"Das Tagebuch der Anne Frank" in Hamburgs kleinstem Theater
Am Mittwoch wäre Anne Frank 95 Jahre alt geworden. Das 13-jährige Mädchen hat ein Tagebuch geschrieben, das längst Weltliteratur ist. Nur, wie bringt man das berühmte Buch aus dem Amsterdamer Hinterhaus, wo sie sich versteckt hielt, auf eine Bühne?
Am Anfang geht das Licht aus - und aus dem Keller betritt eine junge Frau die Bühne. Man erahnt nur die Umrisse - die wilden dunklen Locken mit dem Scheitel, die weiße Bluse: Ganz kurz traut man seinen Augen nicht. Anne Frank betritt die Gegenwart durch einen Zeittunnel. Das Licht geht an, da steht sie: Savannah Robold.
Sonntag, 14. Juni 1942 - am Freitag hatte ich Geburtstag. Später wird sich keiner, weder ich noch andere, für die Herzensergüsse eines 13-jährigen Schulmädchens interessieren. Bühnenzitat
In diesem Punkt irrte sich Anne. Sie nimmt das rotkarierte Tagebuch in die Hand, öffnet es:
Sonntag, 5. Juli 1942 - vor einigen Tagen fing Vater an, übers Untertauchen zu sprechen. Bühnenzitat
"Das Tagebuch der Anne Frank" lässt niemanden kalt
In dem kleinen Theater das Zimmer sitzt man eng an eng, die Beine berühren sich. Die Enge des Theaters macht die Enge ihres Verstecks spürbar. Auf der Bühne stehen drei quadratische Podeste: leicht höhenversetzt - wie die Stockwerke eines Hauses. Auf dem Bühnenboden: grauer Mulch, als wäre die Bühne ein Friedhof. 95 Jahre wäre Anne Frank in diesem Jahr geworden.
Dieser packende Theaterabend lässt niemanden kalt. Gut, dass Regisseur Lars Ceglecki hier keine museale oder sentimentale Heiligengeschichte erzählt: Er zeigt das 13-jährige Mädchen als moderne, neugierige, vorwitzige Jugendliche von heute:
Heute zum Mittagessen gibt es Grünkohl aus dem Fass. Glaub mir, Kitty, es ist kein Vergnügen, im vierten Kriegsjahr versteckt zu sein. Bühnenzitat
Savannah Robold lacht, strahlt und schnaubt vor Wut
Savannah Robold liest nicht aus dem Tagebuch ab, sondern spricht zu uns - als wären wir Kitty, ihre imaginierte Gesprächspartnerin. Dabei lacht sie, strahlt, schnaubt vor Wut. Sie macht Witze, spielt die anderen im Versteck nach, kurz: Sie lebt!
Liebe Kitty, behalte diesen Tag genau für dich, denn es ist der wichtigste Tag für mein ganzes Leben: Ist es nicht für jedes Mädchen wichtig, wenn sie ihren ersten Kuss bekommt? Bühnenzitat
Die Beklemmung wächst - da stockt einem fast der Atem:
Schritte im Gebäude, auf der Treppe, im Privatbüro, auf unserer Treppe, Gerüttel am Schrank. Das ist Polizei - jetzt sind wir verloren. Acht Herzen hämmerten. Bühnenzitat
Ein erschütternder, ein hochaktueller Theaterabend
Dann gelingt Savannah Robold ein kleines Wunder: Ihre Anne Frank wird vor unseren Augen älter, reifer, ernster - mit nur wenigen Gesten, nur im Gesicht, mit der Stimme:
22. Mai 1944 - Liebe Kitty, zu unserem großen Entsetzen haben wir gehört, dass die Stimmung uns Juden gegenüber wieder umgeschlagen ist, dass Antisemitismus jetzt in Kreisen aufkommt, die früher gar nicht daran gedacht hätten. Ist ein Jude jetzt wieder weniger wert als andere? Bühnenzitat
Ein erschütternder, hochaktueller Theaterabend. Am Ende steht sie wie hinter Stacheldraht des Konzentrationslagers. Dabei sind es nur von ihr quergespannte Wollfäden. Sie strahlt:
Ich bin so glücklich, wenn ich im Oktober schon wieder auf der Schulbank sitzen kann. Bühnenzitat
Es kam anders. Im März 1945 starb sie im KZ Bergen-Belsen.
"Das Tagebuch der Anne Frank" in Hamburgs kleinstem Theater
Am Mittwoch wäre Anne Frank 95 Jahre alt geworden. Ihr Tagebuch ist längst Weltliteratur. Wie bringt man das berühmte Buch auf eine Bühne?
- Art:
- Bühne
- Datum:
- Ende:
- Ort:
-
Theater das Zimmer
Washingtonallee 42
22111 Hamburg - E-Mail:
- kontakt@theater-das-zimmer.de