Packende Premiere von "Wolf unter Wölfen" am Hamburger Thalia
Am Hamburger Thalia Theater haben mit der Premiere von "Wolf unter Wölfen" die Internationalen Lessingtage begonnen. Eine großartige Aufführung, in der sich gesellschaftliche Themen widerspiegeln.
Es ist eine Inszenierung von Luk Perceval nach dem Roman von Hans Fallada. Der belgische Regisseur hatte an der Bühne bereits vor einigen Jahren mit einem anderen Fallada-Roman einen großen Erfolg: "Jeder stirbt für sich allein". Musik, Bilder, Sprache - alles fließt in der Premiere von "Wolf unter Wölfen" zusammen. Dieser Abend ist ein Gesamtkunstwerk: poetisch, düster, manchmal grotesk. Unermüdlich kreist die Drehbühne, zieht auch Wolfgang Pagel seine Kreise, denn, so sein Credo: Man muss marschieren, um sich zu begegnen. Im Sommer 1923 will er in Berlin seine Petra heiraten, doch in der Nacht vor der Hochzeit verliert er beim Glücksspiel alles.
Geniales Bühnenbild von Annette Kurz
Fünf übermenschlich große Bälle symbolisieren die Roulette-Kugeln, sind Gegner und Spielzeug zugleich. Eine geniale Idee. Als Pagel kein Geld mehr hat, verschwinden sie. Nur eine steigt hoch in den Bühnenhimmel und ist fortan ein Mond. Der leuchtet über dem Wald, der jetzt entsteht. Denn Pagel zieht mit einem früheren Kriegskameraden und seinem ehemaligen Vorgesetzten Rittmeister von Prackwitz auf dessen Gut. Das liegt am Wald, der hier von Pagel eigenhändig aufgebaut wird: Bambusstange um Bambusstange. Auch das großartig ersonnen von Bühnenbildnerin Annette Kurz.
Publikum sieht Bezüge zu aktuellen gesellschaftlichen Themen
Doch im Grunde herrscht auf dem Gut das nackte Chaos. Es fehlen Arbeitskräfte, täglich verliert das Geld an Wert, die Inflation ist gespenstisch hoch, die Familiensituation angespannt. Und im Wald vergräbt die schwarze Reichswehr Waffen: Sie will die Regierung stürzen. Auch von Prackwitz will mitmachen.
Ein Mann aus dem Publikum sieht Bezüge zu aktuellen gesellschaftlichen Themen: "Mein erster Eindruck ist heute Abend, dass ich es so empfinde, wie ich unsere Gesellschaft und die Welt im Moment empfinde: dass wir im Zerfall begriffen sind und wenn wir nicht aufpassen, dann endet das nicht gut." Eine andere Zuschauerin sagt: "Zum Teil beängstigende Parallelen zur heutigen Zeit. Das fand ich sehr, sehr stark."
Man muss sich einlassen - nicht alles erschließt sich gleich
Philipp Haagen und Rainer Süßmilch übersetzen das Geschehen virtuos in Klänge, und Regisseur Luk Perceval schiebt alles in- und übereinander. Er schafft aus den verschiedenen Elementen eine bild- und wirkmächtige Collage, auf die man sich einlassen muss. Eine Zuschauerin resümiert: "Eigentlich müsste man das Buch nochmal lesen, um die Tiefsinnigkeit darin zu verstehen. Ich habe es vorher nicht gekannt, deswegen war es für mich teilweise schwer nachzuverfolgen."
Großartige Darstellung des "Pagel" von Sebastian Zimmler
Aber viel überträgt sich über den Klang, die Bilder, die von Nebel durchzogen immer undurchsichtiger werden und zunehmend an Gemälde erinnern.
Die erst fünfzehnjährige Vio von Prackwitz verliebt sich heftig und wird brutal enttäuscht. Die Welt steht am Abgrund, die Menschen geraten reihenweise ins Taumeln, doch Pagel glaubt weiter an die Liebe. Sebastian Zimmler schenkt der Figur Verletzlichkeit und Melancholie, auch eine gewisse Härte. Das ist großartig.
Packende Premiere von "Wolf unter Wölfen" am Hamburger Thalia
Am Hamburger Thalia Theater haben die Internationalen Lessingtage begonnen. Der Auftakt spiegelt gesellschaftliche Themen.
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Thalia Theater
Alstertor
20095 Hamburg