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AUDIO: Tim Fischer mit "Glücklich" im St. Pauli Theater (3 Min)

Hitlerbärtchen und Glitzeranzug: Tim Fischers "Glücklich"

Stand: 28.10.2024 17:32 Uhr

Ob in Chansons von Jacques Brel, Liedern von Georgette Dee oder Cora Frost: Glück ist immer eine Frage der Perspektive, wie Tim Fischer und Pianist Thomas Dröschel, das Traum-Duo des deutschen Chansons, im St. Pauli Theater beweisen.

von Peter Helling

Im schwarz glitzernden Anzug steht Tim Fischer auf der Bühne. Was Glück für ihn persönlich bedeutet, verrät er vorher in der Garderobe. "Also, ich bin ja schon glücklich, wenn ich nach Hamburg komme in mein geliebtes St. Pauli Theater", sagt er. Das sei schon mal Glück genug. "Mein Pianist Thomas Dörschel und ich sind vor allen Dingen nach Hamburg gekommen, um das Publikum glücklich zu machen."

Und genau das gelingt diesem Duo – Lieder zwischen Romantik und Elvis, zwischen Barbara und diesem modernen Klassiker von Ludwig Hirsch. Der absolute emotionale Höhepunkt – ein Lied, das gar nicht vom Glück handelt, oder doch?

Glück und Unglück gehören immer zusammen

Dieses Lied, "Schwarzer Vogel" heißt es, über einen todkranken Jungen packt das Publikum emotional. Tim Fischer hat sich über seinen schwarz glitzernden Anzug einen rabenschwarzen Federmantel geworfen, breitet die Arme aus und geht ins Gegenlicht, ins Off. Keine Angst vor Pathos. Wer hier keine feuchten Augen bekommt, hat kein Herz.

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Tim Fischer trägt einen schwarz-gold gemusterten Anzug und einen Zylinder, in einer Hand hält er eine Zigarette, in der anderen einen goldenen Totenschädel. © picture alliance / Geisler-Fotopress | Anita Bugge

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Ein Chanson-Abend mit dem Titel "Glücklich" muss natürlich auch vom Unglück handeln. "Glück und Unglück sind wie siamesische Zwillinge miteinander verbunden, die lassen sich nicht trennen", erzählt Tim Fischer. Er könne sich da gar nicht beklagen, bei ihm sei es beruflich wie privat immer ordentlich nach oben und nach unten gegangen. "Die Reibung macht’s dann vielleicht."

Selbst scheinbar Gegensätzliches gelingt Tim Fischer

Reibung erzeugt Wärme, ja Hitze – und diese Hitze ist spürbar im Saal. Der Chansonnier zündet sich eine lange Zigarette an, sein Gesicht mit den tiefroten Lippen und den langen Wimpern liegt halb im Schatten, der Rauch kringelt in den Bühnenhimmel in Violett, Blau und Rot. Magisch.

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Tim Fischer lebt seine Lieder, er fühlt die Worte, die er singt. Scheinbar mühelos wechselt er vom Balladenton zur krassen Hitler-Karikatur. Zwischen verrucht und absurd, zwischen lebenshungrig und urkomisch, Kreisler, Hollaender, Georgette Dee.

Das Pathos, die große Geste wirkt nicht aufgesetzt

Tim Fischers Schimmern kommt von innen – die große opernhafte Diven-Geste mit gehobenen Armen wirkt nie aufgesetzt. "Ich bin eher schauspielerisch unterwegs und versuche im Grunde genommen, den Menschen eine Projektionsfläche für ihre eigenen Fantasien zu bieten. Wenn das gelingt, dann mischen sich natürlich die Geister im Raum, und es entsteht was schönes Ganzes."

Beim Applaus überreicht ihm eine Zuschauerin ein rosa Kissen mit der Aufschrift "glücklich", dann bittet Tim Fischer um Spenden für das Hospiz Hamburg Leuchtfeuer. Glücklich sein mit Tränen im Auge?  Natürlich. Das ist der Sound des Lebens.

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