Hamburgs zukünftiger Ballettchef: So ist sein Abschiedsstück in Düsseldorf
In wenigen Monaten kommt der neue Ballettintendant Demis Volpi vom Rhein an die Elbe. Jetzt ist ihm mit "Surrogate Cities" ein berauschendes Finale in Düsseldorf gelungen. Die Uraufführung war auch ein Blick in die Hamburger Ballett-Zukunft.
Zum Abschied hat Demis Volpi noch einmal das große Besteck ausgepackt: Düsseldorfer Symphoniker plus Sopranistin, Soloposaunist und Sampler-Spieler, der Alltagsklänge erzeugt. Außerdem sind alle 45 Tänzer und Tänzerinnen seiner Compagnie auf der Bühne. Es ist eine fast zwei Stunden lange, abendfüllende Choreografie. Davon hat der 38-jährige Choreograf noch nicht so viele in seiner Schublade. Entschieden hat er sich für "Surrogate Cities". 1994 hat Heiner Goebbels dieses atemberaubend komplexe Stück Musik komponiert.
"Surrogate Cities": Auseinandersetzung mit der Macht der Großstadt
"Surrogate Cities" beschäftigt sich mit dem Leben in der Großstadt. Mit ihrer Macht als Heimat und Hektik-Hölle, Sehnsuchtsort und Ruhepol. Es wird gerangelt, gerannt, geliebt und verzweifelt. Es rasselt und heult, dröhnt und kracht. Aber auch fast sanfte, melodiöse Klänge gibt es. Das Stück beginnt mit einer Art Großstadt-Gewimmel und Geraune: Orchester und Compagnie schlendern gemeinsam herein und finden erst nach einer Weile ihre Plätze. Die Musiker sitzen nicht im Orchestergraben, sondern auf der hinteren Bühne. Rechts und links vorne sind große Stahlgerüste aufgebaut, so dass eine Art Industriekulisse mit gefühlter Straßenkreuzung entsteht. Weil der Orchestergraben fehlt, sind die Tanzenden der ersten Reihe sehr nah.
Musik und Tanz sind durchlässig und voller Spannung
Die Musik des Abends ist nicht gerade gefällig. Manchmal kreischen und Kratzen die Töne. Aber Tanz und Klänge sind immer voller Spannung. Die Choreografie trägt die Szenen, Tableaus und eindrucksvollen Gruppierungen. Eine Handlung gibt es nicht. Dafür einen Dialog zwischen Musik und Tanz. Manchmal nimmt das Ensemble die Klänge ganz exakt rhythmisch ab. Gefühlt ist es dann eins mit der Stadt. Oder eine Gruppe von Tänzern kommt in Richtung Zuschauerraum und man fantasiert sich in die "Westside Story", in der gleich die andere Gang auftaucht. Oder mehrere Tanzende verschlingen sich malerisch-erotisch ineinander. Kleine zitternde Bewegungen gibt es genauso wie eilig ausladendes Gehen. Tanztechnisch besonders beeindruckend sind die Pas de deux, mit großer Innigkeit und schwierigen Hebefiguren.
Demis Volpi und seine Kompagnie werden mit "Bravos" gefeiert
Das Publikum ist begeistert. Fast alle stehen auf, als Demis Volpi bei dieser ersten Vorstellung nach der Premiere zum Schlussapplaus auf die Bühne kommt. Zu Recht. Ihm ist ein mutiger Abend gelungen. Mit weitem Tanzblick und großer Durchlässigkeit. Volpi weicht in vieler Hinsicht Grenzen auf. Nicht nur die zwischen Musik, Gesang und Tanz. Auch die Geschlechterrollen sind einmal mehr nahezu aufgehoben. Oft tragen alle Personen schwarze Hosen oder Anzüge. Männer und Männer tanzen selbstverständlich wunderschöne Pas de deux. Respekt vor der Individualität ist ein großes Thema für Volpi. Außerdem ist seine neue Kreation einmal mehr nicht nur Ballett, sondern streift auch das Theater. Es sind eindrucksvolle Bilder, wenn plötzlich zahllose Papierflieger die Großstadtordnung irritieren. Oder ein Riese auf der Bühne erscheint und daneben jemand verzweifelt.
Abschiedsschmerz und gespannter Blick nach vorn in Düsseldorf
Für seine neue Aufgabe wünscht das Düsseldorfer Publikum Volpi natürlich Glück. Aber auch Abschiedsschmerz gibt es. "Er hat es am Anfang nicht leicht gehabt und hat es gut gemacht", sagt eine Zuschauerin. "Wir sind auch auf das Programm der Neuen gespannt" eine andere. Zum neuen Düsseldorfer Führungsduo gehört Bridget Breiner. Sie ist noch Ballettchefin am Badischen Staatstheater in Karlsruhe und zeigt aktuell mit ihrer umjubelten Premiere einen dreiteiligen Abend, der auf gewisse Weise auch mit Hamburg zu tun hat. Zu sehen waren Stücke von zwei Choreografen und einer Choreografin unterschiedlicher Generationen. Darunter der 91-jährige, sehr elegante Choreograf Hans von Manen. Der wird auch bei Volpis Eröffnungspremiere in Hamburg im September dabei sein, zusammen mit anderen. Geteilte Abende werden eine größere Rolle spielen. Sie gehören auch zu modernen Programmen. Demis Volpi möchte viele Tanzsprachen zeigen. Hamburg ist das so nicht gewöhnt. Auch das wird mit Volpi anders.
Hamburgs zukünftiger Ballettchef: So ist sein Abschiedsstück in Düsseldorf
Mit "Surrogate Cities" ist Demis Volpi ein berauschendes Finale an der Oper am Rhein gelungen. Die Uraufführung war auch ein Blick in die Hamburger Ballett-Zukunft.
- Art:
- Bühne
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- Ort:
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Opernhaus Düsseldorf
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