sagt er: "Tatsächlich hören die Schauspielerinnen und Schauspieler das nicht in dieser geschlossenen Wohnung und bekommen von draußen kaum bis gar nichts mit, das ist natürlich eine gewaltige Umstellung. Immer wenn jemand in einer Szene nicht dran war, haben wir die Schauspielerinnen und Schauspieler ermutigt, sich selbst Kopfhörer der Probe aufzusetzen und zuzuhören."
Publikum nimmt Haltung eines Voyeurs ein
Zum Stück: Es ist 1968. Ostberlin. Gemeinsam mit seiner Frau Anna sowie ihren Freundinnen und Freunden feiert Hans in der gemeinsamen Wohnung seine Beförderung. Doch einer ihrer Gäste kommt unerwartet. Für Anna ein Schock. Ihre Vergangenheit holt sie ein - und mit ihr die Lügen von einst.
Während des Stücks nimmt das Publikum die Haltung eines Voyeurs ein. Jemand, der am Fenster steht und die Party im Wohnhaus auf der anderen Straßenseite beobachtet. Die durch das Plexiglas erzwungene Distanz wird gebrochen durch die Intimität, in die das Publikum durch das Headset hineingezogen wird. Ausgewählte Wortfetzen und Geräusche dringen in die Ohren. Im Fokus steht dabei immer die Hauptfigur: Anna. "Das Ganze bedingt natürlich mit einem extremen Realismus in der Herangehensweise", meint Sounddesigner Daniel Wolff. "Entsprechend habe ich mir Gedanken gemacht: Wie klingt zum Beispiel eine Küche? Da gibt es Geräte, wie einen Kühlschrank, der ein Brummen von sich gibt. All solche Kleinigkeiten müssen berücksichtigt werden."
Verschiedene Klänge und Atmosphären erzeugen
Bei der Konzeption hat Wolff darauf geachtet, das Publikum nicht mit unnötigen Geräuschen zu überladen. Die Balance zwischen wichtigen Sounds, die helfen, das Geschehen in anderen Räumen einzuordnen, und Unwichtigem, was von der eigentlichen Geschichte ablenkt. Hierfür hat er mit verschiedenen Klängen und Atmosphären experimentiert, erklärt er: "Die schwierigste Arbeit in dem Stück war tatsächlich, Schauspielerinnen und Schauspieler dazu zu bringen, etwas zu sagen und zwar nicht so zu sprechen, wie sie es in der Ausbildung gelernt haben, sondern wirklich intim und privat. Denn nur dann funktioniert das Prinzip."
Das Prinzip des Von-außen-Hineinschauens, des Eindringens in die Privatsphäre anderer. Denn ist es nicht genau das, was uns Menschen am meisten fasziniert: die Lügen und die Ängste anderer?
Deutschsprachige Erstaufführung: "Anna" überrascht in Neubrandenburg
Das multimediale Schauspiel von Ella Hickson stellt ganz besondere Herausforderungen an Macher, Schauspieler und Publikum.
- Art:
- Bühne
- Datum:
- Ort:
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Schauspielhaus Neubrandenburg
Pfaffenstraße 18-22
17033 Neubrandenburg
Schlagwörter zu diesem Artikel
Theater
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