Dörte Hansens "Der Apfelgarten" im Thalia Theater: "Moin, moin!"
Für die Produktion am Hamburger Thalia Theater hat Bestsellerautorin Dörte Hansen Anton Tschechows Komödie "Der Kirschgarten" ins Alte Land verlegt. Das liefert nicht viel Neues, dafür Klischees aus Norddeutschland am laufenden Band. Am Freitag war Premiere.
Am Ende ist Torben Grabowski am Ziel. Der Geschäftsmann hat den alten Hof und seinen Apfelgarten ersteigert - den Hof, wo er und seine Vorväter als einfache Landarbeiter gerackert haben. Jetzt haben sich die Verhältnisse gedreht. Die alten Besitzer, die nie ein Auge für ihn hatten, müssen gehen - aus, vorbei. Er ist der neue Herr. Und kündigt an: "Ich werde Tiny Häuser bauen und hier neues Leben sähen!"
Strahlend-weltfremde Berlin-Pflanze kommt ins Alte Land
Am Anfang des Stücks kommt Astrid von Holt - Maja Schöne spielt sie als strahlend-weltfremde Berlin-Pflanze, die in ihrer Kultur-Bubble in Charlottenburg lebt - nach Jahren, komplett verschuldet, an ihren Kindheitsort mit dem schönen Apfelgarten zurück. Sie verdrängt, dass der Hof ihr nicht mehr gehört, sondern der Bank. Währenddessen seufzt ihre Mutter, die alte Beke von Holt, gespielt von Gabriela Maria Schmeide in Altländer Tracht, der Vergangenheit hinterher.
Hochgebildet und hochverschuldet trifft auf Kultur-Banause, aber mit Kohle: Das ist der oberflächliche Plot des Dramas von Anton Tschechow. In der Version von Dörte Hansen und Regisseur Antú Romero Nunes heißen die Figuren schön norddeutsch Inken, Wiebke und Bert. Außerdem ist hier, im Alten Land, der Hund begraben. Höchstens Dorfmucke gibt es und, klar, den norddeutschen Herzschmerz-Song überhaupt, natürlich ironisch gebrochen: "Dat du min Leevsten büst".
Tschechows doppelbödiges Drama wird zum niedlichen Nostalgie-Mix
"Der Kirschgarten" von Anton Tschechow ist eigentlich ein doppelbödiges Drama vom Ende einer Ära und dem Neuen, das noch keine Form hat. Ein Übergangsstück, fast zu gut passend zur letzten Spielzeit von Thalia-Intendant Joachim Lux. Hier wird das Stück zum niedlichen Nostalgie-Mix.
Die kulturaffinen und feierlustigen Berliner, Stichwort: arm aber sexy, schauen auf die Neureichen herab. Bei aller witzigen Figurenzeichnung hat dieser Theaterabend auch nicht viel mehr zu erzählen. Mit viel Tempo, mit Lust am Überdrehen wird das Trauerspiel von Arm und Reich oberflächlich durchdekliniert. Alle fiebern auf die schicksalhafte Auktion hin, alle sind unglücklich - die einen mit Geschmack, die anderen ohne.
Was will Regisseur Antú Romero Nunes mit dem Abend sagen?
Thomas Niehaus als Torben Grabowski spielt den Emporkömmling schön verschraubt und fast peinlich kriecherisch in Wachsjacke und Wildleder-Slippern mit Bommeln. Das hat Witz. Nur: Was will der Regisseur uns mit dem Abend sagen? Dass wir alle in einer Blase leben, die wir endlich verlassen sollten?
Die Geschichte aus dem alten Russland ins sehr heutige Alte Land vor Hamburgs Toren zu verlegen, bringt leider überhaupt nichts Neues - außer Norddeutschland-Klischees am laufenden Band. "Das war so platt. Tut mir leid, ich finde, das war fast ‘ne Klamotte", sagt dann auch ein Zuschauer beim Rausgehen.
Leider keine Geschichte von heute
Der Hof von Astrid von Holt wird hier in einem eher rustikalen Bühnenbild gezeigt, mit himmelblauen Zimmerwänden und altem Eichenschrank. Hinten geht der Blick auf blühende Apfelbäume plus Windmühle und es schneit Blütenblätter. Irgendwann kommt ein bedrohliches Geräusch, der sorgfältig gemalte Bühnenhimmel färbt sich rot. Aber richtig tiefgründig-poetisch wird das Stück trotzdem nicht, obwohl genau darin sein Geheimnis, seine Kraft steckt. Am Ende werden die Apfelbäume gefällt. Dieser Kahlschlag ist leider keine Geschichte von heute.
Dörte Hansens "Der Apfelgarten" im Thalia Theater: "Moin, moin!"
Die Verlegung von Anton Tschechows "Kirschgarten" ins Alte Land liefert nicht viel Neues, dafür Klischees aus Norddeutschland am laufenden Band.
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Thalia Theater
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