Premiere von "Vögel" in Lüneburg: Endloser Applaus und Raum für Diskussion
Im November vergangen Jahres gab es Proteste gegen die Inszenierung von Wajdi Mouawads "Vögel" am Metropoltheater in München. Israelische Studentenverbände kristierten das Schauspiel als antisemitisch. Gestern feierte "Vögel" erstmals seit dem Eklat wieder Premiere.
Eitan liebt Wahida. So einfach könnte es ein, doch in dem Stück "Vögel" von Wajdi Mouawad ist nichts einfach. Denn Eitan hat jüdische Wurzeln, Wahida arabische.
"Wir sind nicht dazu geschaffen, einander zu begegnen oder miteinander zu leben." Zitat aus "Vögel"
Eitan möchte Wahida in seine Familie einführen, doch das stößt auf Widerstand. Eitans Vater ist absolut gegen diese Verbindung, weil Wahida nicht jüdisch ist. Daraus entwickelt sich ein Drama.
Wajdi Mouawads Stück trifft einen Nerv
Die Geschichte spielt im Nahostkonflikt. Bei einem Anschlag in Israel wird Eitan schwer verletzt. Die Emotionen in der jüdischen Familie kochen hoch. Drei Generationen prallen aufeinander. Ein sehr vielschichtiges Stück, sagt Dramaturgin Hilke Bultmann: "Ich glaube, es trifft einen Nerv, weil es sehr nachvollziehbar macht, wie Menschen, die Traumata erlitten haben - in dem Fall die Traumata des Holocausts - wie das in ihnen nachwirkt. Wie sie über Generationen hinweg damit beschäftigt sind."
Antisemitismusvorwürfe gegen "Vögel"
Das Bühnenbild besteht aus weißen Mauern, die den Raum erdrücken und manchmal Auswege eröffnen. In diesem kargen Bühnenbild fallen Sätze, die verstören.
"Wir standen dicht bei dicht. Da war einer neben mir in meinem Alter. Wir haben uns angeschaut und er sagt zu mir: Schicken die uns jetzt in den Ofen, oder wie? Wir haben gelacht." Zitat aus "Vögel"
Das sagt Eitans Großvater, ein Überlebender des Holocausts. Es sind Sätze wie diese, die zu heftigen Protesten geführt haben. Jüdische Studentenverbände bezeichneten das Stück als antisemitisch. Das Premieren-Publikum in Lüneburg sieht das anders: "Ich habe nichts gesehen, was ich als antisemitisch wahrnehmen würde", sagt ein Zuschauer, eine Zuschauerin meint: "Im Zusammenhang sind sie ganz anders zu verstehen - und das regt eine Diskussion und ein Gedankenmachen darüber an. Und das ist das Wesentliche."
Einführung und Diskussionsrunde im Theater Lüneburg
Der Vorwurf des Antisemitismus ist dennoch da. Deswegen hat sich das Theater Lüneburg mit Experten beraten. Erst dann haben die Theatermacher entschieden, das Stück "Vögel" trotz der Vorwürfe zu spielen - nicht kommentarlos: Vor jeder Vorstellung gibt es eine Einführung, nach den Vorstellungen gibt es die Möglichkeit zur Diskussion.
Die richtige Entscheidung, sagt Regisseur Mario Holetzeck. Ihm ist es sehr wichtig, dieses Stück auf die Bühne zu bringen: "Ich würde nie sagen, dass das Stück antisemitisch ist, weil es eine Hoffnung, eine Sehnsucht hat." Und mit dieser Hoffnung endet das Stück. Es gab stehende Ovationen - der Applaus bei der Premiere wollte nicht enden.
Premiere von "Vögel" in Lüneburg: Endloser Applaus und Raum für Diskussion
Nach den Antisemitismusvorwürfen gegen Wajdi Mouawads "Vögel" am Metropoltheater in München feierte "Vögel" gestern erstmals seit dem Eklat wieder Premiere.
- Art:
- Bühne
- Datum:
- Ende:
- Ort:
-
Theater Lüneburg
An den Reeperbahnen 3
21335 Lüneburg - Preis:
- ab 17,50 Euro