Ein prunkvoller Theatersaal © Oldenburgisches Staatstheater Foto: Stephan Walzl

Oldenburgisches Staatstheater - Vom ersten Traum zum Sieben-Sparten-Haus

Stand: 24.01.2024 10:31 Uhr

Die Stadt Oldenburg hat zwar das bundesweit kleinste Staatstheater, aber das präsentiert sich immer noch in der neobarocken Pracht einer ehemaligen höfischen Residenz.

von Helgard Füchsel

Wer sich zum ersten Mal im großen Haus des Oldenburgischen Staatstheaters auf einen der roten, samtenen Sessel setzt, der staunt über die neobarocke Pracht im Zuschauerraum. Die drei Ränge und die Logen erheben sich über dem Parkett, sie sind verziert mit stilisierten Blattmotiven und Putten. Barocke Deckengemälde umrahmen einen riesigen Kronleuchter. Eine beeindruckende Atmosphäre.

Peter Christian Paulsen: Ein Perückenmacher mit Theaterliebe

Kaum zu glauben, wie schwer der Start für das Theater in Oldenburg war. Vor fast 250 Jahren träumte der Laienschauspieler und Perückenmacher Peter Christian Paulsen von einem festen Theaterhaus für Oldenburg. Während diese sich in anderen Städten wie Weimar oder Dresden bereits etablierten, bekam Oldenburg lediglich ab und zu Besuch von mehr oder minder professionellen Wandertheatergruppen. Paulsen setzte sich 1786 in seiner Schrift "ueber die Möglichkeit der stehenden Bühnen in kleinen Städten, in Rücksicht auf die Stadt Oldenburg" für ein festes Theater ein: "Auch für uns ist die Sonne der Aufklärung erschienen. Ihre Strahlen haben auch unsere Seelen empfänglich für das Schöne gemacht. Wir fühlen jetzt in diesem Lichtkreise die Leerheit der Seelen bey den oft niederdrückenden Geschäften des Berufs. Unser dürstender Geist sehnt sich nach stärkender Nahrung, um dem Verstande Kraft und dem Herzen Leben zu ertheilen." Den Behörden war der ambitionierte Perückenmacher ein Dorn im Auge. Der Regent Peter Friedrich Ludwig zu Oldenburg förderte zwar die Kunst, wie die Maler Johann Heinrich Tischbein und Ludwig-Philipp Strack und gründete eine Hofkapelle. Der Schauspielkunst stand er aber skeptisch gegenüber.

1832: Gründung des ersten festen Theaters in Oldenburg

Der "dürstende Geist" musste sich so noch bis in die 1830er-Jahre gedulden. Dann waren es ausgerechnet die viel gescholtenen herumziehenden Wandertheater, die bei den Oldenburgern das Bedürfnis nach einer festen Bühne wachsen ließen. Ludwig Starklof der Kabinetssekretär des Großherzogs Paul Friedrich August gründete 1832 das erste feste Theater und wurde auch erster Intendant des Theaters in Oldenburg. Der Zimmermeister Muck und seine Leute erbauten das Holzhaus innerhalb weniger Monate.

Eine colorierte Zeichnung eines Theatergebäudes © Niedersächsisches Landesarchiv - Abteilung Oldenburg
Eine kolorierte Zeichnung des alten Großherzoglichen Hoftheaters in Oldenburg von ca. 1834.

Bei der Eröffnung am 21. Februar 1833 waren alle 460 Plätze ausverkauft und es wurde die komische Oper "Der Schnee" gespielt. Es bildete sich ein kleines aber festes Theaterpublikum - wenige Besucher, die aber oft kamen und diese wollten jedes Stück möglichst nur einmal sehen. Deshalb folgten Premieren in rascher Folge. Manche Stücke wurden nur einmal insgesamt gespielt. Das meiste wurde schnell in zwei Tagen geprobt. Ab 1842 wurde das Oldenburger Theater vom Großherzog unterstützt und nannte sich Großherzogliches Hoftheater.

Vorgängerverein des Deutsche Bühnenvereins

Der Intendant Ferdinand von Gall führte wichtige Neuerungen ein, wie die Anstellung einiger Schauspieler auf Lebenszeit, einen Pensionsfonds und die Anstellung eines Theaterarztes. Die bedeutendste Neuerung dürfte sein, dass er 1846 zusammen mit dem Berliner Generalintendanten von Küstner den Theater-Cartell-Verein gründete. Der Verein sollte verhindern, dass Schauspielerinnen oder Sänger ihre Verträge brachen, weil ihnen woanders ein besseres Engagement winkte. Außerdem sollte er den Stand der Schauspieler heben und für deren bessere Bildung sorgen. Aus dem Verein ist der Deutsche Bühnenverein hervorgegangen, der bis heute bundesweit die Interessen der Theater und Orchester gegenüber der Politik vertritt.

Großherzogliches Hoftheater: Neuer Bau und Feuer

Ein historisches Bild eines Theatergebäudes © Niedersächsisches Landesarchiv - Abteilung Oldenburg
Foto des alten Theaters kurz vor dem Abbruch 1881

Das Theater wurde immer wichtiger für die Oldenburger und das hölzerne Theaterhaus langsam zu klein für das wachsende Publikum. Es sollte ein repräsentatives Gebäude entstehen. Am 8. Oktober 1881 wurde der neue steinerne Bau neben dem alten Holztheater mit Johann Wolfgang von Goethes "Iphigenie" eingeweiht. Das Glück währte allerdings nur zehn Jahre. Dann wurde auf der Bühne eine Schlacht um eine Burg mit einer dramatischen Schießerei dargestellt. Nachdem die Besucher bereits gegangen waren, fing das Theatergebäude Feuer, wie der Zeitzeuge Wilhelm von Busch von den "Nachrichten für Stadt und Land" berichtet: "Das Theater brennt! hallte es durch die Straßen. Man brauchte sich nicht weiter zu erkundigen, eine riesenhaft Lohe schoss über der Stadt zum Himmel empor und erleuchtete die winterkalten Straßen so hell, dass jeder wie am Tage lesen konnte. Von der Schießerei musste ein Funke dem aufmerksamen Auge des Theaterwächters entgangen sein. Die ganze Stadt in höchster Erregung ums Theater geschart. Die Künstler irrten weinend im Theatergarten umher. Die gesamte Feuerwehr in vergeblichem Kampf gegen den vom eisigen Nachtwind geschürten Brand."

1893: Bau des heutigen Staatstheaters

Deckengemälde im Staatstheater Oldenburg. Eine Frau mit nackten Brüsten posiert in freizügigem Kleid. © Online NDS Foto: Carsten Valk
Das Oldenburgische Staatstheater erscheint bis heute im neobraocken Stil - hier ein Deckengemälde.

Das Theater zog um in eine Notspielstätte. Innerhalb von zwei Jahren wurde auf den verkohlten Überresten ein neues Gebäude errichtet. Das Oldenburger Publikum feierte 1893 im ausverkauften Haus mit mehr als 1.000 Plätzen die Wiedereröffnung und bewunderte erstmals den Theatersaal, so wie ihn auch heutige Besucher bestaunen können. In den "Nachrichten für Stadt und Land" vom 9. Oktober 1893 heißt es: "Gewiß ist nur, daß mit der Eröffnung unseres Kunsttempels die Wünsche aller derjenigen erfüllt sind, denen die Nahrung für Geist und Gemüt mehr gilt, als alle die rauschenden Vergnügungen, die nur über den Augenblick hinweghalfen. Der Zuschauerraum darf mit Recht ein Schmuckkästchen genannt werden." Im "Schmuckkästchen" gab das Ensemble Klassiker von Shakespeare oder Lessing und Stücke von Zeitgenossen wie Lew Tolstoi oder Gerhart Hauptmann. Der Oldenburger Tischlermeister August Hinrichs brachte seine ersten Stücke auf die Bühne. Später sollte die niederdeutsche Bühne seinen Namen tragen.

Experimente und überregionales Ansehen in der Weimarer Republik

Nach dem Ersten Weltkrieg wurde das Theater zum "Oldenburger Landestheater". Das Land beteiligte sich an den Kosten unter der Bedingung, dass das Ensemble auch an anderen Orten des Oldenburger Landes bis hin nach Groningen auftritt. 1921 wurde die Opernsparte gegründet mit der viel bejubelten Aufführung von Carl Maria von Webers "Freischütz". Mit den 1920er-Jahren brach insgesamt eine Zeit der Experimente an. Das Theaterprogramm wurde mutiger. Die umstrittene Oper "Wozzeck" von Alban Berg hatte in Oldenburg am 5. März 1929 die erste Premiere nach der Uraufführung in Berlin. Alban Berg selbst hielt einen Einführungsvortrag. Nachher bedankte er sich beim Landesorchester in einem Brief und sagte in einem Interview: "Sehen Sie, meine Leute da unten sagten: Oldenburg, o Gott, was kann da schon werden! Aber sie werden beschämt sein, wenn ich erzähle. Ich bin selbst überrascht, auf das angenehmste." Die Oldenburger wagten sich auch im Jahr 1929 als drittes deutsches Theater nach Berlin und Augsburg an die "Dreigroschenoper" von Bertolt Brecht. Es gab einen Skandal und ein Teil des Publikums verließ die Premierenaufführung. Dennoch hatte das Stück danach so großen Zuspruch, dass es zehn Mal wiederholt wurde.

Oldenburgisches Staatstheater überlebt Zweiten Weltkrieg

Ab 1932 nahmen die Nationalsozialisten zunehmend Einfluss auf den Spielplan. Stücke wurden aussortiert, weil sie von sogenannten "Nicht-Ariern" geschrieben waren. Seit 1938 war das Theater ganz in staatlicher Trägerschaft. Es heißt seitdem Staatstheater. Das hatte den Vorteil, dass aufwendigere Produktionen möglich waren. Der Chor wuchs von 17 auf 28 Personen. Es gab 15 Solosängerinnen und Solosänger. Während des Zweiten Weltkriegs kamen zunehmend Werke mit propagandistichen Absichten auf das Programm. 1944 wurden alle Theater im Deutschen Reich geschlossen und das Theaterhaus in Oldenburg wurde für kurze Zeit zum Kino. Am 2. Mai 1945 kapitulierte die Stadt Oldenburg und ergab sich kampflos den einmarschierenden Kanadiern. Der Befehl zum Bombenabwurf wurde gerade noch zurückgezogen. Vermutlich ist es diesem Umstand zu verdanken, dass das Oldenburgische Staatstheater als eines von wenigen Theatern den Zweiten Weltkrieg nahezu unbeschadet überstanden hat.

Altes Haus mit Renovierungsbedarf

Der reguläre Spielbetrieb startete 1948 wieder. Im Laufe der kommenden Jahrzehnte wurden zusätzliche Räume angebaut. Es entstanden das heutige Foyer, das Kleine Haus als neue Spielstätte, Werkstätten und Magazinräume. Unter dem Intendanten Markus Müller wurde das Haus vom Vier-Sparten-Haus mit Oper, Schauspiel, Tanz und Konzert zum Sechs-Sparten-Haus. Die junge Bühne und die Niederdeutsche Bühne kamen dazu.

Nibelungenring: Traum und Trauma

Walküre © Stephan Walzl Foto: Stephan Walzl
Eine Szenenbild aus "Die Walküre". Am Oldenburgischen Staatstheater spielt die Oper in einem düsteren Bergdorf.

Das Theater startete mehrere Versuche, den gesamten "Ring des Nibelungen" von Richard Wagner in einer Spielzeit auf die Bühne bringen. 1921 im ersten Jahr der Oldenburger Oper wurde nur die Walküre aufgeführt, danach gab es immer wieder einzelne Opern aus dem Ring zu sehen. Anfang der 1970er Jahre war ein neuer Versuch geplant, aber es zeigte sich, dass die Wirklichkeit genauso dramatisch sein kann, wie die Oper. Der Dirigent Fritz Janota und die Gastsängerin Isabel Strauss verliebten sich ineinander und gerieten in tiefe Konflikte, weil beide verheiratet waren. Im Jahr 1973 sahen sie keinen anderen Ausweg, als den gemeinschaftlichen Selbstmord. Damit wurde auch der Ring aus dem Spielplan genommen. Zwischen 2017 und 2019 kam es dann immerhin so weit, dass der Ring verteilt auf vier Spielzeiten aufgeführt wurde.

Zum Opernjubiläum in der Spielzeit 2020/21 sollte das Mammutwerk mehrmals innerhalb von wenigen Tagen aufgeführt werden, aber die Pandemie machte einen Strich durch die Rechnung. Die Inszenierung von Paul Esterhazy mit Dirigent Hendrik Vestmann kam dann endlich in der Spielzeit 22/23 auf die Bühne.

VIDEO: Opernball Oldenburg: Endlich wieder so schön wie vor Corona! (3 Min)

Staatstheater prägt das Kulturleben Oldenburgs

Das Theater hat neben dem neobarocken Schmuckkästchen noch drei weitere Spielstätten: das nüchterne Kleine Haus, die Exerzierhalle mit Industriecharme und den kleineren Spielraum für Kinderstücke. Zu den sechs Sparten ist noch eine "Sparte Sieben" hinzu gekommen. Dahinter verbergen sich experimentelle Formate, wie "Melodien für Moneten" wo Besucher bei Sängerinnen und Sängern für einen Euro Lieder aus einer Art "Menü"-Karte bestellen können, wie in einer Live Juke-Box - oder auch ein Death-Cafe, wo Gäste sich bei Kaffee und Kuchen über den Tod unterhalten. Das Programm ist weit gefächert und geht von Opernklassikern von Mozart oder Verdi bis zu experimentellen Stücken, wie der Demokratischen Sinfonie, die Bundestagsdebatten in Musik umgesetzt hat. Es gibt Uraufführungen zu wissenschaftlichen Themen, wie dem Leben auf dem Mars und es wird Seltenes gespielt, wie die deutsche Erstaufführung von "Les Boreades" von Jean Philippe Rameau in Zusammenarbeit mit dem Centre de Musique Baroque in Versailles. Pro Spielzeit bietet das Theater etwa 30 Premieren und 25 Konzerte für etwa 200.000 Besucherinnen und Besucher.

Weitere Informationen
Die prächtige Fassade des Staatstheaters Oldenburg © Andreas Etter

Oldenburgisches Staatstheater

Das Staatstheater ist Oldenburgs größtes Theater und bietet Konzerte, Opern, Ballett, Musical sowie Theater-Projekte an. mehr

Dieses Thema im Programm:

NDR Kultur | Der Morgen | 30.10.2023 | 06:20 Uhr

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