Das Lesi Theater im ukrainischen Lwiw © Lesi Theatr
Das Lesi Theater im ukrainischen Lwiw © Lesi Theatr
Das Lesi Theater im ukrainischen Lwiw © Lesi Theatr
AUDIO: Welttheatertag: Wie kann Theater Mut machen? (4 Min)

Welttheatertag: Wie kann Theater Mut machen?

Stand: 27.03.2023 11:18 Uhr

"Menschlichkeit und Solidarität" stehen in diesem Jahr beim Welttheatertag im Mittelpunkt. Das Lesi Theater in Lwiw zeigt, wie Theater Mut und Wärme spenden kann, wo vermeintlich schon alles verloren war.

von Jan Wiedemann

Es ist ein Haus, das schon viel gesehen hat: In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts war es ein Kino. In den 50ern wurde darin ein Theater von der Sowjet-Armee betrieben. Heute ist es ein städtisches Theater, eines der berühmtesten in Lwiw - vor allem für zeitgenössische Stoffe: das Lesi Theater.

Dann kam der 24. Februar 2022. Der leitende Regisseur Dmytro Zakhozhenko musste den Spielbetrieb von jetzt auf gleich komplett einstellen. "Wir fühlten uns komplett verloren, wussten nicht was wir tun sollten", erzählt er. "Also haben wir das getan, von dem wir dachten, dass es das einzig Richtige ist: humanitäre Hilfe leisten - und Geflüchtete aufnehmen. Wir haben bei uns im Theater eine Unterkunft für sie organisiert."

Lesi Theater zunächst Zufluchtsort für Menschen aus der Ost-Ukraine

So wurde das Gebäude wieder anders genutzt: als Zufluchtsort für Menschen aus den östlichen Teilen der Ukraine, die ihre Heimat verlassen mussten. Während dieser Zeit ans Theaterspielen zu denken - während Menschen sterben - das hätte sich so sinnlos und naiv angefühlt, sagt Dmytro Zakhozhenko. Dann aber wurde ihm in einem ganz unerwarteten Moment vor Augen geführt: Theater wird auch jetzt gebraucht.

Auf einem Fernseher liefen Aufzeichnungen alter Theater-Stücke

Als er und sein Team den knapp 30 dort lebenden Geflüchteten einen Fernseher gebracht haben, damit Ihnen nicht langweilig wird: "Es gab aber keine Fernsehprogramme und nichts zum Anschauen. Die einzigen Filme, die wir im Theater hatten, waren Aufnahmen von unseren älteren Stücken", sagt Zakhozhenko. "Wir haben ihnen gesagt, dass wir in ein paar Tagen normale Filme besorgen - aber: Als ich am nächsten Tag ins Theater kam, war ich völlig überrascht: Die Menschen hatten sich ein kleines Kino aufgebaut - und alle unsere Stücke angeschaut. Dann sind sie mit Notizen und Fragen dazu zu mir gekommen. Diese Leute stammten aus Mariupol, aus Charkiw - sie sind durch die Hölle gegangen, um hier herzukommen. Aber: Auf einmal haben unsere Stücke für Sie einen Sinn ergeben. Auch wenn wir diesen Sinn gerade nicht gesehen haben."

Entscheidung, den Spielbetrieb wieder aufzunehmen

Dieser Moment war es, der auch dem Ensemble klar gemacht hat, welche Verantwortung Theater auch in dieser schweren Zeit haben kann. Dann folgte die Entscheidung, auch für das normales Publikum wieder zu öffnen. Denn Theater ist der Ort, wo sich Menschen versammeln. Wo sie Emotionen, Gedanken und Erfahrungen teilen. Das kann diese Belastung erleichtern.

Erste, neue Performance: Mischung aus Konzert, Gedichten und Tanz

Die erste, neue Performance von Dmytro Zakhozhenko ist eine Mischung aus Konzert, Gedichten und Tanz, eine Mischung aus Lachen und Weinen, aber auch Flüchen sagt er. Titel: "Imperium delendum est" - "Das Imperium muss zerstört werden". Die Botschaften auf der Bühne - eindeutig. Kann Theater etwas zum Frieden in der Welt beitragen? "Ich weiß es nicht", sagt Zakhozhenko lachend. "Ich glaube nicht, dass Theater so ein kraftvolles Werkzeug ist, dass es was zur globalen Kultur beitragen kann. Aber wir arbeiten mit unserer Gesellschaft vor Ort. Wir bringen sie dazu, Fragen zu stellen."

"Mission des Theaters: Wofür wir kämpfen ergibt einen Sinn"

Es gehe auch darum, den Menschen Halt zu geben, sagt Dmytro Zakhozhenko. Auch denen, die auf und hinter der Bühne stehen. Die in einem Land im Krieg Tag für Tag zur Arbeit kommen - ins Lesi Teatr in Lwiw. "Wenn ich die Videos von der Front sehe, wenn ich sehe, dass Zehntausende Menschen nach Bachmut geschickt werden, um dort zu töten und zu sterben, dann frage ich mich: Warum? Wofür? Der Krieg, das Töten ist so sinnlos, so unnatürlich, so dumm", sagt Zakhozhenko. "Auf der anderen Seite: Theaterspielen, Tanzen, diese Dinge ergeben Sinn. Diese Dinge haben eine Logik. Aber es ist keine Logik darin, in ein anderes Land zu gehen und dort Menschen zu töten. Die Mission des Theaters ist es, dieses kraftvolle Statement zu geben: Kultur ergibt Sinn. Was wir tun ergibt einen Sinn. Wofür wir kämpfen ergibt einen Sinn."

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Dieses Thema im Programm:

NDR Kultur | Klassisch in den Tag | 27.03.2023 | 07:20 Uhr

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