Theatermacher René Pollesch ist tot: "Ein gigantischer Verlust"
Vor nicht einmal drei Jahren übernahm René Pollesch die Intendanz der Berliner Volksbühne. Nun ist der Theatermacher mit nur 61 Jahren gestorben. Sein Tod am Montag sei völlig plötzlich und unerwartet gewesen, teilte das Theater mit.
René Pollesch war einer der großen Dramatiker und Regisseure der deutschen Theaterszene. In seinen Stücken gab es oft weder geradlinige Handlungen noch klassische Figuren. Diese "Ölspur einer kohärenten Figur, auf der man dann so Schlitten fährt im Repräsentationstheater", langweile die meisten Schauspielenden, hatte Pollesch mal der Wochenzeitung "Die Zeit" gesagt. "Bei uns muss niemand anderthalb Stunden lang eine einigermaßen logische und kohärente emotionale Darstellung zeigen. Das schafft man ja selbst im Leben kaum." Seine Theatertexte hatten gleichzeitig eine Leichtigkeit und eine Komplexität, die zusammen manchmal schwer zu überbrücken waren.
Pollesch schrieb über 200 Stücke, meist eher kurze Werke. Am Deutschen Schauspielhaus war er Anfang der 2000er Hausautor. Unter der aktuellen Intendantin Karin Beier inszenierte er ebenfalls Stücke - etwa 2017 das Werk "Ich kann nicht mehr", das in Hamburg seine Uraufführung feierte. Für seine Arbeit wurde er mehrfach mit Preisen ausgezeichnet.
Schauspielhaus Hamburg ist "geschockt"
Das Deutsche Schauspielhaus Hamburg reagierte bestürzt und geschockt auf die Nachricht vom Tod Polleschs. Auf der Inernetseite des Hauses heißt es: "Du warst so viele Jahre einer unserer wichtigsten künstlerischen Partner und hast unseren Spielplan ganz maßgeblich mitgeprägt. Dein postdramatisches, humoriges, sprechkunstvolles, kluges, diskursives Theater wird uns unvergessen bleiben. Uns fehlen die Worte. Deine Worte."
Thalia-Intendant Joachim Lux: "Ein gigantischer Verlust"
Auch am Thalia-Theater ist die Trauer um René Pollesch groß. Intendant Joachim Lux spricht von einem "gigantischen Verlust". Pollesch sei auch deshalb einzigartig gewesen, weil er das "Diskurstheater" erfunden habe: "Er war jemand, der den Diskurs, ein Bild für das, wie wir heute miteinander sprechen, abgebildet, zugespitzt und zur komischen Blüte getrieben hat, ohne eigene Ideologien damit transportieren zu wollen."
Bei George Tabori und Heiner Müller gelernt
Der Dramatiker und Regisseur René Pollesch wurde 1962 im hessischen Friedberg als Sohn eines Hausmeisters geboren. An der Universität Gießen studierte er Angewandte Theaterwissenschaften, zu seinen Lehrmeistern gehörten George Tabori und Heiner Müller. Pollesch arbeitete an vielen Bühnen, experimentierfreudig inszenierte er eigene Stücke und machte auch schon mal ein Autokino zum Theater. Seine eigenen Stücke inszenierte er unter anderem am Burgtheater Wien, am Deutschen Theater Berlin und an den Münchner Kammerspielen.
Berufung zum Intendanten der Berliner Volksbühne
Dass Pollesch zum Intendanten der Volksbühne berufen wurde, war aus Sicht manch langjähriger Anhänger des Theaters eine gute Nachricht. Nach einem Vierteljahrhundert Frank Castorf gab es viel Protest gegen den Belgier Chris Dercon als Nachfolger, der seinen Posten denn auch bald wieder abgab. Nach einer Zwischenlösung mit Klaus Dörr übernahm Pollesch ab 2021. Unter Castorf war Pollesch bereits viele Jahre zuvor an der Volksbühne gewesen. Das Theater gilt als eigenwilliges Haus mit starken Charakteren. Pollesch arbeitete mit Schauspielern wie Martin Wuttke, Fabian Hinrichs, Kathi Angerer und Sophie Rois. Seine erste Spielzeit als Intendant des Theaters eröffnete er im September 2021 mit der Uraufführung von "Aufstieg und Fall eines Vorhangs und sein Leben dazwischen".
Nun ist Intendant René Pollesch im Alter von 61 Jahren gestorben. Zu den genauen Todesumständen machte die Sprecherin der Volksbühne, Lena Fuchs, zunächst keine Angaben. "Wir sind alle geschockt", sagte sie der Deutschen Presse-Agentur.