Publikumsschwund: Wo sind die Gäste in Konzerten und Theatern?
Ein Bericht des Instituts für Kulturelle Teilhabeforschung (IKTf) hat den Publikumsschwund in Kultureinrichtungen untersucht. Ein Online-Podium hat nun nach Lösungsmöglichkeiten gesucht.
Seit Monaten diskutieren Akteure aller Kultursparten unter dem Hashtag "#publikumsschwund" darüber, wo das Publikum geblieben ist. Nach den pandemiebedingten Schließungen hätte es längst in die Theater, Konzertsäle oder Kinos zurückkehren können. Tat es aber nicht. Das bestätigt eine aktuelle Studie des Instituts für Kulturelle Teilhabeforschung (IKTf).
Nach dem Einbruch während des Lockdowns hätten sich die Publikumszahlen im Kulturbereich zwar wieder etwas erholt, aber noch längst nicht das Vor-Coronaniveau erreicht. Insbesondere das Publikum ab 60 sei nicht vollständig zurückgekehrt - womöglich wegen gesundheitlicher Bedenken. Und dass das jüngere Publikum weniger Kultureinrichtungen besuche, sei keine Altersfrage, erklärte der Braunschweiger Forscher Thomas Renz vom IKTf, sondern eine Generationenfrage. Die unter 60-Jährigen gingen heutzutage halt nicht mehr selbstverständlich in Museen, Theater oder Konzerte, sondern müssten animiert werden.
Online-Panel diskutiert über Publikumsschwund
Da waren die Kulturstrategen auf dem digitalen Podium gefragt: Wie gewinnt man diese Menschen für die Kultur? Die Antworten waren erschreckend spärlich. Der Berliner Kultursenator Klaus Lederer, Initiator des Instituts für Kulturelle Teilhabeforschung, macht sich für dezentrale Kulturarbeit, Bildungsarbeit an den Schulen und eintrittsfreie Museumstage stark. Bahnbrechend sind die Ideen nicht. Man müsse "Publikum, Programm und Personal verändern", forderte er. Die Frage nach dem "Wie?" ließ er offen.
Ähnlich unkonkret blieb Kathrin Hahne, die in Vertretung von Staatsministerin Claudia Roth die Arbeit des Kulturstaatsministeriums lobte. Mit dem milliardenschweren Förderprogramm "Neustart Kultur" habe man den Kulturbetrieb in der Krise erhalten, nun wolle man mit der Einführung des "Kulturpass" junge Leute an die Kultur heranführen und im kommenden Jahr Kultur im ländlichen Raum besonders fördern. Konkreter wurde es nicht. Die Umsetzung habe vor Ort zu geschehen.
Forderungen nach mehr Kulturvermittlung
Den Part übernahm Vanessa Reinwand-Weiss, Direktorin der Bundesakademie für kulturelle Bildung in Wolfenbüttel. Kulturpässe seien ja ganz okay, meinte sie, mit denen erreiche man aber nur die, die aus einem entsprechenden Elternhaus kämen und ohnehin kulturinteressiert seien. Die einzige Lösung sei die radikale Öffnung der erlauchten Häuser durch kulturfremde Angebote. Motto: lieber guten Kuchen als hohe Kunst! Dazu solle man besser von drei Ausstellungen auf eine verzichten und das Geld in die Kulturvermittlung stecken. Dass die nicht längst eine Bundesangelegenheit, sondern immer noch Ländersache sei, bezeichnete Reinwand-Weiss als Skandal.
In ein ähnliches Horn stieß Bernward Tuchmann, Sprecher der Interessensgemeinschaft der Städte mit Theatergastspielen und Dozent an der Hochschule für Musik und Theater in Hamburg. Er forderte nach niederländischem Vorbild, endlich auch in Deutschland die Zugbrücke an den Kulturfestungen herunterzulassen.
Panel-Fazit: Viele Schlagworte - wenig konkrete Lösungsvorschläge
Das waren viele Schlagworte und wenig konkretes Lösungsvorschläge: "Barriereabbau", "Diversitätsförderung", "Zugangserleichterung" - klingt alles gut, aber dabei zeigt eine auf den anderen: Das Land auf den Bund und beide zusammen auf die Akteure vor Ort. Während die wiederum Unterstützung von oben fordern. Gefragt wären konkrete Ideen.