Die italienische Sopranistin Anna Pirozzi als Turandot posiert in der Garderobe vor einer Aufführung von Giacomo Puccinis Oper "Turandot" im Teatro Real Opernhaus in Madrid. © picture alliance Foto: Bernat Armangue

Gruppe "Critical Classics" für "Zauberflöte" ohne Machosprüche

Stand: 14.12.2023 15:27 Uhr

Beliebte Opern, wie Mozarts "Zauberflöte", Verdis "Aida" oder Puccinis "Turandot" transportieren in ihren Figuren auch rassistische Klischees ihrer Zeit. Die Gruppe "Critical Classics" will das ändern.

von Marcus Stäbler

In der Zauberflöte von Mozart gibt es eine Figur namens Monostatos. Dieser Monostatos, ein Tempelaufseher, ist im Libretto als lüsterner und übergriffiger Schwarzer dargestellt.

Manche Textstellen werden bereits geändert

"Diese Person sagt über sich selber: 'weil ein Schwarzer hässlich ist'", bemerkt der Regisseur Berthold Schneider. "Das ist natürlich etwas, das man sich als Text heute nicht mehr vorstellen kann." und deshalb werde das heute auch in vielen Aufführungen geändert. "Was aber ganz selten geändert wird, sind Textstellen wie: "Ein Weib tut wenig, plaudert viel. Du Jüngling glaubst dem Zungenspiel.'" bemängelt der Regisseur.

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Für Opern ohne erniedrigende Stereotypen

Herablassende und pauschale Macho-Kommentare von Männern über Frauen, dazu das erniedrigende Stereotyp eines lüsternen Schwarzen. An manchen Stellen verbreitet die Zauberflöte Denkmuster, wie sie heute zurecht nicht mehr akzeptiert sind. "Es ist einfach ein wichtiges Anliegen - das sehen wir auch an aktuellen politischen Diskursen - dass es da einen kritischen Blick braucht", sagt die Kulturberaterin Leyla Ercan, die vier Jahre als Diversitätsagentin am Staatstheater Hannover tätig war. In dieser Funktion war sie regelmäßig mit problematischen Passagen aus Opern- und Theaterstücken konfrontiert. Etwa wenn sich in der Figur der Prinzessin Turandot sexistische und rassistische Klischees über Menschen asiatischer Herkunft überschneiden.

Sie stellte fest, dass sie nicht die Einzige ist, die mit solchen Schwierigkeiten umgehen muss. "Ich bekam fast im wöchentlichen Abstand Anrufe von Kolleginnen anderer Opern, die alle im stillen Kämmerlein an den gleichen Fragen gearbeitet haben. Ich habe mich dann gefragt: Wieso setzt man sich als Opernspezialist oder opernschaffende Theaterperson nicht mal zusammen und diskutiert das mal grundsätzlich?"

Neuausgabe von Mozarts "Zauberflöte" in Arbeit

Und genau das macht Ercan jetzt mit den Kolleginnen und Kollegen von "Critical Classics". Das Projekt vereint neben ihr selbst und dem Regisseur Berthold Schneider weitere Expertinnen und Experten wie die Dirigentin Julia Jones oder den preisgekrönten Kinderbuchautor Hartmut El Kurdi. In Zusammenarbeit mit einem renommierten Verleger arbeiten diese Fachleute derzeit an einer Neuausgabe des Librettos von Mozarts Zauberflöte, die im kommenden Jahr veröffentlicht werden soll. Damit die Opernhäuser in Zukunft eine Textfassung zur Verfügung haben, die besser in die heutige Zeit passt - und nicht gestrige Rollenbilder und Denkmuster wiederholt.

Klaus Zehelein: Das Skandalöse nicht wegretuschieren

Das Vorhaben von "Critical Classics" bietet natürlich reichlich Diskussionsstoff. Nicht nur über die Frage der Werktreue. Der Dramaturg Klaus Zehelein hat sich etwa kürzlich, ausdrücklich in Richtung "Critical Classics" gerichtet, entschieden dagegen ausgesprochen, das "Schmutzige, das Diskriminierende aus der Literatur zu eliminieren" oder auch das "Skandalöse wegzuretuschieren", wie er es nennt. "Unsere Künste werden dann wohlfeile Botschaften, um die Gefühle unserer Besucher nicht zu verletzen." So seine Befürchtung. "Was wäre denn Kunst anderes als, Wunden zu zeigen?" erklärt der Opernintendant.

Guter Theaterabend, an dem keine Menschen beleidigt werden

Die Initiatoren von "Critical Classics" fordern dagegen einen Perspektivwechsel. Beim Umgang mit den alten Texten dürfe man nicht bloß als Theatermacher denken, sondern müsse sich auch in die Wahrnehmung des Publikums hineinversetzen, betont Berthold Schneider. "Dieses Publikum besteht auch ganz viel aus Leuten, die das zum ersten Mal sehen. Die interessiert das auch nicht, ob das jetzt ein hochwichtiges Werk des Repertoires ist, was seit 250 Jahren gespielt wird. Die sitzen hier und heute drin, die wollen einen guten Abend haben und sie wollen bitte einen Abend haben, wo keine Menschen beleidigt werden."

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Dieses Thema im Programm:

NDR Kultur | Journal | 14.12.2023 | 16:15 Uhr

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