Hundert erfolgreiche Amateurtheater-Jahre: Die Döser Speeldeel in Cuxhaven
Nicht weit entfernt von Cuxhavens Wahrzeichen, der Kugelbake, gründeten theaterbegeisterte Döser aus dem Gesangsverein Nordstern im Herbst 1924 die "Arbeitsgemeinschaft Döse", um Theater zu spielen, aber auch, um Vorträge und Konzerte abzuhalten. So dokumentiert es die erste Seite des damaligen Protokollbuchs. Von dem Vereinsnamen Arbeitsgemeinschaft verabschiedete man sich aber schnell wieder, weil verschiedentlich gedacht wurde, es handele sich um eine Arbeitergemeinschaft. Auch der Saal aus der Anfangszeit erwies sich als untauglich, denn das Publikum fror, obwohl die Plakate "Der Saal ist gut geheizt" verkündet hatten.
Döser Speeldeel: Bewegte Vergangenheit seit 1924
Gespielt wurden beim ersten Theaterabend am 14. November 1924 das hochdeutsche "Gevatter Tod - ein Spiel der Liebe in vier Bildern" und das plattdeutsche Stück "Truge Leiw - een Burenspill in dree Optög". Am 1. Dezember wählte man den ersten Vorstand: sieben Männer und immerhin eine Frau. Fünf Jahre später erfolgte die Aufnahme in den Niederdeutschen Bühnenbund. Die Machtübernahme durch Hitler und die NSDAP bekam auch die Speeldeel zu spüren. Bühnenleiter Bernhard Oelkers wurde auf Anordnung des "Kampfbundes für deutsche Kultur" seines Amtes enthoben und durch einen linientreuen Mann ersetzt, durfte aber noch als Schriftführer weitermachen.
Seit 1938 ist die ehemalige Döser Mühle das Logo der Speeldeel. Das Vereinshaus an der Friedrich-Carl-Straße war schon ab dem Jahr 1928 feste Spielstätte, aber oft wurde im Sommer auch "open air" gespielt. Während des Zweiten Weltkriegs lief der Spielbetrieb weiter - zur "Aufrechterhaltung der Moral", wie Bernhard Oelkers später berichtete, und auch mit Abstechern über Land. Einmal passierte dabei ein böses Malheur, denn der Busfahrer, der seine Erkältung mit mehreren steifen Grogs kurieren wollte, war so betrunken, dass er auf der Rückfahrt statt nach Cuxhaven versehentlich Richtung Hamburg fuhr ...
Im Mai 1941 fiel das Vereinshaus der Speeldeel einem Luftangriff zum Opfer. Deshalb wurde das Landeshaus am Marktplatz zur neuen Spielstätte. Immer mehr Bühnenmitglieder mussten als Soldaten an die Front, und so wurde der Spielbetrieb dann 1944 eingestellt. Nach dem Krieg fand die erste Vorstellung im April 1946 statt: Karl Bunjes "Familienanschluss" wurde gespielt, und im Juni 1947 fuhr eine kleine Cuxhavener Delegation zum Bühnentag nach Lübeck. Per Bahn, und die Züge waren so voll, dass man teilweise durch die Fenster ein- und aussteigen musste, wie Speeldeel-Mitglied Reiner Frericks in seinem Buch "Im Schatten der Kugelbake" erzählt.
Nachwuchsprobleme trotz 50 Mitgliedern: "Dat is en grotet Problem"
Schließlich bezog die Döser Speeldeel 1951/1952 Räume in der Gorch-Fock-Schule, und hier blieb sie bis zur Schließung der Schule. Daneben gab es zeitweise auch wieder Aufführungen auf einer Freilichtbühne. Seit 2013 wird im Stadttheater Cuxhaven geprobt und gespielt. Zurzeit sind ca. 50 aktive Mitglieder dabei, und für die Förderung des Theater-Nachwuchses wird in der Gruppe der Speeldeel-Kids gesorgt. Kinder und Jugendliche im Alter von acht bis 16 Jahren üben hier plattdeutsche Sketche und Lieder für kleine Aufführungen ein. Allerdings, sagt Bühnenleiterin Marlies Lampe, sei es schwierig, die jungen Leute bei der Stange zu halten: "De mookt Abitur, un denn sünd se weg ut Cuxhoben. Dat is en grotet Problem."
Ein echter Glanzpunkt war im Januar 2023 die Inszenierung von "Halunkenmusik". Hier handelt es sich um Rolf Petersens und Ulrike Sterns Übersetzung von "Ladykillers", einer Krimikomödie, die zu Ruhm besonders durch den Kinofilm mit Alec Guinness gekommen ist. Die eigenständige Fassung, die nicht dem Filmvorbild hinterherläuft, wurde in Cuxhaven mit einer sehenswerten Ensemble-Leistung gekonnt auf die Bühne gebracht - allen voran Marion Schossig als naiv-betuliche Vermieterin Margrete Willekow. Marion Schossig ist schon seit 1991 bei der Speeldeel mit dabei, und ihr geht es genauso wie vielen im Verein: Nach dem Arbeitsalltag kam sie immer abends beim Proben wunderbar auf andere Gedanken, und an ihre erste Rolle als Flittchen in "Schattentieden" kann sie sich noch gut erinnern. "Nee, nee, miene Dochter, de is gor nich so een!", pflegte sich ihre Mutter damals bei Nachbarn und Freundinnen zu entschuldigen. Wieder "repariert" wurde der gute Ruf dann durch die folgende Rolle: eine dröge Bürofrau.
Drei Stücke pro Spielzeit: Was wird 2024 gespielt?
Ganove bei "Halunkenmusik" - dies ist nur eine der vielen Rollen, die Bernd Döscher aus Cuxhaven-Lüdingworth schon gespielt hat. Zeit fürs Theaterhobby bleibt ihm nur im Winter, denn er arbeitet in der Landwirtschaft, freut sich aber jedesmal auf das Publikum im Cuxhavener Stadttheater: "Dat is natürlich ganz schöön, wenn de Stimmung denn hochgeiht. Oder... wi hebbt ok mol en ernstet Stück hatt. Wenn de Lüüd op'n Sool denn ganz liesen sünd, denn föhlt man dat ok, wo jem dat anpackt."
Mit "66, Single, söcht …", einem Stück über ein Speeddating-Event der besonderen Art, begann dann im Herbst 2023 die aktuelle Spielzeit. Weitere Inszenierungen: "Wo de Leev henfallt" (Premiere am 11. Januar 2024) und "Lögen, Sex un Sahnestücken" (Premiere am 7. März 2024). Pro Spielzeit (Oktober bis April) bringt die Speeldeel drei Stücke auf die Bühne. Jedes wird innerhalb von bis zu drei Wochen an ca. 13 Abenden aufgeführt. Zum größten Teil sind es Komödien, die das Publikum zum Lachen bringen sollen, doch in regelmäßigen Abständen werden auch Stücke mit Tiefgang eingeschoben. Wieder erholt auf knapp 2.500 pro Inszenierung haben sich die Zuschauerzahlen, die in der Corona-Zeit auf um die 1.000 pro Stück abgesackt waren. Und nun freuen sich das Publikum und die ganze Speeldeel auf das Jubiläum im Herbst, das sicherlich auch mit einem ganz besonderen Stück gefeiert wird.