Taylor Mac bei den Lessingtagen: Es funkelt im Thalia Theater
Der New Yorker Performancekünstler Taylor Mac hat bei den Lessingtagen im Thalia Theater einen Performance-Ritt durch 240 Jahre US-Geschichte in Form von Popsongs und Liedern auf Hamburg zugeschnitten.
An diesem Wochenende gehen die Lessingtage im Hamburger Thalia Theater zu Ende. Kurz vor Schluss noch ein Highlight: Der Auftritt des New Yorker Performancekünstlers Taylor Mac mit der Show Taylor "Mac's A 24-Decade History of Popular Music".
Ein bunter, queerer, schwul-lesbischer Rausch
Es klingt wie ein schön gemütlicher Shantychor-Abend. Der Hamburger Shanty Chor Windrose schmettert als "Special Guest" seine Lieder von der Bühne des Thalia Theaters: in blauen Sakkos, mit Silberhaar, halbvollem Bierglas in der Hand. Aber Vorsicht - denn: Taylor Mac ist im Raum! Dieser Abend ist ein einziger bunter, queerer, schwul-lesbischer Rausch. "And let's face it: Everybody in Germany is a little gay", schallt es von der Bühne.
Taylor Mac trägt Drag, dass Olivia Jones erblassen würde: Auf gefühlt turmhohen High Heels, eingehüllt in funkensprühenden Stoffen und Fäden. Hier steht der vielleicht angesagteste New Yorker Theaterperformer überhaupt. Gegen New York sieht Hamburg erstmal 'n büschen blass aus. "I'm a show top! So I like to dominate my audience!", so Taylor Mac. Dieser unfassbare Performer ist ein Ereignis. Charisma mit Lametta, trotzig, wütend, liebevoll. Mac zaubert einen Abend aus Songs, aus Anekdoten, aus Geschichten - vor allem aber ist die Perfomance glamouröses Kabarett und politisches Theater.
Taylor Mac: Die Herrin ist gütig
Immer wieder stöckelt dieses rauschende und berauschende Wesen hinunter ins Parkett und zieht einen armen Zuschauer, eine Zuschauerin auf die Bühne. Aber keine Sorge: Die Herrin, also Taylor Mac, ist gütig. Vor allem hat Taylor Mac eine Mission: Er will an diesem Abend die Herrschaft des Patriarchats - zumindest in diesem Saal - zu Grabe tragen. Er will alte Zöpfe abschneiden, spießige Denkmuster sprengen: "I think it's time for the women to have their turn now!"
Ein simpler, aber genialer Gedanke: Taylor Mac performt mit seiner großartigen Band 240 Jahre US-amerikanischer Geschichte mit den passenden Liedern und Popsongs. Wann hat man je Bob Dylans "A hard Rain's a-Gonna fall" so zärtlich gehört? Der bittere Beigeschmack: Taylor Mac deutet jeden der Songs auf die Gegenwart um. Jedes Lied bekommt einen schmerzhaften Twist. Ein Song lässt an Hiroshima denken - ein anderer an die Soldaten, die in den Ersten Weltkrieg zogen. Wieder einer an religiöse Eiferer.
Show trifft ins Herz
Taylor Mac versteht sich als "anderer" Botschafter der USA. Vielleicht trifft diese Show deshalb so ins Herz: weil sie beides hat, den Glamour, die Feier des Lebens und der Toleranz, des Miteinanders - und die Klage, die Trauer über eine Welt, die jemanden wie Taylor Mac oder andere schwule, lesbische, queere Menschen verachtet und bekämpft. Diese Show gehört zum Besten, was die Bühne bieten kann. Auch deshalb verlässt man sie mit einem lachenden und einem weinenden Auge.
Am 12. Februar um 18 Uhr enden die Lessingtage im Hamburger Thalia Theater mit der Langen Nacht der Weltreligionen.