Oldenburger Kulturtafel: Kulturgenuss mit kleinem Einkommen
Bundesweit gibt es zahlreiche Gruppen, die kostenlos übrig gebliebene Eintrittskarten für Konzerte, Theaterabende oder anderes an Bedürftige verteilen. Manche nennen sich Kulturtafeln - ähnlich wie die Lebensmitteltafeln. So auch in Oldenburg
Uta Mohr aus Oldenburg interessiert sich besonders für Kunst. Sie ist Biologin und war lange als Pharmareferentin tätig. Dann verlor sie ihre Arbeit. Das Geld reicht jetzt nicht mehr für Eintrittskarten. Seit fast fünf Jahren ist Mohr ein sogenannter "Kulturgast" bei der Oldenburger Kulturtafel. Als eine der ersten hat sie sich dort registrieren lassen und bekommt seitdem immer wieder kostenlose Karten. "Ich habe einen tollen Zeichenkurs gemacht. Als Gasthörer an der Uni habe ich viele Schreibseminare gemacht - Märchenseminare. Die waren total toll." Auch Theaterkarten hat die 56-Jährige gern angenommen. Zum Beispiel für das Ballett "Kratt" am Oldenburgischen Staatstheater. "Das war supertoll. Das sind alles Dinge, die man sich mit so einem geringen Einkommen eigentlich gar nicht leisten könnte."
Teilhabe an Kultur elementar wichtig

Dabei ist die Teilhabe an Kultur elementar wichtig, sagt Hermann Klasen. Der ehemalige Arzt hat die Oldenburger Kulturtafel im Frühjahr 2020 gegründet - nach einem Vorbild in Lübeck. Es lief erst schleppend an. Schließlich war das der Beginn der Corona-Zeit. Jetzt habe sich die Tafel aber gut entwickelt. "Ehrlich gesagt, ich bin ganz stolz, dass wir das hier in Oldenburg soweit hingekriegt haben. Allein von den Zahlen her, finde ich, kann sich das schon ganz gut sehen lassen", sagt Klasen. 1.100 Kulturgäste sind bei der Tafel angemeldet. Zahlreiche Kulturpartner spenden Karten. In den fünf Jahren des Bestehens hat die Kulturtafel mehr als 8.000 Karten vermittelt.
Kulturbegriff weit gefasst
Momentan engagieren sich neun Ehrenamtliche bei der Oldenburger Kulturtafel. Helmut Scherbeitz ist erster Vorsitzender. Eine seiner Tätigkeiten ist, dass er übrig gebliebene Karten bei Veranstaltern einwirbt. Manche Veranstalter stellen ein bestimmtes Kontingent an Karten zur Verfügung und auch Privatpersonen spenden Karten, wenn sie zum Beispiel ein Theaterabo haben und nicht alle Termine wahrnehmen wollen, erzählt er. Kultur ist für Scherbeitz mehr als nur Oper, Operette oder Schauspiel. "Bei uns gehört zu dem Begriff 'Kultur' auch der gemeinsame Besuch einer Familie in einem Tierpark oder eine Ausflugsfahrt mit einem Busunternehmen. Auch da bekommen wir gelegentlich freie Restplätze in einem Bus kostenlos zur Verfügung gestellt, die wir dann weitergeben können an die Kulturgäste", sagt Scherbeitz. Manchmal würden sogar Sportvereine Plätze in Schwimmkursen spenden.
Aktivierender Anruf der Kulturtafel

Wer ein geringes Einkommen hat, kann sich bei der Kulturtafel registrieren. Dabei werden auch Interessen der Teilnehmenden eingetragen. Wenn es Karten gibt, werden sie angerufen. Die Stadt Oldenburg veranstaltet zwar auch kostenlose Veranstaltungen - beim Kultursommer beispielsweise oder im Ferienpass - das Engagement der Kulturtafel geht aber noch weiter, betont Scherbeitz. Denn die Kulturtafel motiviere Menschen für Kultur. "Es ist offensichtlich nicht so, dass man von allein unbedingt teilnimmt", erklärt er. Deshalb rufen die Ehrenamtlichen die Kulturgäste persönlich an. "Dieser aktivierende Anruf, wenn man sagt: 'Möchten Sie ganz konkret an diesem Termin dort teilnehmen?' Dann hat man so einen Termin festgemacht und kriegt von uns auch nochmal eine Erinnerung daran: 'Achtung morgen ist dieser Termin! Bitte denken Sie daran!' Und dann nehmen die auch wirklich teil", betont Scherbeitz.
Benefizabend zugunsten der Kulturtafel
Bei der Arbeit der Kulturtafel fallen Kosten an - für die Miete des Büros und auch eine bezahlte Mitarbeiterin. Deshalb veranstaltet die Tafel einen Benefizabend mit Singer-/Songwriter Kai-Olaf Stehrenberg, Soulmusik von "Chasing Mary", Klavier-Kabarett von Matthias Reuter und Slam Poetry von Sven Kamin und Annika Blanke am Montag dem 28. April im Kleinen Haus des Oldenburgischen Staatstheaters.
Hemmschwelle überwinden
Manche Menschen scheuen sich, Angebote wahrzunehmen, erzählen die Ehrenamtlichen. Kulturgäste können aber zu einigen Veranstaltungen auch eine zweite Person mitbringen zu einer Lesung, ins Theater oder zu einer Stadtführung. Manche würden erst mit der Zeit mutiger, auch allein in eine Veranstaltung zu gehen. Ein weiterer wichtiger Punkt: Die Karten werden mit Namen an den jeweiligen Kartenkassen hinterlegt, betont Klasen. "Man muss nicht an die Abendkasse gehen und sagen: Ich komme von der Kulturtafel. Sondern man sagt: 'Auf meinen Namen ist hier eine Karte hinterlegt.' Und dann wird die rausgegeben, so wie bei jedem anderen Kunden auch."
Offenheit für Neues
Uta Mohr ist auf jeden Fall dankbar für die kostenlosen Eintrittskarten. "Das ist wie Weihnachten. Ein Geschenk", sagt sie. Sie ist immer offen für die Vorschläge der Tafel, sagt die Biologin, zum Beispiel den, ins Ballett zu gehen. "Auf die Idee wäre ich ja vorher gar nicht gekommen. Aber so hat man nochmal einen Anstoß gekriegt, sich nochmal was anderes anzusehen", erzählt sie. Schlussendlich habe sich der Abend sogar als das Highlight des Jahres herausgestellt.
