"Sonne/Luft": Elfriede Jelineks Weltuntergang läuft ins Leere
Das neue Stück der Literaturnobelpreisträgerin Elfriede Jelinek feierte am 8. November im Thalia in der Gaußstraße Premiere. "Sonne/Luft" heißt es und kreist thematisch um die Sonne und um die Erde, die am Ende ist. Eine Apokalypse auf Ansage?
Im Thalia in der Gaußstraße steppt der Bär auf der Bühne. Genauer gesagt sind es fünf quietschbunte Eisbären:
Oh, meine Bären, früher waren sie weiß, jetzt fressen sie immer so viel Plastik und schauen schon aus wie Smarties. Zitat aus dem Stück
"Apokalypse Now": Elfriede Jelinek, die Prophetin des Untergangs, hat wieder einmal geklagt, gesungen, gebrabbelt. Ihre Stücke, die gar keine Handlung haben, sind ja Textwasserfälle, die man erst mal bändigen muss. Dieses Stück hier will Klimawandel, Konsum, Tourismus, schmelzende Polkappen erzählen. Nur leider funktioniert das nicht richtig.
Kalendersprüche und müde Gags in "Sonne/Luft" von Elfriede Jelinek
Die Welt ist nach zwei Stunden am Ende. Die Bühne gefüllt mit Plastikmüll, in der Mitte eine löchrige Haus-Attrappe. Dabei hatte alles so sonnig und strahlend begonnen.
Ich bin es, die Sonne. Tönt nach alter Weise, in Brudersphären Wettgesang. Zitat aus dem Stück
Drei Frauen, in pinken, zuckergussartigen Gewändern, stehen nebeneinander und lächeln gierig ein kleines Himbeertörtchen an, das vor ihnen auf dem Boden steht. Die drei verkörpern Sonne, Mond und Luft. Das Törtchen vor ihnen ist die Erde, dem Untergang geweiht. Im Mittelpunkt Barbara Nüsse als Sonne. "Man könnte ins Schwärmen kommen," findet eine Zuschauerin - nur leider klingen Elfriede Jelineks Texte hier mühsam, belehrend, sie wiederholen sich, sind Kalendersprüche und müde Gags.
Das Thalia-Ensemble kommt nicht in die Gänge
Nach typischen Wörter-Girlanden dreht Regisseurin Charlotte Sprenger gerne die Musik auf, sie überlädt die Jelinek-Texte mit bunten Einfällen, Kostümteilen und relativ sinnfreien Bühnenbildwechseln. Über allem schwebt ein Riesen-Törtchen. Das Ensemble kommt nicht in die Gänge, alles wirkt zugekleistert - Rhythmus oder Textmelodie: Fehlanzeige. "Vom szenischen Spiel hätte ich mir mehr Stringenz gewünscht und mehr Action," meint eine andere Zuschauerin.
Im zweiten Teil tauchen drei Rennradfahrer mit Helmen und in hautenger beiger Nylonkleidung auf. Sonnengebräunt radeln sie im Kreis. Es sind etwas tumbe Herren, die sich gemeinsam über die frische Luft freuen.
Weißte was, eigentlich möchte ich mich gar nicht mit der Luft beschäftigen. Sie soll einfach da sein und: Aus. Szene aus dem Stück
Dieser Männerchor um Tilo Werner ist witzig und gibt sich redlich Mühe, besonders bekloppt in die Luft zu schauen. Man begreift sehr schnell, das hier ist der typisch westliche Mann und Konsument, blind für Klima und Natur. Aber auch die drei kippen ins Macho-Klischee. Und so verhaspelt sich die Regie. Wenn ihr nichts mehr einfällt, greift sie zu einem Song, einem Tänzchen, oder alle spielen: "Wald". Dieser kunterbunte Jelineksche Weltuntergang läuft leider ins Leere. Eine neue Idee bekommt man hier nicht.
Das Thalia Theater ist Kulturpartner von NDR Kultur.
"Sonne/Luft": Elfriede Jelineks Weltuntergang läuft ins Leere
Das neue Stück der Literaturnobelpreisträgerin Elfriede Jelinek feierte am Mittwoch im Thalia in der Gaußstraße Premiere.
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- Bühne
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-
Thalia in der Gaußstraße
Gaußstraße 190
22765 Hamburg